WarriorCats-Erfindung Wiki
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== 17. Kapitel ==
 
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Fallender Baum blinzelte verschlafen ins Sonnenlicht. Er war nun schon seit drei Sonnenaufgängen in Maus' Lager untergebracht, und er hatte glücklicherweise das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Katzen hielten wie ein festes Band zusammen, alle kümmerten sich rührend um ihn. Außerdem war er eh viel lieber im Wald als auf dem kahlen, windigen Moor. Hier fühlte er sich sicher und geborgen, alle Katzen waren nett zu ihm und gingen unvoreingenommen an seine Charakterzüge und Sichtweisen heran. Und das wichtigste: Laufendes Reh verbrachte sehr viel Zeit bei ihm in Blütes Bau und versprach ihm am Laufenden Band, dass alles wieder gut werden würde. Vielleicht entwickelte sich etwas zwischen ihnen? Fallender Baum hoffte es sehr, denn Laufendes Reh tat ihm gut. Sie war umsichtig, freundlich, gesprächig, klug und wunderschön. Außerdem war er in ihrer Gegenwart er selbst und musste sich nicht zu ihrer Zufriedenheit verstellen. Sie war einfach das richtige für ihn, und das spürte Fallender Baum ganz genau. Natürlich vermisste er seine alten Freunde jetzt schon sehr, besonders seinen besten Freund Stürzende Klippe, aber dass hier war es das wert. Er schloss die Augen und sog den Duft von frischem Laub und Harz ein. Dann öffnete er sie wieder und blickte sich um. Er konnte die schemenhafte Gestalt von Blüte auf der anderen Seite des Baus erkennen, und sah, wie ihr Körper sich hob und senkte. Die Kätzin schlief wohl noch. Er stand auf, was ihm jetzt schon leichter fiel als zuvor. Nur noch kleine Schmerzen durchzuckten seine verrenkte Schulter, und sie verschwanden, je mehr er im Lager herumlief und sich an die Bewegung gewöhnte. Da trat Laufendes Reh aus dem Bau der Jäger. Ihr hübscher, glatter, rotbrauner Pelz schimmerte in der Morgensonne und Fallender Baum sah die Kätzin bewundernd an. ''Sie ist so schön... ''Ihr sanftes miauen riss ihn aus seinen Gedanken. "Guten morgen, Fallender Baum. Wie wärs mit einem kleinen Spaziergang, damit du dich an die Bewegung gewöhnst?" schlug sie vor. Er schnurrte: "Gerne!" Doch dann fiel ihm ein: "Aber wir bleiben in der Nähe des Lagers, ja? Wir dürfen nicht riskieren, von Rosts Katzen überrascht zu werden." Sie neigte den Kopf. "Natürlich. Ich sage kurz Blüte Bescheid." Laufendes Reh flitzte zu Blütes Heilerbau. Die Heilerin schien mittlerweile wach geworden zu sein, denn Fallender Baum hörte das maunzen beider Katzen. Dann schlüpfte Laufendes Reh wieder hinaus und gesellte sich zu ihm. Gemeinsam liefen sie durch den Lagereingang und traten hinaus zwischen die Bäume. Während sie so locker nebeneinander hertrotteten, begann Laufendes Reh etwas schüchtern ein Gespräch: "Was hältst du eigentlich von der ganzen Sache mit Rost?" fragte sie. Fallender Baum musste nicht lange überlegen: "Ich finde es schrecklich, was sie macht. Sie behauptet, dass alles hier ihr gehört, dabei ist doch genug Territorium und Beute für alle da, oder? Außerdem haben ihre Katzen dich angegriffen, dass werde ich ihnen niemals verzeihen!" Er sah ihr liebevoll in die Augen, bis ihm klar wurde, wie offensichtlich seine Aussage gerade gewesen war. Verlegen sah er zur Seite und leckte sich das Brustfell. Innerlich verfluchte er sich für seine Aussage. ''Mäusehirn! Jetzt denkt sie bestimmt, dass du so ein verrückter Schleimer bist! ''Doch Laufendes Reh fragte nur unsicher: "Ehrlich? Das ist toll!" Fallender Baum versuchte mit einem Schnurren seine Nervosität zu überspielen. Das Laub raschelte unter ihren Pfoten, während sie in verlegenem schweigen nebeneinander hergingen. Schließlich brach Laufendes Reh die Stille: "Also, Fallender Baum?" fragte sie unsicher. "Ich wollte mit dir über etwas reden." Fallender Baum spitzte die Ohren. "Du kannst mit mir über alles reden, dass weißt du." miaute er. "Genau das ist mein Punkt." druckste sie herum. "Wir kennen uns jetzt schon sehr lange, genauer gesagt, seit ich in den Stamm kam. Und... Ich glaube, nach all der Zeit mit verschiedensten Katzen bist du derjenige, mit dem ich am liebsten Zeit verbringe und der mir am Vertrautesten ist. Als Rinde der Eiche mich fallen ließ hast du mich aufgefangen. Du hast dich wie ein zweiter Vater um Schwinge des Adlers gekümmert, als er noch klein war. Du bist mir in eine Fremde Gruppe gefolgt und hast mir nebenbei noch das Leben gerettet. Und das macht mich sehr glücklich. ''Du ''machst mich glücklich." Tausend Schmetterlinge explodierten vor Freude in Fallender Baums Bauch. ''Sie mag mich auch! ''"Und ich glaube..." sie sah ihn schüchtern an. "Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt." Jetzt tickten die Schmetterlinge völlig aus. ''Sie liebt dich! Sie liebt dich! ''schienen sie Fallender Baum zuzuschreien. ''Was sagst du jetzt? ''dachte er panisch. "Ich... ich glaube, ich liebe dich auch!" maunzte er aufgeregt. Laufendes Reh sah ihn aus glänzenden Bernsteinaugen an und schnurrte: "Das ist wundervoll!" Fallender Baum holte tief Luft und stellte die Frage, die er schon lange hatte stellen wollen: "Willst du vielleicht... meine Gefährtin sein?" Unsicher sah er sie an. Ihre Augen leuchteten. "Aber natürlich, Ja!" rief Laufendes Reh aus. Gemeinsam liefen sie zum Lager zurück, um die Frohe Botschaft zu überbringen. Fallender Baum fühlte sich wie die glücklichste Katze auf der ganzen Welt. Doch sein Hochgefühl sollte nicht lange anhalten, denn als sie in der Nähe des Lagereingangs angekommen waren, hörten sie Fauchen und knurren. Außerdem stieg Fallender Baum ein säuerlicher Geruch nach Kiefernharz in die Nase. Er sah Laufendes Reh an und wusste, dass sie ebenso wusste, was dort vorging. ''Rosts Katzen! ''dachte er alarmiert und sprang, so schnell wie seine verletzte Schulter es zuließ, gefolgt von Laufendes Reh zum Lager. Und dort bot sich ihm ein schreckliches Kampfgetümmel.
Fallender Baum blinzelte verschlafen ins Sonnenlicht. Er war nun schon seit drei Sonnenaufgängen in Maus' Lager untergebracht, und er hatte glücklicherweise das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Katzen hielten wie ein festes Band zusammen, alle kümmerten sich rührend um ihn. Außerdem war er eh viel lieber im Wald als auf dem kahlen, windigen Moor. Hier fühlte er sich sicher und geborgen, alle Katzen waren nett zu ihm und gingen unvoreingenommen an seine Charakterzüge und Sichtweisen heran. Und das wichtigste: Laufendes Reh verbrachte sehr viel Zeit bei ihm in Blütes Bau und versprach ihm am Laufenden Band, dass alles wieder gut werden würde. Vielleicht entwickelte sich etwas zwischen ihnen? Fallender Baum hoffte es sehr, denn Laufendes Reh tat ihm gut. Sie war umsichtig, freundlich, gesprächig, klug und wunderschön. Außerdem war er in ihrer Gegenwart er selbst und musste sich nicht zu ihrer Zufriedenheit verstellen. Sie war einfach das richtige für ihn, und das spürte Fallender Baum ganz genau.
 
