Schreibe eine, indem du die Bewertungsvorlage benutzt!
»Unser aller Schicksal liegt nun auf den Schultern
dieser beiden Katzen. Und ich glaube,
sie sind bereits da.«
Pfade der Finsternis | |
---|---|
On Sinister Paths | |
Allgemeines | |
Autor: | Grinsekätzchen |
Covergestaltung: | Grinsekätzchen |
Herausgeber: | WarriorCats-Erfindung Wiki |
Details | |
Version: | 2 |
Erstveröffentlichung: | 2. März 2014 (V. 1), 2. Juni 2019 (V. 2) |
Chronologie | |
Vorgänger Schwarzer Schnee |
Nachfolger Verlorene Seelen |
Der erbitterte Kampf zwischen dem SchneeClan und dem BlattClan ist vorüber und die Katzen des SchneeClans sind entsetzt, dass so etwas passieren konnte. Rindenstern schwört Rache - und schreckt dabei vor nichts zurück. Echopfote ist verzweifelt, vor allem, weil sie sich für Hirschsprungs Tod verantwortlich macht, und ausgerechnet jetzt wird sie immer wieder nachts von den Kriegern der Finsternis heimgesucht. Sie versprechen ihr Antworten - doch die haben ihren Preis. Wie soll Echopfote sich entscheiden? Als Echopfote sich dann auch noch immer mehr in eine verbotene Liebe verstrickt und plötzlich die Wahrheit über Nachtschweifs Tod erfährt, scheint die düstere Prophezeiung wahr zu werden ...
Pfade der Finsternis (eng. On Sinister Paths) ist der zweite Band meiner Staffel Schatten des Schicksals. Die Katze auf dem Cover ist Blattpfote.
Viel Spaß beim Lesen!!!
Disclღsure i'm not okay with okay
- → Hierarchie
- → Timeline
Prolog[]
GLEISSEND HELLES SONNENLICHT schimmerte auf den Wogen eines leise dahinplätschernden Flusses; die Wellen glitzerten, als hätten sich die Sterne selbst in ihnen verfangen. Das lange, grüne Gras an seinem sandigen Ufer wogte sanft in einer leichten Brise, in der auch die Blätter der hohen Bäume jenseits des Ufers raschelten. Es war ein warmer Tag, wie zum Höhepunkt der Blattfrische.
An dieser Stelle war der Fluss flach und floss nur träge dahin; weiter hinten beschrieb der einen Bogen und stürzte rauschend einen kleinen Abhang hinab. Hier war es jedoch fast still und nichts störte die Ruhe des Ortes.
Es raschelte und eine Katze trat aus dem dichten Unterholz auf den Sandstrand hinaus. Es war ein Kater mit goldenem Fell, das in der Sonne zu strahlen schien. Die Katze hob schnüffelnd die Nase, dann wandte sie sich um. „Der Fluss ist ruhig heute. Der Weg scheint frei zu sein.“
Direkt hinter ihm schob sich eine weitere Katze aus dem Farndickicht hinaus ans Ufer und trat beinahe vollkommen lautlos an die Seite des Goldenen. Diesmal war es eine Kätzin; ihr Fell war dunkel wie der Nachthimmel und mit unzähligen silbernen Tupfen übersäht. „Das ist ein gutes Zeichen“, miaute die Schwarze, doch in ihren blauen Augen stand Sorge. „Ich hoffe, Blattstern hat sich beruhigt. Seine Katzen so von allen anderen abzuschotten …“ Sie schüttelte traurig den Kopf. „So sollte der SternenClan nicht aussehen.“ Sie trat nah ans Ufer und tauchte eine Pfote ins Wasser.
Der Goldene folgte ihr. „Hältst du das wirklich für eine gute Idee, Nachtflügel?“, raunte er. „Wenn wir in Blattsterns Territorium eindringen könnten noch schlimmere Konflikte entflammen – was, wenn sich das sogar auf die Clans auswirkt?“
„Ach was!“ Nachtflügel hielt ihren Blick fest auf das andere Ufer gerichtet. „Unter den SternenClan-Katzen hat es nie solche Gruppen gegeben, geschweige denn Grenzen. Und daran kann ein verrückt gewordener Anführer nicht einfach so etwas ändern. Blattstern wird sich schon wieder einkriegen.“
Mit zielstrebigen Schritten begann Nachtflügel, den Fluss zu durchwaten; das Wasser reichte ihr kaum bis zum Bauch und umströmte ihre Pfoten wie goldenes Licht. Hier war der Fluss so flach, dass man problemlos bis auf den sandigen Grund blicken konnte, und es dauerte nicht lange, bis die schwarze Kätzin das gegenüberliegende Ufer erreicht hatte. Dort drehte sie sich zu ihrem Begleiter um.
Dieser zögerte. „Oh Nachtflügel, das ist ganz und gar keine gute Idee“, murmelte er, wie zu sich selbst.
„Nun komm schon, Malvenstern!“
Der Goldene seufzte und betrat erschaudernd den Fluss. Einige Herzschläge stand er so da, lauschend, als würde er auf etwas warten. Dann atmete er auf und huschte mit wenigen langen Sätzen zu der Kätzin hinüber. Diese schüttelte amüsiert den Kopf.
„Man kann nicht vorsichtig genug sein!“, verteidigte Malvenstern sich.
Nachtflügel erwiderte nichts, ihre Miene wurde ernst. „Gehen wir.“
Auf dieser Seite des Flusses waren die Bäume mächtiger und ihre Kronen voller; der schattige Boden war nahezu kahl. Die Kätzin ging vor, mit entspannt angelegtem Fell, während Malvenstern, der die Nachhut bildete, sich nervös umblickte. Die beiden Katzen bewegten sich schweigend voran. Ab und an knackte ein Ast in ihrer Umgebung oder eine Windböe fuhr durch das dichte Blätterdach, aber ansonsten war es still. Mit jedem weiteren Schritt, mit dem sie sich tiefer in den dämmrigen Wald hineinbewegten, wurde es dämmriger und kühler.
Malvensterns Fell sträubte sich. „Wie können Blattsterns Katzen sich nur solch einen unwirtlichen Ort aussuchen?“
Sie waren schon eine ganze Weile unterwegs, als sich vor den beiden Gefährten urplötzlich eine Lichtung auftat. Hier war der Erdboden nicht länger von dem dichten Laubdach geschützt, und warme Sonnenstrahlen beschienen eine kleine, saftig grüne Wiese, an deren anderer Seite ein kleiner Bach entlangplätscherte. Ein paar leuchtend gelbe, rote und blaue Blumen stachen zwischen den Halmen hervor und hielten ihre Knospen in die Sonne.
Nachtflügel blieb stehen, Malvenstern gesellte sich zu ihr. „Wir sind da“, miaute die Kätzin. „Wir haben sie gefunden.“
Nahe des Bachlaufs lag eine bunt gescheckte Kätzin im Gras, den flauschigen, weißen Bauch zum blauen Himmel gerichtet. Sie schien zu dösen, ab und an zuckten ihre hellen Pfoten wie im Traum.
Nachtflügel und Malvenstern wechselten einen schnellen Blick.
„Was willst du nun tun, Nachtflügel?“, fragte Malvenstern seine Gefährtin mit leiser Stimme.
Diese trat entschlossen auf die Lichtung hinaus. „Ich werde sie zur Rede stellen“, antwortete sie, ohne die Stimme auch nur ein wenig zu senken. Zielstrebig trabte sie quer über die Wiese auf die schlafende Kätzin zu. Die silbernen Tupfer in ihrem dichten Pelz schimmerten im grellen Sonnenlicht fast goldig.
Zögernd nahm der Goldene die Verfolgung auf.
Als Nachtflügel die schlafende Kätzin erreichte, döste diese noch immer. Nachtflügel stieß ein grimmiges Knurren aus. „Sprenkelfeuer, wach auf!“
Die gesprenkelte Kätzin öffnete erst das eine, dann das andere grüne Auge. Als sie die andere Kätzin entdeckte trat ein entnervter Ausdruck in ihre Augen. „Nachtflügel. Dir ist sicherlich bewusst, dass es SchneeClan-Katzen nicht erlaubt ist, das BlattClan-Territorium zu betreten?“
Die Schwarze verengte verkniffen die Augen. „Wir befinden uns im SternenClan. Hier gibt es keinen BlattClan und keinen SchneeClan mehr.“
Mit einem Gähnen zog Sprenkelfeuer sich auf die Pfoten. Als sie Malvenstern entdeckte, der sich nun zu Nachtflügel gesellte, stahl sich ein spöttisches Lächeln auf ihre Miene. „Ach, und unser aller Lieblingsanführer mit nur einem Leben ist auch dabei“, schnurrte sie herablassend.
Malvenstern blieb ruhig. „Auch ich grüße dich, Sprenkelfeuer.“
Höhnisch neigte Sprenkelfeuer leicht den Kopf vor dem früheren SchneeClan-Anführer, dann wandte sie sich wieder Nachtflügel zu. „Ich muss euch nun bitten, zu gehen“, miaute sie mit Nachdruck. „Ich möchte mir ungern die Pfoten schmutzig machen – selbst, wenn ich euch verschone, gibt es wenige Katzen in diesem Wald, die das gleiche tun würden.“ Ihre Augen blitzten warnend.
Malvenstern verlagerte unbehaglich das Gewicht auf seinen Pfoten, aber Nachtflügel ließ sich nicht einschüchtern. „Wir sind gekommen, um mit dir zu reden, Sprenkelfeuer. Ich denke, du weißt wovon ich spreche.“
Die andere begann, leise und rau zu lachen. „Es geht also um die Prophezeiung. Natürlich.“ Sie zuckte herablassend mit den Ohren. „Du könntest deinen alten Clan nicht retten, wenn du es wirklich versuchtest, Nachtflügel.“
Ein gefährliches Knurren stieg aus Nachtflügels Kehle aus. Malvenstern legte der Schwarzen beruhigend den Schwanz um die Schultern, als diese ihre Krallen ausfuhr. „Prophezeiung!“ Nachtflügel schnaubte. „Das war keine Prophezeiung, und das weißt du genau! Deinen Clan so anzulügen …“
Auch Sprenkelfeuer ging nun in Angriffsposition. „Ich habe das getan, was getan werden musste!“
„Musste?“, fauchte Nachtflügel voll Wut. „Du hast das Überleben aller Clans gefährdet, nicht nur das des SchneeClans! Diese Prophezeiung, die du deiner Tochter überbracht hast, ist eine blanke Lüge; aber natürlich glaubt der BlattClan dir und erklärt den anderen den Krieg.“
Sprenkelfeuer fletschte die Zähne. „Halte Dunstfleck da heraus“, grollte sie. „Sie ist eine hervorragende Heilerin geworden – das kannst du nicht bestreiten.“
„Das tun wir auch gar nicht“, miaute Malvenstern beschwichtigend, ehe Nachtflügel etwas erwidern konnte. „Aber diese Lüge, diese falsche Prophezeiung, die du in die Welt gesetzt hast, hat weitreichende Konsequenzen gehabt … und ein anderes Junges von dir das Leben gekostet.“
Ein Schatten zog über Sprenkelfeuers Augen. Einige Herzschläge lang schwieg sie, wie auf der Suche nach den richtigen Worten. Dann jaulte sie voll Schmerz: „Hirschsprungs Tod ist nichts, wofür ihr mir die Schuld geben könnt! Es war diese Schülerin, die ihn nicht rechtzeitig gerettet hat.“
Hinter Malvenstern schnaubte Nachtflügel verächtlich.
Schnell begann Malvenstern, weiterzureden: „Niemandem kann die Schuld an seinem Tod gegeben werden – es war ein Versehen. Aber dieser Kampf zwischen unseren Clans hätte verhindert werden können, und hätte verhindert werden müssen. Niemand will einen Krieg.“
Nachtflügel nickte mit Nachdruck und schob sich an Malvenstern vorbei auf Sprenkelfeuer zu. „Vor allem in den Zeiten, die auf die Clans zukommen, ist der Zusammenhalt das Wichtigste. Ein Schatten schiebt sich von Norden kommend auf den See zu, eine Bedrohung, der unsere Katzen nur gemeinsam begegnen können … aber nein, natürlich musstest du wieder einmal alles zerstören!“ Aufgewühlt peitschte die Schwarze mit dem Schwanz.
Sprenkelfeuer wich angespannt zurück.