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== 18. Kapitel ==
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WIRBELSTURM SCHLUG DIE Zähne in den Nacken eines schwarzen Katers, der in Brises Bau hatte eindringen wollen. Seine Gefährtin hatte sich vor dem hohlen Stumpf positioniert, wo Wunderblüte vorsichtig hinter ihrem Rücken hervorlugte und ängstlich dreinschaute. Brise schob ihr Junges vorsichtig, aber bestimmt in den Bau zurück. Wirbelsturm wusste, dass Brise die kleine mit ihrem Leben beschützen würde, genau wie er. Er schüttelte einen jungen, braunen Kater von sich ab und stürzte sich auf Nadelkralle, die er schon mehrmals getroffen hatte und die jetzt versuchte, Brise anzugreifen. Wirbelsturm riss sie um und so von Brise weg. Er stemmte sie mit seinem ganzen Gewicht auf den Boden und knurrte sie an: "Lass. Meine. Gefährtin. In. Ruhe!" Er hieb mit der Pranke quer durch ihr Gesicht, doch sie lachte: "Ooohhh, hat das kleine Katerchen Angst um seine ''Große Liebe''?" wütend fauchte Wirbelsturm: "Zufällig habe ich ein Herz, im Gegensatz zu dir!" Nadelkralle drehte prompt den Spieß um und auf einmal lag Wirbelsturm unten. Er versuchte panisch, ihre Unterseite mit seinen Krallen zu bearbeiten, doch sie drückte seine Beine gekonnt mit ihren eigenen Hinterpfoten nach unten, sodass er sie kaum bewegen konnte. "Na, was sagst du jetzt, Flohhirn?" spottete die getigerte Kätzin selbstsicher und fuhr ihm mit der Kralle übers Auge. Das Blut rann ihm heiß über die Schnauze. "Hier hast du deine Erinnerung!" fauchte Nadelkralle hämisch. Da riss etwas sie von ihm runter. Wirbelsturm rappelte sich verwundert auf und sah, dass es Brise war. Die hellgraue Kätzin fuhr ihrer Gegnerin geschickt mit den ausgefahrenen Krallen über den Rücken, und als Nadelkralle sich wütend umdrehen wollte, tauchte Brise, die viel schlanker und wendiger als ihre Rivalin war, unter ihr hindurch und fuhr ihr durchs Gesicht. Nadelkralle und Brise verschwanden im Kampfgetümmel und Wirbelsturm betete, dass Brise es überstehen würde. Er machte sich große Sorgen und wäre fast hinterher gerannt. ''Sie ist klüger und flinker als Nadelkralle. Sie wird es schaffen! ''Ihm fiel zum ersten mal auf, wie viele Katzen Rost um sich gescharrt hatte. Es waren mindestens doppelt so viele wie Maus' Gruppe! In seiner Aufregung hatte Wirbelsturm ganz vergessen, dass der Baumstumpf jetzt ungeschützt war. Er sah, dass ein rotbrauner Kater, er hieß Ameise, Wirbelsturm war ihm schon zweimal begegnet, sich auf den Bau zuschlich. Panisch wollte er losspringen, doch ein hellbraun getigerter Blitz kam ihm zuvor. ''Fallender Baum! ''Der neue warf Ameise um und bearbeitete ich aggressiv mit den Krallen. "Hinterhältiger Flohpelz!" fauchte er. Wirbelsturm kam hinzu, um ihm zu helfen, und gemeinsam schafften sie es, Ameise zu vertreiben. Er floh durch die Brombeerhecke. "Hoffentlich bleibt er stecken!" knurrte Fallender Baum. "Danke." murmelte Wirbelsturm. Fallender Baum drehte sich zu ihm. "Keine Ursache." miaute der, und bevor er sich ins Kampfgetümmel stürzte, maunzte Wirbelsturm ihm hinterher: "Du bist echt in Ordnung, Fallender Baum!" "Danke!" rief der Kater mit leuchtenden grünen Augen, dann sprang er auf einen getigerten Streuner mit grünen Augen und war im Kampf verschwunden. Wirbelsturm fuhr herum und stellte sich schützend vor Brises Bau, um Wunderblüte zu verteidigen. Mehrere abgewehrte Streuner später war Wirbelsturm ziemlich geschafft und hatte viele Wunden. Maus' Gruppe wurde immer schwächer, lange würden sie der Streunerflut nicht mehr standhalten. Maus sprang aus dem Kampfgetümmel auf den Hochstein, von dem er sonst immer sprach, und schrie: "Wir ziehen uns zurück! Es hat keinen Sinn, es werden Katzen sterben!" Wirbelsturm war erst ungläubig über die Aussage seines sonst so stolzen Anführers. ''Einfach so das Territorium aufgeben? Das sieht ihm gar nicht ähnlich! ''Doch er erkannte die missliche Lage der Gruppe. Wenn sie nicht aufgaben, könnten Katzen sterben! Auf einmal konnte er seinen Anführer sehr gut verstehen. ''Er führt uns. Er trägt die Verantwortung für uns. Er kann nicht zulassen, dass jemand stirbst, sonst würde man es ihm nie verzeihen. ''Eine rostrote Kätzin mit funkelnden Bernsteinaugen miaute gehässig: "Du warst schon immer ein gnadenloser Feigling, Maus. Aber wir werden euch gehen lassen, schließlich haben wir, was wir wollten!" Das musste Rost sein. Ein knurren stieg in Wirbelsturms Kehle auf, während die Streuner siegessicher zur Seite traten und die Katzen aus Maus' Gruppe freigaben. Was erlaubten die sich eigentlich? Jetzt waren sie sogar ihr eigenes Territorium los! Wirbelsturm eilte zu Brise, während er die gehässig dreinblickende Nadelkralle anfunkelte. "Geht es dir gut?" murmelte er ins Ohr seiner erschöpften Gefährtin. "Bis auf ein paar Kratzer ja." antwortete sie. "Und dir?" "Ich werd's überleben." sagte er. Dann lief er zum Baumstumpf und schlüpfte hinein. "Wunderblüte? Wir müssen gehen." Die kleine Kätzin, fast eindreiviertel Monde alt, kroch verängstigt aus dem Schatten hervor. "Warum?" fragte sie verwirrt. "Wir wurden vertrieben, wir mussten uns ergeben. Jetzt komm, beeil dich!" Er nahm die kleine Kätzin vorsichtig am Nackenfell und trug sie im Laufschritt zu Brise herüber, die ihrer Tochter das Fell leckte und sie mit dem Schwanz an sich zog. Laufendes Reh wurde von Fallender Baum gestützt, sie hatte sich wohl am Vorderbein verletzt. Fallender Baum hatte eine tiefere Wunde am Rücken, was ihn aber nicht kümmerte. Hinter ihnen lief Schwinge des Adlers, der bis auf ein paar Wunden unversehrt schien. ''Er scheint tapfer gewesen zu sein! ''Dann kam Blüte mit Maus und schließlich Feuerschein und Rotpelz, die Vogelflug in ihrer Mitte hatten. Zu Wirbelsturms Entsetzen war die eine Gesichtshälfte des Katers komplett entstellt, und seine Hinterbeine sahen nicht gesund aus. Er eilte zu seinem Freund. "Was ist mit ihm?" fragte er Rotpelz besorgt. Feuerschein antwortete für ihren Bruder, der scheinbar ziemlich geschockt über Vogelflugs Verletzung war: "Vogelflug hat mit Rost und zwei anderen Streunern gekämpft. Er ist von ihnen mehrmals gegen Bäume und Felsen geschleudert und zerkratzt worden. Sie haben ihm auf einer Seite das Ohr Zerfetzt und ihm auf dem Auge das Augenlicht genommen. Außerdem ist laut Blüte sein eines Hinterbein ziemlich schlimm und das andere leicht verletzt." Entsetzt starrte Wirbelsturm auf seinen Freund. "Oh nein..." murmelte er. Er eilte zu Blüte. Ohne Vorwarnung fragte er: "Wird er es überleben?" Blüte schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht. Ich brauche einen sicheren Ort, um ihn zu behandeln." Sie schien zu wissen, von wem er redete. Wirbelsturm nickte, dann sagte Maus: "Geht nacheinander aus dem Lager. Ich komme nach!" Er winkte Zuerst Blüte, Rotpelz und Feuerschein mit Vogelflug in ihrer Mitte durch, dann schlüpften Laufendes Reh, Fallender Baum und Schwinge des Adlers durch den Eingang. Schließlich durfte Wirbelsturm mit Brise, die ihre verängstigte Tochter im Nackenfell trug durch den Eingang. Wirbelsturm hörte, wie Maus sagte: "Wir werden unser Territorium zurückbekommen, Rost! Das war noch nicht das Ende!" Dann sprang er durch den Eingang und lief an die Spitze der Katzen. Der Anführer drehte sich zu ihnen um. "Kennt jemand einen sicheren Ort, wo wir willkommen sind und unsere Verletzten behandeln können?" Wirbelsturm dachte an seine Einzelläuferzeit zurück, und plötzlich fiel ihm etwas ein, wo er mal gewesen war. Er trat vor. "Ich glaube, ich kenne da einen Ort, wo wir sicher wären..."