Nachtflügel folgte ihr mit gesträubtem Pelz. „Warum Sprenkelfeuer? Ich verstehe es nicht! Warum hast die Clans so gegeneinander aufgebracht?“
Sprenkelfeuer hob den gescheckten Kopf. „Der SchneeClan hat schon viel zu lange in einem Territorium gelebt, das rechtmäßig auch dem BlattClan gehört.“
„Das Anrecht auf dieses Territorium habt ihr vor langer Zeit verloren.“
„Das mag wahr sein.“ Sprenkelfeuer zuckte andächtig mit den Ohren. „Aber auch dein geliebter SchneeClan ist nicht ohne Fehler. Wenn sich die Prophezeiung der Zwei erfüllt, wenn das Echo des Hasses unserer Vorfahren durch den Wald hallt, dann sollen nicht alle Clans dafür büßen! Es ist einfacher, wenn der SchneeClan das Territorium verlässt und somit Platz, für die Seelenkatzen schafft. Nur so lässt sich ein Massaker umgehen.“
„Umgehen?“, rief Nachtflügel fassungslos aus. „Du hast kein Massaker umgangen, sondern eines herbeigerufen! Dachtest du wirklich, mein Clan würde den See kampflos verlassen?“ Ungläubig schüttelte sie den Kopf. „Die Prophezeiung wird eintreten, egal was du tust. Unsere Aufgabe ist es nun, die Clans wieder zu einigen, damit sie im letzten Kampf gegen die Seelenkatzen antreten können.“
Doch Sprenkelfeuer schüttelte den Kopf. „Es war die richtige Entscheidung“, murmelte sie, wie zu sich selbst. „Eschenstern würde mich verstehen.“ Sie blickte ihrer Widersacherin in die blauen Augen. „Ich sage es dir, Nachtflügel: der SchneeClan muss den Endlosen See verlassen. Es ist das Beste für alle Clans, nicht nur den BlattClan. Niemals können wir gegen die bösen Seelen ankommen, nicht einmal zusammen. Entweder, der SchneeClan geht, oder das Ende aller Clans wird kommen.“
Nachtflügel öffnete das Maul wie um etwas zu erwidern, aber keine Worte verließen ihren Mund.
„Lass uns gehen“, raunte Malvenstern ihr zu. „Wir werden Sprenkelfeuer nicht umstimmen können.“
„Niemals“, verkündete die Gesprenkelte laut. „Und jetzt verschwindet von hier, ehe ich euch dazu zwingen muss.“
Nachtflügel blieb einige Augenblicke lang unschlüssig stehen. Dann erwiderte sie Malvensterns Blick. „Du hast Recht. Gehen wir.“
Zufrieden sah Sprenkelfeuer zu, wie die beiden SternenClan-Katzen sich von ihr entfernten. Kaum waren die zwei im Schatten der Bäume untergetaucht, trat lautlos ein langgliedriger, hellbrauner Kater zu ihr.
„Es beginnt, Blattstern“, miaute Sprenkelfeuer ohne den anderen anzusehen. „Und sie werden uns nicht mehr aufhalten können.“
Im Schatten der Bäume wandte Malvenstern sich ein letztes Mal an seine Begleiterin: „Und nun? Wird es uns gelingen, die Clans ohne die BlattClan-Katzen umzustimmen?“
„Es muss uns gelingen. Sonst ist alles verloren.“ Nachtflügel seufzte schwer. „Sprenkelfeuer hat Unrecht. Sie muss Unrecht haben! Gemeinsam können wir gegen den Schatten ankommen. Aber dafür brauchen wir die Unterstützung des BlattClans …“
Malvenstern legte ihr tröstend den Schweif um die Schultern. „Es wird schon alles gut werden. Vergiss nicht – was ist mit den Zweien aus der Prophezeiung? Wenn sie kommen, werden sie Eschenstern sicherlich umstimmen können!“
Nachtflügel nickte. „Unser aller Schicksal liegt nun auf den Schultern dieser beiden Katzen. Und ich glaube, sie sind bereits da.“
1. Kapitel[]
ES WAR SO KALT, dass Echopfotes Atem in der Luft weiße Wölkchen bildete. Zu gern hätte sie sich etwas tiefer in ihr Moosnest geschmiegt, aber sie hatte zu große Angst, dass sie dann einschlief und die Nacht verpasste.
Echopfote streckte sich, um die Müdigkeit aus ihren Gliedern zu vertreiben, und wäre dabei fast gegen die schlafende Blütenpfote gestoßen. Nur noch ein kleines bisschen warten …
Es war ein halber Mond vergangen, seit sie Sturmpfote das letzte Mal gesehen hatte, viel zu lange. Aber nach dem Kampf hatte Sternlichtglanz sie förmlich dazu gezwungen, im Heilerbau zu bleiben, vor allem, als sie die Albträume bemerkt hatte.
Echopfote kniff die Augen zusammen, als die Bilder begonnen, ihren Kopf zu fluten. Nicht dran denken! Sie schob die Vision beiseite. Am Tag war es einfach, zu ignorieren, wie Hirschsprung vor ihrem inneren Auge in die endlose, schwarze Tiefe der Spalte segelte. Desnachts war das weitaus schwieriger.
Einer der Gründe, warum Echopfote noch weniger schlief als im vergangenen Mond.
Ein anderer war, dass Laubstern immer öfter auftauchte, und mit ihm Flammenherz und manchmal Eissturm, die anderen beiden Krieger aus dem Wald der Finsternis, die sie besuchten. Laubstern hatte beinahe schadenfroh gewirkt, dass sie im Lager gefangen war und unter Sternlichtglanz‘ besonderer Beobachtung stand. Wenn du tagsüber weniger trainierst, hast du weniger, was dich von deinem Training hier ablenken kann!
Echopfote erschauderte. Ihre Aufenthalte im finsteren Wald waren in den letzten Tagen von einer aufregenden Aktivität zu einer unangenehmen Pflicht geworden.
Echopfote spähte durch die frostverbrannten Farnwedel hindurch zum Himmel hinauf. Es dauerte einige Herzschläge, bis sie die schmale Krallensichel des zunehmenden Mondes am Rand des Felsenkessels entdeckte.
Es ist soweit! Nun sträubte sich Echopfotes Fell nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung. Vorsichtig richtete sie sich auf und schob sich zwischen ihren schlummernden Baugefährten vorbei ins Freie. Einige Augenblicke verharrte sie dort und überprüfte die Luft. Aber die einzigen Düfte, die sie ausmachen konnte, stammten aus den Bauen ihrer Clangefährten und von Haselschweif und Halbohr, die gemeinsam vor dem Lagereingang Wache hielten. Die Luft war rein.
Vor Freude wäre Echopfote am liebsten in die Luft gesprungen. Endlich würde sie Sturmpfote wiedersehen! Als sie sich kurz vor dem verheerenden Kampf im SchneeClan-Lager das letzte Mal getroffen hatten, hatten sie kein neues Treffen ausgemacht; aber Echopfote war sich sicher, dass er heute an der kleinen Lichtung auf sie warten würde. Sie hatten sich bisher jedes Mal am Tag nach Neumond getroffen.
Dennoch – sie würde vorsichtig sein müssen. Seit der BlattClan sie angegriffen hatte, waren alle im Clan angespannter. Aber Rindenstern sandte den Großteil seiner Patrouillen zum Fluss, nicht zur SturmClan-Grenze. Vielleicht würde sie Glück haben und niemand bemerkte ihren Ausflug.
Auf leichten Pfoten schlich Echopfote quer über die Sandlichtung hinweg zum Lagerausgang und zwängte sich durch den dornigen Brombeertunnel hindurch. Noch war es im SchneeClan-Territorium in der Nacht eiskalte und es sprossen an den Ästen noch keine neuen Blätter und Knospen; aber vom Endlosen See her kündigte ein warmer Wind die Blattfrische an und der letzte Schnee war längst geschmolzen. Erst vor wenigen Tagen hatte Echopfote ein Gespräch von Sternlichtglanz und Birkenpfote überhört, in dem sie ihren Schüler gemahnt hatte, die nun frisch wachsenden Kräuter noch nicht zu sammeln, sondern weiter gedeihen zu lassen …
Echopfote hatte kaum das Lager verlassen, als ihr schon Halbohr in den Weg sprang, das unverletzte Ohr angelegt. „Wohin des Weges, so spät in der Nacht?“
Hinter ihr landete Haselschweif elegant auf dem gefrorenen Erdboden und gesellte sich zu seiner älteren Schwester.
Das Herz schlug Echopfote bis zum Hals, aber sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. „Ich kann nicht einschlafen“, miaute sie, stolz darauf, wie selbstbewusst ihre Stimme klang. „Ich glaube, es würde helfen, wenn ich mir etwas die Pfoten vertrete …“
Der Ausdruck in Halbohrs blaugrünen Augen wurde sanfter. „Ich würde dich gerne aus dem Lager lassen, Echopfote, aber ich fürchte, ich kann nicht.“
Echopfotes Maul klappte auf. Ich hatte sonst nie Probleme, aus dem Lager zu kommen! Selbst Flammenfuß hat mich nach draußen gelassen … Verzweiflung begann, in ihr aufzusteigen.
Halbohr schien ihre Niedergeschlagenheit bemerkt zu haben und schnurrte voll Mitleid. „Es tut mir leid. Aber es ist viel zu gefährlich, alleine dort draußen …“
„Es dauert auch nicht lange, versprochen!“
Halbohr schüttelte den Kopf, als plötzlich Haselschweif zu sprechen begann: „Vielleicht könnte ich Echopfote begleiten.“
Oh großer SternenClan, nein! Wenn der junge Krieger dabei war würde sie sich niemals mit Sturmpfote treffen können …
„Ich kann sehr gut auf mich alleine aufpassen, danke!“, zischte Echopfote, schärfer als beabsichtigt.
Der hellbraune Kater zuckte nicht einmal mit dem Schnurrhaar.
Halbohr schien angestrengt nachdenken.
„Bitte, Halbohr!“, flehte Echopfote. Dass ich mich dazu herablasse, sie so anzubetteln … „Ich brauche nur ein bisschen Zeit alleine. Ich passe gut auf, ich versprechen es!“ Bitte, SternenClan!
Die vernarbte Schildpattkätzin seufzte schwer. „Na gut. Wohin willst du gehen?“
Es war, als fiele ein Stein von Echopfotes Herzen. Sie versuchte, sich ihre Erleichterung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen, und sagte schnell: „Zu … zum … Endlosen See?“
Halbohr nickte knapp. „Gut. Dann holt Haselschweif dich dort zu Mondhoch ab.“
Echopfote unterdrückte den Drang, zum Mond hinaufzublicken. Mondhoch? Dann bleibt mir nicht viel Zeit …
Egal. Besser, als Sturmpfote gar nicht zu sehen. „Danke. Danke!“
Sie wollte gerade an ihren Clangefährten vorbeispringen, als Haselschweif sie aufhielt. „Wo wollen wir uns treffen? An der alten Weide?“
Die alte Weide, der Ort, an dem die Versammlungen stattfanden. Dort hatte Sturmpfote sie gefragt, ob sie sich wiedersehen wollten … Mit einem Mal schien die Erinnerung an ihn an jedem Ort dieses Waldes zu haften.
Echopfote nickte hastig. „Klar.“ Warum habe ich bloß gesagt, dass ich zum See möchte? Es wird mich viel zu viel Zeit kosten, von der SturmClan-Grenze wieder zur Weide zu kommen …
„Lass dir nicht zu viel Zeit“, mahnte Halbohr mit strenger Stimme. „Wenn du dich verspäten solltest, werden wir uns dazu gezwungen sehen, eine Suchpatrouille zusammenzustellen.“
„Natürlich.“ Mäusedreck!
Mit einem Schwanzschnippen verabschiedete sich Echopfote von den beiden und tauchte in Richtung des Endlosen Sees in den Wald ein. Sie musste sich dazu zwingen, langsam zu gehen, obwohl sie das Gefühl hatte, die Zeit renne ihr davon. Sie konnte die stechenden Blicke der beiden SchneeClan-Krieger nahezu auf ihrem Pelz spüren.
Kaum war das SchneeClan-Lager hinter den Bäumen und somit Echopfote aus dem Blickfeld der anderen verschwunden, änderte sie ihre Richtung und begann, zu rennen. Es war das erste Mal seit langem, dass ihre Pfoten dabei nicht in schultertiefen Schnee versanken, sondern auf harten Erdboden trafen, und dass der Wind, der ihr durchs Fell zauste, nicht bitterkalt war, und in jedem anderen Moment hätte Echopfote das Gefühl genossen. Aber nicht heute. Sie würde sich beeilen müssen, wenn sie Sturmpfote überhaupt noch sehen wollte, und betete, dass er pünktlich war.
Der Wald um sie herum verschwamm in der Dunkelheit, aber dennoch hatte Echopfote das Gefühl, kaum voranzukommen. Immer wieder musste sie ihre Schritte drosseln und prüfen, ob eine Patrouille in der Nähe war. Aber es blieb still. Nur das leise Krachen der trockenen Äste im Wind war zu hören.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein als Echopfote endlich das Plätschern von Wasser hören konnte. Wenige Herzschläge später öffnete sich der Wald vor ihr und der Grenzbach kam zum Vorschein, der sich hier in zwei Arme teilte und in gemächlichem Tempo zum Endlosen See hinabfloss. Weiter stromaufwärts war der Hang steiler und der schmale Bach sprang über einige Kaskaden hinab. Zwischen diesen hatten Echopfote und Sturmpfote einander das erste Mal gesehen.
Aber das war in der Mitte der Blattleere gewesen und der Bach war Monde lang zugefroren gewesen. Jetzt jedoch rauschte er frei die Wasserfälle hinab und trat an dieser Stelle übers Ufer. Besorgt trat Echopfote ans Ufer. Wie sollten sie sich nun treffen, wenn der Bach sie voneinander trennte?