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== 19. Kapitel ==
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CAS LAG ERSCHÖPFT in ihrem Nest. Es war sehr früh morgens, es war ungefähr ein dreiviertel Mond vergangen. Die Geburt ihrer Jungen stand kurz bevor. Schrei war immer noch ziemlich sauer auf sie, hielt sich aber zurück, weil sie wusste, dass Cas im Moment nur wenig belastbar war. Scharfpfote lag in dem Nest neben Cas, sein Körper hob und senkte sich regelmäßig, was darauf schließen ließ, dass er noch schlief. Cas war dankbar dafür, dass Schrei sie als Strafe für ihre Unachtsamkeit ''nur ''einen halben Mond den Frischbeutehaufen hatte sortieren lassen, weil sie wusste, wie leid Cas die ganze Sache tat und wie schwer sie es zur Zeit hatte. Schrei ließ trotzdem jeden Tag Patroullien an den Grenzen entlanglaufen, um sicher zu gehen, dass Rost nicht in ihr Territorium eindrang. Um Maus' Gruppe war es in letzter Zeit ziemlich still geworden. Keine Grenzpatroullien, keine Jagenden Katzen, sogar der Geruch wurde von Rosts überlagert. Mehrmals waren Schreis Patroullien auf Katzen aus Rosts Gruppe gestoßen, die damit prahlten, Maus und seine Katzen vertrieben zu haben. Wahrscheinlich stimmte das sogar, denn Maus und seine Katzen hatten seit geraumer Zeit kein Lebenszeichen von sich gegeben. Die Gruppe machte sich natürlich Sorgen. Sie hatten ja herausgefunden, dass Maus' Gruppe unschuldig war. Cas tat es sehr leid, sie beschuldigt zu haben, und jetzt waren sie vertrieben worden? Auch die Talkatzen hatten sich zurückgezogen, nur noch gelegentlich traf man auf sie. Und als würde die Beute die Spannung zwischen den Katzen knistern hören, hatte auch sie sich entschlossen, nur noch gelegentlich aus ihren Löchern zu kommen. Scharfpfote hatte allerdings eine Taktik entwickelt, in den Tunneln der Kaninchen und Hasen zu jagen, sodass man sie auch dort fangen konnte und es nicht die Gefahr einer Hungersnot geben würde. In den Tunneln könnte man im äußersten Notfall sogar wohnen! Keine Frage, Scharfpfote war eine gute Katze. Er brachte ihnen stetig neue Techniken bei, die gerade in dieser Zeit sehr nützlich und wichtig waren. Und Cas verstand sich sehr gut mit ihm. Er verstellte sich nicht und kümmerte sich um sie, als wäre er der Vater der Jungen in ihrem Bauch. Und insgeheim wünschte Cas sich, er wäre es wirklich. Aber nein. Sie wollte nicht ''nochmal ''enttäuscht werden. Scharfpfote war nur ein guter, treuer Freund. Und er würde sich zweifellos gut um die Jungen mitkümmern. Schrei suchte in letzter Zeit auch nach neuen Mitgliedern für die Gruppe. Sie mussten stark sein, falls Rost angreifen würde. So hatte sie auch die junge Einzelläuferin Flockenwirbel aufgenommen. Flockenwirbel war eine geschickte Jägerin mit scharfen Augen, außerdem war sie schlank und flink, perfekt für die Jagd in den Tunneln. Die schwarz-weiß getupfte Kätzin hatte sich ihr Nest auf der anderen Seite des Baus eingerichtet. Auch sie schlief noch. Cas wurde durch Pfotentrappeln im Lager aufmerksam und erhob sich schwerfällig aus ihrem Nest. Wer könnte denn so früh schon wach sein?