Echopfote schob den Gedanken beiseite. Zuerst muss ich Sturmpfote überhaupt finden! Oh, hoffentlich ist er gekommen …
Der Mond hatte seinen Pfad über den Himmel bereits viel zu weit fortgesetzt, als Echopfote endlich die Lichtung erreichte, an der der Bach zwischen zwei Wasserfällen ein kleines Becken formte, in dem das Wasser nur träge dahinfloss. Es war erst wenige Monde her, dass sie während eines Kampfes mit dem SturmClan hier im Eis eingebrochen war. Sie wäre sicher ertrunken, hätte Sturmpfote sie nicht gerettet.
Echopfote sog tief die kühle Luft ein. Die Gerüche der beiden Abendpatrouillen waren längst schal, den von Sturmpfote konnte Echopfote noch nicht erkennen. Sie seufzte schwer und ließ sich am Ufer nieder.
Was, wenn er überhaupt nicht kommt? Wenn er die Hoffnung in mich aufgegeben hat? Ich war schließlich viel zu lange nicht mehr hier … Nein, so darf ich nicht denken! Sturmpfote hat mich noch nie im Stich gelassen!
Sie ließ ihren Blick zum Himmel wandern, und unzählige Krieger des SternenClans blickten zurück. Echopfote musste an Hirschsprung denken. Ob auch er nun im SternenClan weilte? Immerhin hatte er beinahe sie und Ampferpfote umgebracht … Aber im Herzen war er ein guter Kater gewesen. Oder?
Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn Hirschsprung nicht im SternenClan, sondern im Wald der Finsternis war? Was, wenn sie ihm eines Nachts bei ihrem Training mit Laubstern begegnen würde?
Echopfote schüttelte den Gedanken ab. Sie war im finsteren Wald außer Laubstern, Flammenherz, Eissturm und Nachtschweif noch nie anderen Katzen begegnet. Selbst wenn Hirschsprung dort sein sollte – sie würde ihn sicherlich nie wiedersehen.
Und niemals erfahren, warum er sie so sehr gehasst hatte …
Das alles liegt in der Vergangenheit! Warum muss ich überhaupt noch so häufig darüber nachdenken? Was interessiert es mich, warum Hirschsprung mich töten wollte? Er ist nun fort. Es ist egal …
Auf der anderen Seite des Baches raschelte es im Gestrüpp. Erschrocken sprang Echopfote auf die Pfoten und fuhr unwillkürlich die Krallen aus. Ihr Fell sträubte sich vor Freude, als sie erkannte, wer da ans Ufer trat.
„Sturmpfote!“
Der grau gefleckte Kater trat aus dem Schatten der kahlen Bäume hinaus ins blasse Licht, Echopfote konnte ihn in der Dunkelheit kaum erkennen. Aber sie wusste, dass er es war, noch ehe der unverkennbare Duft des Katers ihr in die Nase stieg. Es war diese Art und Weise, wie er eine Pfote vor die andere setzte, wie seine Augen aufleuchteten, als er sie entdeckte, die einzigartig war.
Sturmpfote ließ sich am anderen Ufer des Baches nieder und plusterte das weiche Fell auf, antwortete jedoch nicht.
„Sturmpfote?“
Noch immer keine Reaktion.
Wut stieg in Echopfote auf. „He!“, knurrte sie. „Was soll das denn?“ Hat er überhaupt eine Vorstellung, welche Mühe es mich gekostet hat, hier hinzukommen?
Sturmpfotes Schnurrhaare zuckten, dann begann er, laut zu lachen.
Echopfote zuckte bei dem Geräusch zusammen. „Was soll das? Das ist überhaupt nicht lustig, Sturmpfote!“
„Nicht Sturmpfote.“ Der Kater hob gespielt hochmütig den Kopf. „Sturmwolke! Ich wurde endlich zum Krieger ernannt!“
Einige Herzschläge starrte Echopfote ihn einfach nur an. Dann begann ihr Fell vor Hitze zu prickeln. Sie senkte den Blick. „Das macht es immer noch nicht lustig!“
Sturmwolke lachte noch lauter. Dann schnippte er neckisch mit dem langen Schwanz und sprang auf die Klippen zu, die der Bach zu Echopfotes Linker hinabrauschte. „Komm!“, rief er. „Dort oben ist das Wasser flach genug, dass wir den Bach überqueren können!“
Es dauerte nicht lange, bis er an der wenige Schwanzlängen hohen Felswand hinaufgekraxelt war und dort oben in das seichte Wasser watete. Schnell folgte Echopfote seinem Beispiel und kletterte um einiges ungeschickter auf ihrer Seite des Baches hinauf. Keuchend erreichte sie das obere Ende und hob den Blick. Nur noch wenige Schritte trennten die beiden jetzt.
Plötzlich war Echopfote nicht mehr dazu in der Lage sich zu bewegen. Es war, als seien ihre Pfoten bei dem Anblick des Katers, des Kriegers am Boden festgewachsen. Noch immer konnte sie den dunklen Pelz ihres Freundes in dem Dämmerlicht kaum ausmachen, aber der schmale Mond spiegelte sich schimmernd in seinen seeblauen Augen. Und als ihre Blicke sich trafen, begann es in Echopfotes Bauch zu kribbeln, als hätte Sturmwolke zahllose Schmetterlinge in ihr losgelassen. Ihre Beine drohten ihr nachzugeben, aber sie wollte den Blick nicht abwenden. Sie konnte den Blick nicht abwenden.
Jetzt gerade, in diesem Moment, gab es nur sie und ihn.
Einige endlose Augenblicke lang harrten sie so dort aus, sahen einander einfach nur an.
Dann legte Sturmwolke den Kopf schief. „Kommst du?“
Und plötzlich überkam Echopfote das unbestimmte Verlangen, bei ihm zu sein, ihn zu berühren, ihm einfach nur nahe zu sein.
Stopp. Echopfote holte tief Luft. Er kommt nicht aus meinem Clan. Das könnte niemals gutgehen. Das Gefühl wird so oder so nicht von Dauer sein … und wer sagt, dass er mich überhaupt auch so mag?
Langsam trat Echopfote an den Rand des Baches und tauchte vorsichtig die Vorderpfoten in das Nass. Noch immer war das Wasser, das von den Schattenbergen herabfloss, eiskalt.
Aber andererseits … das hier ist echt. Noch nie habe ich mich so lebendig gefühlt wie mit Sturmwolke. Wenn der SternenClan das verbietet, dann ist er grausam.
Sturmwolke hatte Recht gehabt – das Wasser schwappte tatsächlich bloß um ihre Pfoten herum, reichte ihr kaum bis zum Bauch. Nach wenigen Sätzen hatte sie den frisch ernannten SturmClan-Krieger in der Mitte des Baches erreicht.
In Sturmwolkes Augen glomm ein warmes Licht, als er sie Nase an Nase begrüßte. Er leckte ihr freundlich über die Schulter und dort, wo er ihr Fell berührt hatte, begann ihre Haut zu prickeln.
„Herzlichen Glückwunsch.“ Echopfotes Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Sturmwolke schnurrte dennoch. „Ich dachte schon, du hättest mich vergessen.“ Er trat einen Schritt zurück und blinzelte heftig. „Oder noch schlimmer – dass du mich nach unserem letzten Gespräch gar nicht wiedersehen wolltest. Oder dass du vielleicht … einen anderen gefunden hast.“
„Ich könnte dich niemals vergessen!“, keuchte Echopfote atemlos. „Es tut mir so leid, Sturmpfote … ich meine, Sturmwolke …“ Echopfote brach ab, als die Erkenntnis sie traf. Einen anderen gefunden? Was meint er damit? Ist Sturmwolke etwa … eifersüchtig?
Sturmwolkes schöne Augen blitzten belustigt. „Dann muss ich mich also nicht persönlich angegriffen fühlen?“
Echopfote konnte ein Schnauben nicht unterdrücken. „Ach, hör doch auf!“
Sturmwolke schnippte freundlich mit dem Schwanz. Dann wurde sein Blick ernst. „Also.“ Er trat einen halben Schritt zurück. „Was ist los? Ist etwas vorgefallen? Mein ganzer Clan hat seit der letzten Versammlung nichts mehr vom SchneeClan gehört, auch Patrouillen sind wir seit Ewigkeiten nicht mehr begegnet … Ist alles in Ordnung mit euch?“
Echopfote spürte, wie ihre Freude darüber, ihren Freund wiederzusehen, langsam verebbte. Stattdessen tauchten andere Bilder in ihrem Kopf auf: Ampferpfote, wie er mit verdrehten Gliedern im Schnee lag, der Grund um ihn herum rot vom Blut; ihre Schwester benommen im Heilerbau liegend; Hirschsprung, wie er langsam in eine endlose Dunkelheit segelte, Hirschsprung …
„Echopfote?“ Plötzlich stand Sturmwolke wieder direkt bei ihr, kaum eine Schnurrhaarbreite trennte sie noch.
Sofort verschwanden die Bilder. Alles, was Echopfote sah, waren diese unendlich tiefen, verständnisvollen, seeblauen Augen. Sie holte tief Luft.
„Ja. Ja, es ist etwas passiert, Sturmwolke. Direkt nach der Großen Versammlung … wurde unser Lager vom BlattClan überfallen.“
Der SturmClan-Krieger riss schockiert die Augen auf. „Was? Großer SternenClan … Erzähl mir alles!“
Und das tat Echopfote. Sie erzählte von Birkenherz, den die Angreifer zuerst überfallen hatten, von dem Kampf vor dem Lagereingang, von Hirschsprungs Attacke auf Ampferpfote. Dann geriet sie ins Stocken. Irgendetwas in ihr widerstrebte es, von Hirschsprungs Taten, von diesem furchterregenden, mordlustigen Funkeln in seinen Augen zu berichten. Was, wenn Sturmwolke und der BlattClan-Kater einander gekannt hatten, einander vielleicht sogar nahegestanden hatten? Wieder einmal wurde ihr klar, wie wenig sie über Sturmwolke eigentlich wusste.
Aber das war noch nicht alles. Da war noch ein Grund. Während ihrer Erklärungen hatten sich Sturmwolkes Augen immer mehr geweitet, Schock und Fassungslosigkeit waren hineingetreten. Und Angst.
Sie wollte nicht, dass er sich ihretwegen noch mehr fürchtete.
Echopfote senkte den Blick auf das klare Wasser, das ihre Pfoten stetig umströmte. „Ich … ich weiß nicht genau, was danach passiert ist. Ich konnte einfach nicht mehr klar denken – ich dachte, mein Freund sei gerade gestorben … Also bin ich gelaufen, wo auch immer meine Pfoten mich hingetragen haben.“
Sie spürte, wie Sturmwolke verständnisvoll nickte. „Das ist nichts, was du dir vorwerfen musst, Echopfote. Kopf hoch!“
Echopfote schwieg. Trotzdem – es fühlte sich immer noch nicht richtig an, Sturmwolke zu belügen. Es ist keine Lüge – du erzählst nur nicht alles, was geschehen ist. Daran ist nichts Verwerfliches. Nicht einmal dein Clan hat eine Ahnung, was mit Hirschsprung wirklich passiert ist …
„He.“ Sturmwolkes Stimme klang sanft. „Echopfote. Sieh mich an.“
Widerwillig hob Echopfote den Kopf und begegnete Sturmwolkes warmen Blick. In seinen Augen glomm ein Licht, das bisher noch nicht dagewesen war. Ruhe breitete sich in ihrem Inneren aus. Egal, was ich sage – solange es Sturmwolke nicht verletzt, ist es in Ordnung.
„Alles ist gut.“ Sturmwolke lächelte. „Es geht Ampferpfote gut. Es geht dir gut. Das ist die Hauptsache.“
Echopfote nickte. „Kanntest du Hirschsprung gut?“, platzte es dann aus ihr heraus.
Sturmwolke schüttelte den Kopf. „Nicht wirklich, nein. Nur ein paar Mal hatten wir uns auf Großen Versammlungen unterhalten, aber nicht sehr lange.“
Echopfote atmete auf.
Der graue Kater legte die Ohren an. „Warum?“
Nun begann der schwierige Teil ihrer Erzählung. Echopfote nahm einen langen Atemzug. „Irgendwann“, begann sie, „fand ich mich auf dem Plateau oberhalb unseres Lagers wieder. Dort, wo auch … wo auch meine Mutter gestorben ist.“
Sturmwolke leckte ihr mitfühlend übers Ohr. „Sie ist in die Spalte gestürzt, nicht wahr?“, flüsterte er.
Echopfote nickte. Trotz all den Monden, die seit Nachtschweifs Tod vergangen waren, bildete sich noch immer ein Kloß in ihrem Hals. „An der Spalte bin ich stehengeblieben. Hirschsprung war plötzlich auch dort, der SternenClan weiß warum …“ Mit stockender Stimme beschrieb Echopfote, wie der braune Kater sich zu nahe an den Rand des Abgrunds gewagt hatte und der Boden unter seinen Pfoten weggesackt war. Von der Lebensgefahr, in der sie selbst geschwebt hatte, sagte sie nichts.
„Dann ist Hirschsprung also tot“, stellte Sturmwolke tonlos fest. „Es ist eine Schande. Er war ein wirklich guter Krieger, soviel ich gehört habe.“
„Das war er zweifellos“, krächzte Echopfote.
„Wie ging der Kampf zuende?“
Echopfote atmete auf. Anscheinend schätzte ihr Freund keinen Verdacht.
In wenigen Sätzen schilderte Echopfote das Ende des Angriffs, die verstärkten Patrouillen, die Rindenstern als Reaktion zur BlattClan-Grenze sandte, und die verschärfte Kontrolle am Lagerausgang. „Fast hätte ich es nicht geschafft, zu kommen“, endete sie mit ihrer Erzählung. „Ich habe auch nicht viel Zeit. Ich wollte … ich wollte dich nur unbedingt wiedersehen.“
Sturmwolke nickte schweigend, sein Blick war in weite Ferne gerichtet.
Einige, endlos lange Herzschläge sagte keiner von beiden etwas. Echopfote wurde unruhig. Habe ich etwas Falsches gesagt?
Dann sprach Sturmwolke mit gesenkter Stimme; es war kaum mehr als ein Wispern: „Mach so etwas nie wieder.“
„Was denn?“
„Dich in solche Gefahr begeben.“
„Das war aber nun wirklich nicht meine Schuld!“
Nun richtete der Krieger seinen Blick wieder auf die Schülerin, ihre Blicke trafen sich. Echopfotes Atem stockte, als sie den Schmerz in Sturmwolkes Augen sah. Das ist genau das Gegenteil von dem, was ich erreichen wollte!
„Dich so nah an die Spalte zu wagen … Bitte pass in Zukunft einfach auf, ja?“
Echopfote blinzelte heftig. So verwundbar hatte sie Sturmwolke noch nie gesehen. Sie schluckte schwer. „Klar.“
Der graue Kater wich ein paar Schritte zurück, eisiges Wasser spritzte unter seinen helleren Pfoten auf. Sofort vermisste Echopfote seine Nähe; der kühle Wind wirkte plötzlich viel schneidender als zuvor. Unwillkürlich folgte sie ihm durch den Bach. „Alles in Ordnung?“
Sturmwolke wich noch immer ihrem Blick aus. „Natürlich. Wie kommst du darauf, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte?“
Weil ich dich trotz allem kenne. Weil du mir etwas bedeutest. All die unausgesprochenen Wahrheiten wogen mit einem Mal noch schwerer als sonst. Weil ich dich … nein. Niemals könnte ich es aussprechen … „Weil-“
Ehe Echopfote ausreden konnte, wurde sie von Sturmwolke unterbrochen: „Du sagtest, du hast nicht viel Zeit. Wann musst du fort?“
Enttäuscht blieb Echopfote stehen. Sie wollte nicht darüber nachdenken, nach Hause zu gehen. Sie wollte hier bleiben, in diesem Moment. Bei ihm.
Sie senkte den Blick. „Schon um Mondhoch muss ich an der Alten Weide sein“, gab sie zu. Dann kam ihr eine Idee. „Was, wenn wir gemeinsam zum Seeufer gehen? Dort verschwimmen die Clangrenzen so oder so ineinander, und wir haben noch etwas mehr Zeit miteinander!“ Erwartungsvoll blickte sie Sturmwolke an.
Dieser zögerte. Echopfote konnte förmlich sehen, wie sich in seinem Inneren ein Kampf abspielte. Was ist nur los mit ihm?
Sturmwolke seufzte schwer. „Gut.“ Endlich blickte er auf. Gemischte Gefühlte spiegelten sich in den schönen, blauen Augen. Angst, Widerwille, und unter all dem dieses warme Leuchten … Echopfote war verwirrt. „Aber“, fuhr der SturmClan-Kater fort, „wir sollten jeder auf der eigenen Seite der Grenze bleiben. Nur zur Sicherheit.“
„Klar.“ Echopfote versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Natürlich hatte der gescheckte Kater Recht, aber … sie war hergekommen um ihm nahe zu sein. Nicht, um durch eine Grenze von ihm getrennt zu sein, die nur in den Gedanken der Clans existierte.
Mit einigen hastigen Sprüngen erreichte Echopfote das SchneeClan-Ufer des Baches. Auf der anderen Seite hatte sich Sturmwolke bereits langsam auf den Weg flussabwärts gemacht, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. In Echopfotes Magen bildete sich ein schwerer Klumpen. Was habe ich nur falsch gemacht?
Sie warf einen raschen Blick zum Silbervlies hinauf. Es war schon fast Mondhoch. Wir werden uns beeilen müssen! Sie beschleunigte ihre Schritte, sprang förmlich die Abhänge hinab, die der Bach zu ihrer Linken entlangfloss.
Sie musste mit Sturmwolke reden. Irgendetwas, was sie gesagt hatte, hatte etwas in ihm verändert – und das musste sie richtigstellen. Sonst würde sie ihn womöglich für immer verlieren …
Eine scheinbare Ewigkeit verging, bis endlich das kiesige Ufer des Endlosen Sees in Sicht kam. Echopfote sprintete das letzte Stück, ehe sie endlich die sanfte Seebrise im Fell spürte. An dieser Stelle teilte sich der Grenzbach in viele, schmale Arme, die meisten kaum breiter als mehrere Pfotenlängen, die beinahe lautlos in den See hineinflossen. Hier überquerte der SturmClan die Grenze, wenn er sich zur Großen Versammlung begab; es war nahezu unmöglich, festzustellen wo genau sie verlief. Schnell hüpfte Echopfote hinüber ins SturmClan-Gebiet und wartete.
Was, wenn er nicht mehr auftaucht? Sie schüttelte den Kopf. Er war heute Nacht am Grenzbach, um mich zu treffen, obwohl ich so lange nicht mehr da war … Er wird wiederkommen.
Aber da war etwas in seinem Blick gewesen, in seinem Blick und in der Art, wie er ihr nicht in die Augen hatte sehen können, das sie an ihm zweifeln ließ.
Entmutigt legte Echopfote den Kopf in den Nacken und blickte zum finsteren Himmel hinauf. Eisig starrten die silbernen Sterne zurück. Oh SternenClan, was habe ich bloß getan? Ist das meine Strafe? Für Hirschsprung, für Laubstern … und für Sturmwolke?
Es dauerte viel zu lange, bis Sturmwolke endlich auftauchte, aber sofort in dem Augenblick, in dem die dunkle Silhouette des Katers sich aus den Schatten löste, sprang Echopfote auf die Pfoten und auf ihn zu. „Sturmwolke, bitte hör mich an!“
Überrascht blieb der Kater stehen. Endlich sahen sie einander wieder in die Augen.
Ehe Sturmwolke irgendetwas sagen konnte, fuhr Echopfote fort: „Ich merke doch, dass etwas nicht stimmt bei dir. Und es fühlt sich so an, als wäre es meine Schuld. Ist es meine Schuld? Habe ich etwas Falsches gesagt? Bitte sag mir, was los ist! Was ich falsch gemacht habe!“
Sturmwolke blinzelte. Oh nein, ich mache alles nur noch schlimmer!
Der Kater öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, aber schnell sprach Echopfote weiter: „Es ist nur so … das letzte was ich tun wollte, ist dich zu verletzten. Ich würde dich nie verletzten wollen, niemals! Weil … weil …“ Sie holte tief Luft. „Weil es mir wehtut, wenn du verletzt bist, und weil es mir wehtut, wenn du mich nicht ansiehst, oder wenn du nicht mit mir sprichst, und weil es mir wehtut, wenn du nicht da bist. Weil ich dich vermisse, wenn du nicht da bist, weil … weil ich dich liebe!“
Sturmwolke schloss seinen Mund wieder.
Die Stille, die sie umgab, war ohrenbetäubend, nur unterbrochen vom kaum hörbaren Plätschern des Baches hinter ihnen. Und von Echopfotes rasenden Herzschlag, der in ihren Ohren dröhnte. Verdammt.
Sie wich zurück, die Kiesel klackerten unter ihren Pfoten aneinander. Verdammt, verdammt, verdammt! Was habe ich getan? Aber die Worte waren gesagt. Und niemand konnte sie nun noch zurücknehmen.
Echopfote drehte sich auf dem Absatz um und rannte, rannte so schnell ihre Pfoten sie trugen. Sie spürte Sturmwolkes Blick auf ihrem Pelz, aber hatte zu große Angst, um zurückzublicken.
Er rief ihr nicht hinterher. Folgte ihr nicht.
Stand einfach nur da.
2. Kapitel[]
MONDHOCH WAR schon lange vergangen, als Echopfote die alte Weide erreichte. Der Wind hatte zugenommen, seit sie sich von Sturmwolke getrennt hatte, und die langen, kahlen Äste schlackerten langsam hin und her. Obwohl der Himmel hier nicht vom Wald verdeckt war, war es fast vollkommen finster; die krallenschmale Mondsichel war längst hinter einer dichten Wolkenfront verschwunden.
Echopfote trat näher an den uralten Baum heran, über ihrem Kopf heulte der Wind unheimlich in den Weidenruten. Sie prüfte die Luft. Haselschweif war definitiv hier gewesen, und das vor gar nicht langer Zeit …
„Ich dachte schon, du wärst einfach davongelaufen und hättest die Clans verlassen!“
Echopfote wirbelte herum. Zwischen den in der Luft hängenden Wurzeln des umgestürzten Baumes, auf dem die Anführer während der Großen Versammlungen sprachen, blitzte ein grünes Augenpaar.
„Haselschweif!“ Echopfote stieß erleichtert die angehaltene Luft aus.
„Hab ich dich erschreckt?“, neckte der braune Kater, als er an ihre Seite sprang. In der Dunkelheit wirkte sein Pelz so grau wie der seines Vaters.
Echopfote schnaubte. „Nie im Leben!“
Haselschweif lachte rau. Dann wurde das Funkeln in seinen Augen ernst. „Aber ehrlich – du hättest dir ruhig ein bisschen weniger Zeit lassen können. Ich hoffe, Halbohr glaubt uns, dass wir seit Mondhoch zu zweit einen Spaziergang machen!“
Der Knoten in Echopfotes Magen zog sich fast noch ein bisschen fester zu. „Glaubst du, sie wird uns eine Patrouille nachschicken?“ Halbohr war zwar noch jung, aber strenger als die meisten der erfahrensten Krieger.
Haselschweif schüttelte den Kopf. „Keine Sorge“, miaute er. „Ich kann sehr überzeugend sein, wenn ich will.“
„Das glaubst auch nur du!“
Der Krieger schlug ihr spielerisch in die Seite. „Wir sollten uns trotzdem auf den Weg machen. Ich habe Halbohr zwar gesagt, dass ich noch mit dir reden wollte, aber irgendwann ist auch ihre Geduld am Ende. Oder sie hegt noch irgendwelche falschen Vermutungen über uns.“
Irgendwelche falschen Vermutungen … Echopfote musste an Schattenmond und Schneebart denken, die sich, bevor sie Gefährten wurden, ständig von Patrouillen davongestohlen hatten, um Zeit zu zweit zu verbringen. Einmal, als Echopfote gerade zur Schülerin ernannt worden war, waren sie und Grauschweif mit den beiden unterwegs gewesen. Grauschweif hatte ziemlich wütend geklungen, als er die zwei zur Rede gestellt hatte, aber Echopfote war schon damals aufgefallen, dass der starke Krieger insgeheim belustigt gewesen war.
Dachte Haselschweif wirklich, Halbohr könne sie beide für ein Paar halten? Aber das war vollkommen absurd. Schon seit ihrer Geburt waren Echopfote und Haselschweif gute Freunde – da war kein Raum für mehr als das.
Was, wenn Sturmwolke genauso über mich denkt? Wenn ich nur eine Freundin für ihn bin? Und ich habe das alles kaputt gemacht, weil ich meine Klappe nicht halten konnte …
Echopfote schob den Gedanken beiseite und setzte sich in Bewegung – fort von dem See, an dem sie das Unaussprechliche ausgesprochen hatte. „Danke Haselschweif.“
Der Kater folgte ihr geschmeidig. „Wofür?“
„Für das Alibi.“
Echopfote hörte, wie der Braune neben ihr schnurrte. „Es geht mich nichts an, was du in dieser Nacht getan hat, solang es unseren Clan nicht gefährdet.“
Echopfote erschauderte, als sie den warnenden Unterton in seiner Stimme hörte. Ihr fiel ein, dass Sturmwolke und sie nicht die ganze Zeit Abstand zueinander gehalten hatten. Was, wenn Haselschweif den SturmClan-Geruch in ihrem Fell bemerkt hatte?
„Aber ich wollte wirklich mit dir reden.“
Echopfote blieb stehen. „Warum?“ Können wir das nicht verschieben? Auf den Tag vielleicht? Erst jetzt fiel ihr auf, wie müde sie tatsächlich war. Für ihren Geschmack hatte sie diese Nacht schon genug Gespräche geführt.
„Wegen etwas, das du vorhin zu Halbohr gesagt hast.“ Auch Haselschweif war stehen geblieben und drehte sich nun zu ihr um. Der Himmel war etwas aufgeklärt und Echopfote konnte seine schlanke Gestalt im blassen Sternenlicht ausmachen. Haselschweif trat ein paar Schritte auf sie zu. „Echopfote, hast du Albträume?“
Damit hatte sie nicht gerechnet. Echopfote tat einen Schritt zurück. „Wie … kommst du darauf?“
„Weil ich merke, wie müde du tagsüber beim Training bist. Auch Grauschweif ist das aufgefallen.“
Echopfote unterdrückte ein Schnauben. Warum unterhielt sich ihr Mentor mit Haselschweif über sie?
Haselschweif senkte die Stimme. „Und weil … ich selbst welche habe.“ Echopfote sah, wie sein Kiefer malmte. „Es ist also nichts Schwaches dabei, so etwas zuzugeben. Jeder hat mal Albträume.“
Beinahe hätte Echopfote belustigt geschnurrt, aber der Laut blieb ihr im Halse stecken. Haselschweif hatte recht – Echopfote hätte von sich aus nie zugegeben, Albträume zu haben. Aber das war nichts, worüber man sich lustig machen sollte.
Sie schloss die Augen, auf der Suche nach einem Weg hinaus aus dieser Situation, doch sofort strömten die Bilder wieder auf sie ein: der Boden, wie er unter ihren Pfoten nachgab, ein rotbrauner Kater, wie er in die unendliche Finsternis hinabstürzte, sein Schrei gellte in ihren Ohren …
„Du hast Recht“, flüsterte Echopfote. Sie öffnete die Augen. Haselschweif stand immer noch an der gleichen Stelle vor ihr und blickte sie aus forschenden, grünen Augen an.
„Fast jede Nacht“, gab Echopfote zu. „Eigentlich … eigentlich jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich ihn wieder vor mir.“ Sie musste Haselschweif nicht erklären, wen sie meinte.
Der braune Krieger nickte langsam. Echopfote sah den Widerwillen in seinen Augen, als er sagte: „Ich … ich auch. Es ist immer das gleiche, und nie kann ich irgendetwas tun, um es zu ändern.“ Er schloss die Augen. „Ich kämpfe wieder gegen Hirschsprung, bis wir an den Rand der Spalte gelangen. Der Boden bricht weg und ich fliehe. Ich fliehe, obwohl er hinter mir nach Hilfe ruft. Warum fliehe ich?“ Das Gesicht des Katers verfinsterte sich.
Echopfote merkte, wie ihr Nacken sich versteifte. Es tat weh, den dynamischen, stolzen Krieger so niedergeschlagen zu sehen. „Aber so ist es doch gar nicht abgelaufen!“, warf sie ein. „Du hast ihn nicht sterben lassen. Wir hätten nichts weiter tun können!“ Ihre Stimme brach. Hätten wir? War das wirklich alles, was wir hätten tun können? Warum sage ich Dinge zu Haselschweif, die ich selbst nicht glaube?
Haselschweif blickte zu Boden. „Ich hätte es versuchen müssen. Ich habe ihn einfach sterben lassen. So verhält sich kein Krieger!“ Ruckartig hob er den Kopf, in seinen Augen loderte ein dunkles Feuer. Aufgewühlt lief der Braune auf und ab, seine scharfen Krallen hinterließen Rillen im kalten Erdboden.
Auch Echopfotes Fell sträubte sich.
„Was bin ich für ein Krieger, wenn ich nicht einmal ein einfaches Katzenleben retten kann?“, jaulte Haselschweif. „Gar keiner! Kein Krieger, den der SchneeClan verdient! Ich bin eine Schande für diesen Clan.“
„Hör auf damit!“ Entschlossen trat Echopfote ihrem Freund in den Weg. „Hör auf dir solche Vorwürfe zu machen. Du hast ein Katzenleben gerettet – du hast mich gerettet! Hirschsprung wollte mich umbringen, vergessen? Du bist keine Schande, Haselschweif. Nicht für mich.“ Es tat so gut, endlich mit jemandem darüber reden zu können, was Hirschsprung getan hatte. Mit jemandem, der verstand, jemandem, der sich nicht sofort von ihr distanzierte, wenn ein bisschen Gefahr aufkam …
Plötzlich durchfuhr lodernde Wut Echopfote. Was dachte Sturmwolke sich eigentlich? Sie wäre beinahe gestorben, ihr Clan fast ausgelöscht worden … Und kaum wurde es schwierig, kehrte Sturmwolke ihr die kalte Schulter zu. Ein feiner Freund ist das! Der kann mir gestohlen bleiben.
Warum … tut es dann trotzdem so weh?
Schwer atmend blieb Haselschweif vor ihr stehen, Hoffnung glänzte in seinem Blick. Er wollte ihr so gerne glauben, Echopfote konnte es ihm ansehen.
Der Braune senkte den Blick. „Ich glaube, den Tod einer Katze mitansehen zu müssen, geht an niemandem spurlos vorbei.“
Echopfote wollte etwas erwidern, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie nickte stumm.
„Was siehst du? In deinen Träumen?“
Auch Echopfote blickte zu Boden. Eine sanfte, kalte Brise fuhr den beiden Katzen vom See her durch den Pelz. Echopfote wünschte sich, sie könne all die Albträume, all die schlimmen Gedanken einfach hinfort blasen, weit über die Schattenberge jenseits der Clan-Territorien tragen.
„Ich sehe Hirschsprung in die Spalte stürzen“, miaute sie mit rauer Stimme. „Wir sind wieder auf dem Plateau. Dort, wohin wir vor Hirschsprung geflohen sind. Hirschsprung steht neben der Spalte, plötzlich bricht der Fels unter ihm weg. Und dann … dann …“ Echopfote spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. „Dann schaut er mich an, aus diesen verzweifelten Augen, und schreit um Hilfe, und ich tue gar nichts, kann mich nicht bewegen, und sehe einfach dabei zu, wie er stürzt und höre zu, wie seine Schreie alles ausfüllen …“
Haselschweif brachte sie mit einem Schwanzschnippen zum Schweigen und trat einen Schritt näher an sie heran. Echopfote blickte auf und wäre fast zusammengezuckt. Nun standen sie so nah aneinander, dass ihre Nasen einander fast berührten.
Oh, es tat so gut, mit jemandem reden zu können.
„Aber so ist es auch nicht abgelaufen“, sagte er leise, die Worte waren kaum mehr als ein Flüstern. „Deine Träume gaukeln dir etwas vor. Dich trifft keine Schuld, Echopfote. Nur … mich.“
Echopfote ließ die Schultern hängen. Sie wollte ihm so gerne glauben, wollte so gerne die Schuld auf jemand anderes schieben. Aber sie hatte die gleiche Chance gehabt, Hirschsprung zu retten, wie ihr Gegenüber.
„Wir sollten nach Hause gehen“, murmelte sie. „Halbohr wartet auf uns.“
Haselschweif nickte ernst, aber Echopfote glaubte, einen Funken Enttäuschung in seinen Augen zu sehen. „Du hast Recht. Lass uns gehen.“
Schweigend setzten die beiden Katzen sich in Bewegung durch den dunklen Wald, während um sie herum die ersten Vögel ihren Gesang begannen. Es war kein unangenehmes Schweigen; Echopfote hätte noch Ewigkeiten lang mit Haselschweif durch das Territorium schlendern können. Fast war sie enttäuscht, als die Felsklippen, die den Lagereingang umrahmten, in Sicht kamen.
Sie hatten den Schatten der Bäume noch nicht verlassen, als Haselschweif stehen blieb. Er lehnte sich vor, bis sein Atem das Fell an Echopfotes Ohr kräuselte. „Wenn irgendetwas ist, sag Bescheid.“
Sie nickte. „Werde ich.“ Zu ihrer Überraschung stellte Echopfote fest, dass sie es meinte. Das Gespräch mit Haselschweif hatte den tosenden Sturm in ihrem Inneren, der ihr vorher gar nicht aufgefallen war, zu einer leichten Brise abschwellen lassen. Auf einmal war sie sich sicher, dass sie diese Nacht friedlich schlafen würde.
„Du auch!“
3. Kapitel[]
BLATTPFOTE, WÜRDEST DU bitte ein paar Mohnsamen aus dem Lager holen? Schneebart ist in einen Dorn getreten.“
„Natürlich, Sternlichtglanz.“ Blattpfote biss die Zähne zusammen und machte sie auf den Weg quer durch das Krankenlager bis zu der Höhle, in der die Heilerin ihre Kräuter aufbewahrte. Bei jedem Schritt fuhr ein stechender Schmerz durch ihr verletztes Bein, fast so stark wie am Tag nach der Schlacht. Trotzdem sagte sie nichts – Birkenpfote sagte auch nie etwas über sein verletztes Bein, und der gestreifte Schüler war regelmäßig im Territorium unterwegs, um neue Heilmittel zu sammeln.
Blattpfote erinnerte sich noch genau an das, was Sternlichtglanz ihr an ihrem ersten Tag als Gehilfin im Heilerbau eingeschärft hatte. Wenn du wirklich wissen willst wie es ist, eine Heilerkatze zu sein, dann merke dir diese eine Sache: Als Heilerkatze musst du jederzeit den Clan an erste Stelle stellen. Egal, wie krank oder verletzt du dich fühlst, du bist die einzige Katze hier, die den Mitgliedern deines Clans helfen kann, und damit einher kommt eine große Verantwortung. Das ist auch der Grund, warum wir keine Gefährten und Junge haben dürfen. Für uns stehen alle Katzen eines Clans auf derselben Stufe, ob Anführer oder Junges.
Und Blattpfote hatte nicht vor, ihre Freundin zu enttäuschen.
Solange ich verletzt bin und hier im Krankenlager liege, kann ich dem Clan so oder so nicht als Kriegerschülerin dienen, hörte sie ihre eigene Stimme in ihrem Kopf nachhallen. Aber wenn du mir beibringst, was eine Heilerin weiß, kann ich vielleicht trotzdem etwas ausrichten. Nur, bis ich wieder gesund bin. Das hatte sie an jenem ersten warmen Morgen der Blattfrische gesagt.
Sternlichtglanz hatte sie lange angesehen und geschwiegen, bis Blattpfote schon Angst hatte, sie hätte die Goldene verärgert. Doch dann hatte sie eingewilligt, wenn auch nicht ohne ihr einen warnenden Blick zuzuwerfen.
Natürlich war das, was Blattpfote ihrer Lehrerin erzählt hatte, nur die halbe Wahrheit gewesen. Sternlichtglanz wusste das selbst – schließlich war sie es gewesen, die sie gewarnt hatte, den richtigen Pfad einzuschlagen. Aber auch das Gespräch mit Moospelz vor einem halben Mond hatte ihr zu denken gegeben. Vielleicht ist es ja wirklich meine Bestimmung, eine Heilerin zu sein – aber das werde ich nicht herausfinden, wenn ich nicht versuche, eine Heilerkatze zu sein.
Es dauerte nicht lange, bis Blattpfote die schwarzen Mohnsamen für Schneebart in den vielen Nischen in der Felswand gefunden hatte und eine Pfotevoll davon auf ein Efeublatt geschichtet hatte. Am Anfang des Mondes hatte es noch einige Herzschläge gekostet, sich im Heilerbau zurechtzufinden – nun hätte sie selbst im Schlaf die richtigen Kräuter finden können.
Als die den Schutz der Höhle verließ, tönte ihr sofort Schneebarts laute Stimme aus dem kleinen Felsenkessel mit dem Krankenlager entgegen: „Wie oft muss ich es dir noch sagen, Sternlichtglanz? Ich brauche diese Mohnsamen nicht! Und deinen Umschlag auch nicht … he!“
„Halt still!“, kam sogleich die ruppige Antwort von Blattpfotes neuer Mentorin. „Der SchneeClan kann es sich nicht leisten, dass sich deine Wunde entzündet. Du bist den halben Tag mit diesem Dorn durch den Wald gerannt!“
„Na und? Es tut kaum noch weh! Außerdem habe ich Schattenmond versprochen, gleich auf Schmetterlingsjunges und Libellenjunges aufzupassen.“
Blattpfote musste ein belustigtes Schnurren unterdrücken, als sie das Blatt mit den schwarzen Samenkörnern vor dem langfelligen Krieger ablegte. „Ruh dich lieber aus, deine Töchter rennen dir schließlich nicht weg!“, miaute sie.
„Na, wenn du wüsstest!“, brummte der Weiße, während er sich zu den Samen hinabbeugte. „Die zwei sind inzwischen alt genug, um überall im Lager herumzutollen und die älteren Katzen zu nerven. Es ist wirklich an der Zeit, dass sie zu Schülerinnen ernannt werden.“
Blattpfote konnte den offenkundigen Stolz in seiner Stimme hören. Wie es wohl sein mochte, Junge zu haben, auf die man stolz sein konnte? Denk gar nicht erst dran!, mahnte sie sich selbst. Wenn es wirklich meine Bestimmung ist, Heilerin zu werden, sollte ich mich so bald wie möglich damit abfinden, keine eigene Familie haben zu können. Es ist, wie Sternlichtglanz gesagt hat – der Clan steht an erster Stelle. Nicht, dass der Kater, den sie liebte, eine Familie mit ihr gründen wollen würde.
Aber vielleicht würde sie stattdessen etwas mehr Zeit mit ihren Cousinen verbringen können. Sie waren schließlich auch ein Teil ihrer Familie … „Wenn du willst, kann ich aber stattdessen etwas mit ihnen spielen“, bot sie an, während der ältere Krieger sich die flauschigen Pfoten wusch.
Schneebart öffnete gerade das Maul, um zu antworten, wurde jedoch sofort von Sternlichtglanz unterbrochen: „Das wird leider nicht möglich sein, Blattpfote. Im Heilerbau warten noch viele Aufgaben, die vor Sonnenuntergang getan werden müssen.“
Enttäuscht senkte Blattpfote den Blick. Bevor sie angefangen hatte, einige Heileraufgaben zu übernehmen, hatte sie sich immer etwas Zeit nehmen können, um Zeit mit ihren Clangefährten zu verbringen. Sie hatte nie geahnt, wie viel Sternlichtglanz und Birkenpfote tatsächlich zu tun hatten.
Aber natürlich hatte ihre Mentorin Recht. Obwohl jetzt endlich Blattfrische war, konnte der Clan es nicht leisten, eins seiner Mitglieder an Krankheit oder Verletzung zu verlieren. Oder im Notfall einen unvorbereiteten Kräutervorrat zu haben. Vor allem jetzt, da sie im Krieg mit dem BlattClan lagen.
Schneebart stupste sie freundlich mit der Nase an. „Danke für das Angebot“, sprach er mit ungewohnt sanfter Stimme, „aber ich schaffe das schon. Ich fühle mich gar nicht müde!“ Der breite Krieger machte sie auf den Weg zurück zur Lichtung, und Blattpfote merkte, wie er herzhaft gähnte.
Beinahe hätte sie den Kopf geschüttelt.
Stattdessen wandte sie sich Sternlichtglanz zu. „Was soll ich tun?“
Die goldene Kätzin blickte sich in dem kleinen Felsenkessel um. Zum ersten Mal seit dem Kampf mit dem BlattClan war er ungewohnt leer. Rankenschweif und Farnschweif waren schon vor langer Zeit wieder in den Kriegerbau gezogen, und vor zwei Tagen hatte auch Ampferpfote endlich das Krankenlager verlassen. Er hatte viele Nächte lang alleine unter dem Geflecht aus Ranken geschlafen, dass die obere Öffnung des kleinen Kessels schützte und nun wieder grün zu sprießen begann, und Blattpfote hätte nichts lieber getan, als sich zu ihm zu legen und ihm in einsamen Nächten Gesellschaft zu leisten. Aber Sternlichtglanz bestand darauf, dass sie bei ihr und Birkenpfote in der Höhle schlief, in dem auch die Kräuter aufbewahrt wurden. Wie eine echte Heilerin.
Jetzt schlief Ampferpfote wieder bei Echopfote im Schülerbau und Blattpfote war die, die ganz allein war. Schlag es dir aus dem Kopf! Du hast wichtigere Dinge, auf die du dich konzentrieren musst.
Sternlichtglanz‘ Blick landete wieder auf ihrer neuen Schülerin. Sie zögerte. „Birkenpfote und ich haben vor einiger Zeit angefangen, alte Kräuter aus dem Lager auszusortieren. Wir sind bereits sehr weit gekommen, und es ist eine mühsame Aufgabe, vor allem für eine Anfängerin. Aber ich glaube, du bist bereit dafür.“
Blattpfotes Mut sank. Sie konnte sich weitaus schönere Aufgaben ausmalen, als an einem sonnigen Morgen in der Dunkelheit der Höhle Kräuter zu sortieren. Dennoch nickte sie ohne zu zögern und humpelte in Richtung des Baus davon.
Es dauerte einige Augenblicke, bis ihre Augen sich an das schummrige Licht in der Höhle gewöhnt hatten. Dann konnte sie die drei Moosnester zu ihrer Linken und die Felswand mit den Kräutern auf der rechten Seite ausmachen. Das leise Wassertropfen, das in der Felsaushöhlung tausendmal lauter klang, hatte Blattpfote in ihren ersten Nächten im Heilerbau halb verrückt getrieben. Inzwischen hörte sie es kaum noch.
Mit einem leisen Seufzen wandte sie sich dem Heilmittelvorrat zu und lugte in die verschiedenen Nischen im Stein hinein, auf die die Kräuter aufgeteilt waren. Blattpfote konnte klar erkennen, welche Teile des Lagers bereits von Sternlichtglanz und ihrem Schüler sortiert worden waren. In der von ihr entfernten Ecke der Wand, direkt neben dem Ausgang zum Lager des Clans, ragten jedoch unordentliche, vertrocknete Stiele aus den meisten Aushöhlungen. Schnuppernd schob sie sich durch den Bau hindurch bis sie die Wand erreicht hatte. Borretsch, Ringelblumen, Katzenminze und … war das Thymian, was sie da roch? Blattpfote hatte nicht die geringste Ahnung.
Seufzend machte sie sich daran, die Büschel an Heilmitteln aus den Wandvertiefungen zu ziehen und auf dem kühlen Höhlenboden auszubreiten. Sternlichtglanz hatte recht: sie und Birkenpfote waren bereits weit gekommen. Dennoch passten all die verschiedenen Kräuterhaufen kaum in den kleinen Bau, und bereits nach wenigen Augenblicke hatte sich Huflattich mit Ampfer und Kerbel mit Rosmarin vermischt.
„Nein, nein, nein, so geht das nicht, Blattpfote!“
Blattpfote zuckte zusammen. Sie hatte Sternlichtglanz gar nicht kommen gehört.
Die goldene Kätzin seufzte frustriert. „Du kannst die Kräuter doch nicht hier drinnen sortieren – schau dich doch mal um!“ Auffordernd blickte die Heilerkatze ihre neue Schülerin an.
Gehorsam blickte sich Blattpfote im Bau um. „Es ist … viel zu wenig Platz?“, schlug sie vor.
„Es ist zu wenig Platz. Es ist zu dunkel. Die Luft ist vom Duft der anderen Kräuter durchtränkt – nicht einmal ich kann diese Unordnung hier eindeutig auseinanderhalten.“ Sie wies auf das Chaos an Blättern, dass Blattpfote um sich herum verteilt hatte.
Beschämt senkte diese den Kopf. „Es tut mir so leid, Sternlichtglanz. Ich hätte mir denken können, dass das hier drinnen nicht funktioniert. Ich … ich weiß nicht warum ich das getan habe.“
Sternlichtglanz‘ Blick wurde sanfter. „Jeder macht mal Fehler. Komm – ich helfe dir, die Kräuter nach draußen zu tragen.“ Sie nickte ihrer Schülerin ermutigend zu und nahm mit dem Maul ein paar der Blätter auf.
„Danke, Sternlichtglanz.“ Blattpfote wagte nicht, aufzublicken, wagte nicht, die Zuversicht in Sternlichtglanz‘ Augen zu sehen, als sie einen Haufen langer Stiele zusammenkehrte, um sie aufzuheben.
Ich weiß nicht, warum ich das getan habe.
Doch, insgeheim wusste Blattpfote das ganz genau. Ich möchte keine Heilerin sein. Ich möchte Zeit haben, mit meinen Cousinen zu spielen, möchte mit meinen Freunden gemeinsam im Schülerbau schlafen, möchte Jagen gehen, nicht alleine Kräuter sortieren, möchte selbst Junge haben …
Warum ist sich Sternlichtglanz nur so sicher, dass das hier meine Bestimmung ist? Warum gibt sie mir immer wieder eine neue Chance, egal, wie jämmerlich ich versage?
Gemeinsam dauerte es nicht lange, bis die beiden Kätzinnen alle unsortierten Kräuter nach draußen auf die Lichtung gebracht hatten. Sternlichtglanz wies Blattpfote an, wo und wie weit voneinander entfernt sie die Heilmittel platzieren sollte, und die Schülerin folgte resigniert ihren Anweisungen.
Schnuppernd suchte Sternlichtglanz sich ihren Weg durch das nun einigermaßen gezähmte Durcheinander, dann ließ sie sich entspannt vor Blattpfote nieder. „Das könnte etwas länger dauern, aber nichts, was mehr als einen Tag in Anspruch nehmen würde.“
Beschämt blickte Blattpfote zu Boden. Was tue ich hier überhaupt? Ich habe mich freiwillig für diese Arbeit gemeldet – und nun mache ich alles nur noch schlimmer. Wenn ich mich nicht anstrenge, helfe ich meinem Clan gar nicht! Und vielleicht hat Sternlichtglanz ja tatsächlich recht – vielleicht ist es wirklich meine Bestimmung, eine Heilerin zu werden.
Vorsichtig hob Blattpfote den Blick, die Angst vor der Enttäuschung, die in Sternlichtglanz‘ Augen stehen würde, verklumpte sich in ihrem Magen. Aber da war keine Enttäuschung – nur Sanftheit und Verständnis.
Blattpfotes Mut sank wieder. Wie kann sie nur so unendliches Vertrauen in mich haben? Alles, was ich tue, ist die Leben meiner Clangefährten durch meine Fehler zu gefährden …
Nein. Sie straffte die Schultern. Ich muss stärker werden. Ich muss es wenigstens versuchen.
„Es tut mir so leid, Sternlichtglanz“, miaute sie. „Ich weiß auch nicht, was in mich gefahren ist. Ich werde mich in Zukunft mehr anstrengen. Ich verspreche es.“
Die Schnurrhaare der Goldenen zuckten freundlich. „Ich will nur, dass du verstehst, wie wichtig selbst solche kleinen, scheinbar nichtigen Aufgaben sind, Blattpfote“, erklärte sie. „Es mag von außen nicht so wirken, aber ein gut geordnetes Kräuterlager kann über Leben und Tod entscheiden, wenn es auf jeden Herzschlag mehr oder weniger ankommt. Und wir wissen nie, was als nächstes passieren …“ Sternlichtglanz brach abrupt ab, ihre dunklen Augen verengten sich.
Blattpfote wollte gerade nachfragen, als sie es auch roch. SturmClan!
Unwillkürlich sträubte sich ihr Fell. Sie fuhr die Krallen aus und wollte schon Alarm schlagen. Warte. Nicht zu voreilig. Blattpfote prüfte die Luft ein zweites Mal. Jetzt konnte sie individuelle Gerüche feststellen. Es waren nicht viele Katzen, nur drei … kein Angriff also. Blattpfote atmete auf.
Hinter ihr ertönte ein Knurren. „Was machen diese elenden Federfresser auf unserem Territorium?“, zischte Flammenfuß, der nicht weit vom Heilerbau auf der Sandlichtung sein flammenfarbenes Fell sonnte. „Denen wird ich’s zeigen!“
„Nicht zu voreilig, Flammenfuß.“ Birkenherz, der neben ihm gelegen hatte, war mit aufmerksam erhobener Schwanzspitze aufgestanden. „Ich erkenne diese Katzen – das sind Brandstern und Schneefall!“
„Na und? Die können sich trotzdem genauso schnell wieder verziehen, wie sie aufgetaucht sind. Ihr Gestank stört meinen Schlaf!“
Birkenherz wandte sich kopfschüttelnd ab.
Außer den beiden schien nun auch der Rest des Clans die Besucher bemerkt zu haben. Tigerpfote und Blütenpfote steckten neugierig die Köpfe aus der Kinderstube, Goldfell und Echopfote brachen ihr Gespräch ab und sogar Honigherz und Feuerauge, die bis eben noch auf den Sonnensteinen gefaulenzt hatten, blickten verwundert auf, während Schneebart blinzelnd in ihrer Nähe seine Jungen um sich scherte.
„Was ist hier los?“, jaulte der weiße Krieger, seine eisblauen Augen blitzten gefährlich. Schmetterlingsjunges duckte sich ängstlich in den flauschigen Schweif ihres Vaters, während ihre Schwester mutig durch das lange Fell hindurchlugte.
In diesem Moment knackte es im Brombeertunnel, der den Lagereingang seit dem Angriff des BlattClans nur noch spärlich schützte, und Federflug stürmte mit leuchtenden Augen ins Lager. „Rindenstern!“, rief sie. „Brandstern ist gekommen, um dich zu sprechen!“ Mit vor Aufregung gesträubtem Fell trat sie zur Seite, als sich ein riesiger Kater hinter ihr den Weg ins Lager hinein bahnte.
Blattpfote fing Echopfotes Blick vom anderen Ende der Lichtung auf und zuckte fragend mit dem Ohr. Was geht hier vor sich? Friedliche Besuche eines feindlichen Clans, und das mitten im Krieg?
Echopfote schüttelte nur verwundert den Kopf.
Erst als der massige weiße Kater ins Licht getreten war und sich die verwelkten Blätter aus dem Pelz geschüttelt hatte, erkannte Blattpfote ihn. Sie war noch nicht häufig auf einer Großen Versammlung gewesen, aber der Zweite Anführer des SturmClans war ebenso schwer zu vergessen wie zu übersehen. Schneefall ließ seinen scharfen Blick lange über das Lager schweifen, dann nickte er, wie zu sich selbst, und trat weiter auf die Lichtung hinaus.
Direkt hinter seinem Stellvertreter betrat Brandstern hoch erhobenen Hauptes das fremde Lager, dicht gefolgt von einem grau gefleckten Kater, den Blattpfote nicht kannte. Nach ihm erschienen Haselschweif und Farnschweif, der Rest von Federflugs Patrouille, und bildeten das Schlusslicht. Die beiden wirkten um einiges beunruhigter als Federflug und stellten sich warnend hinter den Besuchern vor dem Lagerausgang auf.
Die Stimmung im Lager war so angespannt, dass sie fast in Blattpfotes Fell kribbelte; alle Katzen hatten ihre Arbeit niedergelegt und starrten die Neuankömmlinge unverhohlen an. Die SturmClan-Katzen starrten finster zurück.
Blattpfote wandte hastig den Blick ab, als ihrer den von Schneefall kreuzte. Wie konnten ihre Clanmitglieder die Neuen bloß so ungeniert angaffen? Niemand von ihnen schien sich dafür zu interessieren, ob es ihren Gästen unangenehm war, so gemustert zu werden …
Niemanden außer … Echopfote?
Blattpfote legte überrascht die Ohren an.
Die silberne Kätzin wich dem Blick der SturmClan-Katzen so demonstrativ aus, dass es selbst ein Blinder gemerkt hätte. Was ist denn los mit ihr? Blattpfote versuchte, den Blick ihrer Schwester auf sich zu ziehen, aber diese war plötzlich viel interessierter daran, ihr Fell zu putzen.
Ob sie die Katzen kannte? Aber warum verhielt sie sich dann so?
Irgendetwas stimmte hier überhaupt nicht.
Endlich tauchte Rindenstern aus seinem Bau auf, den Kopf hoch erhoben, und stolzierte auf seine Gäste zu. Dicht hinter ihm folgte Grauschweif, das lange Fell entspannt angelegt.
Langsam löste sich die Anspannung in Blattpfotes Gliedern wieder. Wenn Rindenstern und Grauschweif die Situation als harmlos einschätzten, konnte nichts dabei sein.
„Seid gegrüßt.“ Rindenstern neigte respektvoll den Kopf vor dem anderen Anführer und bedachte dessen Begleitung mit flüchtigen Blicken. „Was führt euch zum SchneeClan, Brandstern?“
Der feuerfarbene Kater senkte ebenfalls kurz das Kinn. „Ein Gespräch, das besser unter vier Augen geführt werden sollte, Rindenstern. Oder sollte ich sagen“, er ließ den Blick über die beiden Stellvertreter an ihrer Seite schweifen, „acht Augen.“
Rindenstern nickte. Dann wandte er sich Federflug zu, die mit unruhigen Pfoten neben seinem Bau wartete. „Ich danke dir, Federflug, dass du unsere Gäste zu uns geleitet hast. Habt ihr euren Patrouillengang an der SturmClan-Grenze abgeschlossen?“
„Noch nicht, wir sind sofort hierhergekommen“, verkündete die kleine Kätzin stolz. Blattpfote hätte beinahe den Kopf geschüttelt. Nur weil sie einmal einen fremden Anführer durch unser Territorium geführt hat, muss sie sich nicht direkt so aufführen …
Sie musste ein Seufzen unterdrücken. Nein. Eigentlich wäre sie auch gern mit auf dieser Patrouille gewesen. Vielleicht weiß Federflug ja etwas mehr darüber, was Brandstern und Rindenstern bereden müssen! Ich muss sie am Abend unbedingt darüber ausquetschen …
Dann fiel Blattpfote ein, dass sie ja im Heilerbau übernachten würde.
„Dann geht zur Grenze zurück und führt die Patrouille zuende.“ Ohne ein weiteres Wort wirbelte der SchneeClan-Anführer herum und symbolisierte den SturmClan-Katzen mit einem Schwanzschnippen, ihm in die kleine Felshöhle zu folgen. Die beiden Anführer und Stellvertreter verschwanden darin, der graue Kater, den Blattpfote nicht kannte, blieb wie als Wache vor dem Eingang stehen und musterte das fremde Lager aus großen, blauen Augen.
Enttäuscht wandte Blattpfote den Blick an. Auf diesem Wege würde sie es jedenfalls nicht schaffen, mehr über das Gespräch in der Anführerhöhle herauszufinden – vielleicht würde sie am Ende des Tages doch noch Zeit finden, sich mit Federflug zu unterhalten …
Diese wartete noch einige Herzschläge lang neben dem Großen Baumstumpf, dann ließ sie enttäuscht den Schweif hängen und führte ihre Patrouille wieder aus dem Felsenkessel hinaus. Auch die anderen Katzen des SchneeClans drehten sich nach und nach ab und wandten sich wieder ihren normalen Aufgaben zu. Es dauerte nicht lange und es war, als wäre nie etwas geschehen.
Bis auf den grauen Kater, der fast lauernd neben dem Anführerbau stand und mit klarem Blick das Geschehen um sich herum beobachtete.
Unauffällig musterte Blattpfote die Katze von der Seite. Sie war sich sicher, ihn noch nie zuvor gesehen zu haben, aber dennoch hatte sie nicht das Gefühl, er sei ein Spion. Er wirkte nicht wie ein Feind – eher neugierig, interessiert, fast … sehnsüchtig.
Überrascht zuckte Blattpfote mit den Ohren.
Ja, jetzt fiel ihr auch der suchende Blick des Katers auf – unauffällig, aber dennoch zu sehen. Als würde er nach etwas bestimmten Ausschau halten …
„Blattpfote, hörst du mir überhaupt zu?“
Blattpfote zuckte zusammen. „Wie bitte?“
Sternlichtglanz seufzte. „Blattpfote, wenn es dir nicht gut geht, dann solltest du dich vielleicht besser ausruhen. Dieser Kräutervorrat muss reichen, bis wir in ein paar Monden neue Kräuter sammeln können. Wenn du es nicht schaffst, ihn zu sortieren …“
„Doch, doch, natürlich schaffe ich das!“, sagte Blattpfote mit Nachdruck und nahm ein Maulvoll Kräuter auf. „Siehst du?“, nuschelte sie; der bittersüße Saft der Blätter benetzte ihre Zunge. „Bin schon dabei!“
Sternlichtglanz schüttelte den Kopf und Blattpfote hatte schon Angst, sie würde widersprechen. Doch dann wandte sie sich ab und huschte auf flinken Pfoten in ihren Bau zurück.
Blattpfote wartete, bis ihre Freundin den Felsenkessel verlassen hatte, dann spie sie die alten Stiele mit den kleinen weißen Blüten angewidert wieder aus. Was hatte sie da überhaupt im Maul gehalten? Der bittere Geschmack brannte noch immer auf ihrer Zunge und langsam stieg Übelkeit in ihr auf. Schluckend schnupperte sie an den winzigen Blütenköpfen. Irgendwoher kannte sie diese Pflanze doch …
Natürlich! Blattpfote heftete ihren Blick auf einen Fleck im Sandboden vorher, als ihr Frühstück sich langsam einen Weg aus ihrem Magen hinausbahnte, und versuchte, den Würgereiz zu unterdrücken. Erst vor wenigen Tagen hatte sie beobachtet, wie Sternlichtglanz diese Blumen Libellenjunges und Schmetterlingsjunges gegeben hatte, nachdem diese Krähenfraß gefressen hatten.
„Blattpfote?“
Blattpfote zuckte zusammen. Sie hatte sich so darauf konzentriert, ihr Essen bei sich zu behalten, dass sie die Kriegerin gar nicht kommen gehört hatte. Sie schluckte schwer und blickte auf. „Mondlichtschweif, wie kann ich dir helfen?“ Es war mehr ein Krächzen als ein Miauen. Plötzlich fühlte ihre Kehle sich so trocken an … „Brauchst du etwas aus dem Heilerbau?“
„Oh nein, ich wollte nicht stören, ich dachte nur …“ Die Gescheckte senkte den Blick. „Können wir uns unterhalten? Unter vier Augen?“
Vor Überraschung vergaß Blattpfote fast ihre Übelkeit. Sie und die junge Kriegerin hatten nie besonders viel miteinander zu tun gehabt. Habe ich etwas falsch gemacht? Warum sonst sollte Mondlichtschweif sie sprechen wollen?
Blattpfote zögerte. Sternlichtglanz würde es nicht gefallen, wenn sie die Kräuter alleine ließ. Aber andererseits musste sie wirklich an die frische Luft, hinaus aus dem Lager …
„Klar.“ Blattpfote zwang sich zu einem Lächeln, während ihr Magen Purzelbäume schlug. „Wohin möchtest du gehen?“
Mondlichtschweif überlegte einige Augenblicke, dann nickte sie, wie zu sich selbst. „Folge mir.“ Mit einem Schwanzschnippen wandte die Silberne sich um und huschte auf flinken Pfoten in Richtung Lagerausgang davon. Blattpfote warf einen letzten Blick auf die Kräuter, dann folgte sie ihrer Clangefährtin. Es wird bestimmt nicht allzu lange dauern. Sternlichtglanz wird gar nicht merken, dass ich fort war …
Kaum waren die beiden Kätzinnen aus dem Lager getreten, wurden sie vom würzigen Duft des Waldes empfangen. Blattpfote schloss für einen Moment die Augen und atmete tief die Gerüche ihrer Heimat ein. Aus dem Erdboden sickerte das erfrischende Aroma vergangener Regenschauer und überall um sich herum konnte Blattpfote erblühendes Leben wittern. Sie spürte, wie ihre Glieder sich entspannten. Endlich. Die Blattfrische ist da.
Mondlichtschweif war bereits einige Schritte vorgegangen und blieb nun abwartend einige Schritte von der Felswand entfernt stehen.
„Verzeihung“, murmelte Blattpfote und bemühte sich, zu ihr aufzuholen.
Mondlichtschweif zuckte nur leicht mit den Ohren. „Du warst lange nicht mehr hier draußen, oder?“
„Oh ja“, miaute Blattpfote und die beiden setzten sich in Bewegung. „Ich hatte schon ganz vergessen wie es ist, nicht andauernd von Sternlichtglanz umschwirrt zu werden!“
Mondlichtglanz heftete ihren Blick auf den Pfad. „Sternlichtglanz muss froh sein, eine weitere Schülerin zu haben.“ Blattpfote wusste nicht, wie sie den Unterton in der Stimme der Älteren interpretieren sollte.
„Ich bin nicht ihre Schülerin“, beeilte sie sich mit belegter Stimme zu sagen. „Ich helfe ihr nur, bis ich wieder meine normalen Pflichten übernehmen darf. Das ist alles.“
Darauf erwiderte Mondlichtschweif nichts.
Eine Weile lang spazierten die beiden SchneeClan-Katzen Seite an Seite schweigend durch den erwachenden Wald. Es dauerte nicht lang und Blattpfote begann, die Stille zu genießen. Im letzten Mond hatte sie im Heilerbau keinen Moment Ruhe gehabt – stets hatte Sternlichtglanz neue Aufgaben für sie gehabt, selbst wenn es schien, als wäre alles erledigt. Und selbst, wenn sie einige Augenblicke Pause hatte, so waren da immer ihre Clangefährten um sie herum gewesen: Feuerauges mürrische Kommentare, die herumkreischenden Jungen, Grauschweifs Befehle, die durch den Felsenkessel hallten … Immer schien irgendetwas los zu sein.
Hier draußen hatte Blattpfote endlich Zeit, sie selbst zu sein.
Mondlichtschweif bog scharf nach links ab und führte Blattpfote bergauf in einen Teil des Territoriums, in dem sie schon lange nicht mehr gewesen war. Ihr Pfad schlängelte sich zwischen hoch aufragenden Farnstängeln und frischen Blumen hindurch, vorbei an den ersten Krokussen und Veilchen, die sich langsam aus der noch feuchten Erde schoben. Langsam begann Blattpfotes verletztes Bein zu schmerzen und sie glitt immer häufiger aus dem lockeren Boden aus. Sie wollte gerade nach einer Pause fragen, als sie aus dem Wald hinaus auf eine kleine Lichtung traten und Mondlichtschweif endlich anhielt.
Keuchend schob sich Blattpfote an der schweigsamen Kätzin vorbei ins Freie. Zunächst konnte sie nichts Besonderes an der Lichtung feststellen. Der kleine Freiraum war vollkommen von den Frühblühern dieses Blattwechsels in Begriff genommen und überwuchert mit Moos, Gras und kleinen Blumenstielen. Am anderen Ende des Platzes konnte Blattpfote in dem Unterholz eine kleine Kuhle ausmachen und darin eine Art Höhle … vielleicht der Eingang zu einem früheren Bau eines Dachses oder Fuchses?
Verwundert wandte Blattpfote sich zu ihrer Gefährtin um. Mondlichtschweif hatte ihr den Rücken zugekehrt und starrte wie gebannt auf die Lichtung. Dann senkte sie den Blick und trat ins blasse Sonnenlicht. „Als Flammenfuß und ich noch Junge waren, haben wir uns ständig aus dem Lager geschlichen.“
Überrascht hielt Blattpfote inne. Sie hatte weder mit Mondlichtschweif noch mit deren Bruder Flammenfuß jemals viel zu tun gehabt. Vor allem der unfreundliche, kriegerische Kater hatte ihr immer Angst gemacht – vor allem an jenem Tag vor einem halben Mond, als er sie wegen eines Stückes Frischbeute angegriffen hatte. Warum wollte Mondlichtschweif nun ausgerechnet ihr Geschichten aus der Kindheit der beiden anvertrauen?
Vorsichtig folgte Blattpfote Mondlichtschweif hinaus in das taufeuchte Gras.
Mondlichtschweif lächelte leise und blickte an ihrer Clangefährtin vorbei ins Dämmerlicht des Waldes. „Wahrlich, nichts als Unfug hatten wir im Kopf. So wie alle Jungen, schätze ich.“ Plötzlich trat eine solche Traurigkeit in ihre dunklen Augen, dass es Blattpfote fast den Atem raubte. Mit einem Mal erschien dieser Ort ihr nicht mehr friedlich und einladend, sondern düster und unheimlich. Etwas Schreckliches ist hier passiert … das spüre ich.
„Nicht lange bevor wir zu Schülern ernannt werden sollten, tauchte ein Fuchs auf dem SchneeClan-Territorium auf. Flammenfuß und ich waren keine fünf Monde alt, aber wir fühlten uns unbesiegbar. Unser Vater Moorpelz hatte immer viel mit uns beiden geübt und wir waren sicher, dass wir mindestens so gut kämpfen konnten wie all die erfahrenen Krieger. Mindestens.“ Mondlichtschweif verzog das Gesicht. „Wenn wir den Fuchs vertreiben könnten, würden wir allen beweisen können, dass wir bereit waren, auch Krieger zu sein. Das dachten wir zumindest.“
Blattpfotes Fell kribbelte vor Unbehagen. Ein Fuchsbau, natürlich – das war es, was diese Höhle einmal gewesen war. Fast glaubte sie, einen Blick auf rotes Fell und Bernsteinaugen zwischen den Farnwedeln zu erhaschen.
Mondlichtschweif fuhr fort: „Also zogen wir aus, um uns dem Fuchs zu stellen. Es dauerte nicht sehr lange, bis wir die Spur des Fuchses gefunden hatten – Zufall sicherlich, für zwei Jungen. Damals dachte ich, es sei ein Zeichen, dass der SternenClan und wohlgesonnen war.“ Zum ersten Mal blickte Mondlichtschweif Blattpfote in die Augen. „Genau dort, wo du gerade stehst, stand ich damals auch, als ich den Fuchs zum ersten Mal sah. Flammenfuß und ich, wir – wir waren so klein, und der Fuchs so riesig, und für einen Moment habe ich gezweifelt. Aber dann habe ich den Gedanken beiseitegeschoben … Wir waren stark. Wir waren Krieger. Ein Fuchs hat doch keine Chance gegen Clan-Krieger. Oder?“
Als Blattpfote erkannte, dass Tränen in Mondlichtschweifs Augen glitzerten, wandte sie hastig den Blick ab. Es fühlte sich so seltsam, so falsch an, den Schmerz einer Kätzin mitzuerleben, mit der sie zuvor kaum mehr als ein paar Worte gewechselt hatte … „Was ist dann passiert?“, hörte sie sich selbst flüstern. „Habt ihr den Fuchs angegriffen?“
Mondlichtschweif kehrte ihr den Rücken zu. „Ich erinnere mich nicht mehr an viel“, gab sie mit bebender Stimme zu. „Aufblitzendes, rotes Fell, glänzende Krallen, die Wut in den Augen der Füchsin, die Angst, Schmerz, so viel Schmerz …“ Aus dem Augenwinkel nahm Blattpfote wahr, wie die Kriegerin die Augen zusammenkniff. Ihr selbst war elend zumute, aber sie konnte sich nicht vorstellen, was in ihrer Clangefährtin vorgehen mochte.
„Aber ihr habt überlebt.“ Ihre Stimme klang kratzig. „Wie habt ihr überlebt?“
Mondlichtschweifs Fell sträubte sich. Blattpfote konnte erkennen, wie sie die Krallen in die weiche Erde stieß. „Unser Verschwinden blieb nicht lange unbemerkt. Unsere Eltern … machten sich auf die Suche nach uns.“
Erst jetzt fiel Blattpfote auf, dass sie keine Ahnung hatte, wer Mondlichtschweifs Eltern waren. Moorpelz … Hatte sie den Namen zuvor schon einmal gehört?
„Sie fanden uns gerade noch rechtzeitig. Zumindest rechtzeitig für uns.“
Irgendetwas in Blattpfotes Inneren zerbrach bei diesen Worten. Rechtzeitig. Uralter Schmerz, längst vergessen, aber lange noch nicht vergangen. Niemand war rechtzeitig bei Nachtschweif. Niemand war bei ihr, als sie starb – niemand weiß überhaupt was geschehen ist! Hätte ich nicht für sie da sein müssen? Hätte ich, ihre Tochter, nicht aufpassen müssen, was mit ihr geschah? Es muss doch Anzeichen gegeben haben – niemand bringt eine Katze ohne Grund um!
Warum musste sie sterben? Warum ausgerechnet sie?
„Das nächste, woran ich mich erinnern kann, ist der Geruch von Tod. Das, und … und ihre reglosen Körper.“
Blattpfote hatte gar nicht bemerkt, wie sie zu Zittern begonnen hatte. Diese Welt war ein so kalter, so einsamer Ort, wenn Eltern ihre Jungen einfach verließen, ohne dass irgendjemand etwas dagegen tun konnte. „Es tut mir so leid, Mondlichtschweif“, wisperte sie.
Einige Augenblicke lang herrschte Stille, so allumfassend, dass Blattpfote nur ihr eigenes pochendes Herz hören konnte. Dann seufzte Mondlichtschweif schwer und schnippte mit dem Schwanz. „Es geht schon. Das alles ist nicht deine Schuld.“
Trotzdem fühlte Blattpfote sich noch immer schrecklich. „Wenn … wenn irgendetwas sein sollte, oder du dich einsam fühlst, dann … sollst du wissen, dass ich dich verstehen kann.“
Mondlichtschweif schnurrte. „Dankeschön, Blattpfote. Aber wenigstens habe ich immer noch meinen Bruder.“
Blattpfotes Fell begann unangenehm zu prickeln. Besser kein Bruder, als einer, der so kratzbürstig und aggressiv wie Flammenfuß ist! Mitleid für die grau gescheckte Kätzin begann sich in Blattpfote zu regen. Flammenfuß war alles, was von ihrer Familie noch übrig war.
Es war, als hätte Mondlichtschweif ihre Gedanken gelesen. „Flammenfuß … ist manchmal schwierig. Und manchmal tut er auch Dinge, die niemand außer ihm niemand so recht versteht. Vor dem Tod unserer Eltern war er anders.“ Ein Schatten zog über Mondlichtschweifs Augen wie Wolken, die die Sonne verdecken.
Trotzdem. Blattpfote fühlte sich immer noch unwohl, wenn sie an den aggressiven Tigerkater dachte.
„Deshalb wollte ich mit dir reden.“ Mondlichtschweif hob den Blick. „Ich … ich wollte mich bei dir für das Verhalten meines Bruders entschuldigen.“
Überrascht blickte Blattpfote auf. Damit hatte sie nicht gerechnet.
„Es war nicht richtig, dass er dich damals, am Tag der Schlacht gegen den BlattClan, angefallen hat. Manchmal ist er so anders, so abwesend. Aber, egal was passiert, er ist mein Bruder und ich fühle mich für das verantwortlich, was er tut. Ich möchte nur dass du weißt, dass er im Herzen ein guter Krieger ist. Und ein besserer Kater.“
„Aber Mondlichtschweif!“ Blattpfote trat einen Schritt auf ihre Clangefährtin zu. „Nur weil ihr Wurfgefährten seid, heißt das doch nicht, dass das, was geschieht, deine Schuld ist! Wir sind alle selbst für das verantwortlich, was wir tun.“
„Und ich bin für das verantwortlich, was ich geschehen lasse!“ Mondlichtschweif peitschte aufgewühlt mit dem Schwanz. Blattpfote hatte die junge Kätzin noch nie so außer sich gesehen. „Wenn ich ihm nicht helfen kann, wer dann? Ich hätte mehr für ihn da sein müssen, als Salbeifell und Moorpelz starben – das ist alles meine Schuld!“
Blattpfote trat einen Schritt auf ihre Clangefährtin zu, wollte etwas Beruhigendes sagen, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. Seit Nachtschweif gestorben ist, ist da so eine Distanz zwischen Echopfote und mir … Natürlich, da ist dieser SturmClan-Kater, von dem sie ständig schwärmt, aber das ist nicht alles. Das kann ist alles sein …
Hätte ich mehr tun müssen? Hätte ich mehr für Echopfote da sein müssen? Ist das alles meine Schuld?
Blattpfote war elend zumute. Sie hatte ihrer Schwester stets alles erzählt – warum hatte Echopfote plötzlich Geheimnisse vor ihr?
Mit einem Mal fühlte sie sich mit Mondlichtschweif enger verbunden als mit irgendwem sonst.
„Es ist so seltsam, mit jemandem aufzuwachsen, alles zu teilen, jeden Gedanken des anderen erraten zu können und dann plötzlich … nicht mehr zu wissen, wer der eigene Wurfgefährte überhaupt ist.“ Die Worte waren ausgesprochen, ehe Blattpfote sie überhaupt gedacht hatte.
Mondlichtschweifs Augen blitzten überrascht auf. „Du redest von Echopfote.“
Blattpfotes Fell begann zu prickeln. Wie dumm war sie eigentlich? Mondlichtschweif öffnete sich ihr – und alles, woran sie denken konnte, waren ihre eigenen Probleme. Beschämt heftete sie ihren Blick auf ihre Pfoten. Klein und zart waren sie – wie geschaffen dafür, in die kleinen Felsspalte im Heilerbau zu langen und Kräuter auszugraben, ohne sie zu beschädigen. Echopfote hatte breitere Pfoten, Pfoten, um durch das Territorium zu preschen und Dachse zu jagen. „Manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt noch Geschwister sind“, gab sie zu. „Natürlich nicht wirklich – ich weiß, dass wir Geschwister sind, schließlich hat Nachtschweif uns beide geboren, aber anders, … wie soll ich erklären …“
„Ich weiß“, unterbrach Mondlichtschweif.
Erstaunt blickte Blattpfote auf.
„Ich weiß, was du meinst.“ In Mondlichtschweifs Blick lag ein so tiefes, schmerzhaftes Verständnis, dass es Blattpfote den Atem raubte. „Es … es ist beinahe, als wären damals nicht nur unsere Eltern hier gestorben.“ Die schönen blauen Augen wurden glasig, fast glaubte Blattpfote, in ihnen einen Schatten des Kampfes, der vor so vielen Blattwechseln hier stattgefunden hatte, beobachten zu können.
Blattpfote wusste nicht, wie lange sie noch dort standen und schwiegen. Aber als sie lange Zeit später wieder ins Lager zurückkehrten wusste sie, dass sie eine neue Freundin gewonnen hatte.
Irgendetwas hatte sich verändert, als sie durch den Dornentunnel auf die Sandlichtung heraustraten. Es dauerte eine Weile, bis es Blattpfote auffiel: der unordentliche Haufen an Kräutern, den sie vor dem Heilerbau hinterlassen hatte, war verschwunden. Stattdessen saß dort nun Sternlichtglanz und funkelte sie aus müden Augen an.
4. Kapitel[]
WANTED :D[]
Hallöchen ihr Lieben :) Ich bin mal wieder auf der Suche nach Charakteren für meine Geschichten! Zwar nicht konkret für "Pfade der Finsternis", aber für das SeeClan-Universum (insbesondere die Zeit vor "Schatten des Schicksals", z.B. in "Halbohrs Hoffnung") - und wer weiß? Vielleicht werden sie ja auch hier eine Rolle spielen ^^
Wenn ihr dabei sein wollt, könnt ihr mir eure Katzen gerne in den Kommentaren vorschlagen! Die, die ich am meisten mag, werden dann angenommen :)
Ich brauche nur:
- Name
- Krieger-, Schüler- oder Jungennamen
- Wenn ihr schon wisst, wie die Katze später heißen soll, dann auch das gerne :)
- Geschlecht
- Aussehen
- Fellfarbe
- Augenfarbe
- Muster
- Besondere Merkmale
- etc.
- Persönlichkeit
- Alles, was euch dazu einfällt :) gerne auch was Originelles
- Ideen für die Vergangenheit, wenn ihr wollt
- ich nehme mir einfach mal heraus, das notfalls anzupassen
Ich fände es schön, wenn ihr mir Vorschläge in die Kommentare schreibt :) AL und LG eure Disclღsure i'm not okay with okay 15:25, 5. Feb. 2020 (UTC)