Version vom 21. Mai 2020, 13:01 Uhr

Bild (003)

Der neue Pfad (By Häherleinchen)

Maus‘ Lager:

Maus- grauer Kater mit ungewöhnlich hellblauen Augen

Feuerschein- rötliche Kätzin, Schwester von Rotpelz

Rotpelz- rötlicher Kater

Blüte- hübsche, blauäugige Schildpattkätzin

Vogelflug- brauner Kater mit dunklen Augen

Brise- hellgraue Kätzin mit sturmgrauen Augen, trächtig mit Wirbelsturms Jungen

Wirbelsturm- dunkelgrauer Kater mit blauen Augen, wird Vater von Brises Jungen

 

Schreis Lager:

Schrei- schwarze Kätzin mit gelben Augen, Schwester von Mitternacht

Mitternacht- schwarzer Kater mit gelben Augen, Bruder von Schrei

Rost- rostrote Kätzin

Wolke- weißer Kater, Vater von Hummel und Schnee

Schmetterling- schildpattfarbene Kätzin mit grünen Augen, Mutter von Hummel- hellbraun gefleckter Kater mit grünen Augen; und Schnee- weiße Kätzin

Cas- hellbraune Kätzin aus dem Zweibeinerort

Übrige Katzen des Waldes:

Kirsche- rotbraune, grünäugige Kätzin, Mutter von Esche

Hirsch- rötlich brauner Kater mit braunen Augen, Vater von Esche

Esche- rotbrauner Kater mit braunen Augen

Moos- braun getigerter Kater mit grünen Augen

Lilie- hellbraun getigerte Kätzin mit grünen Augen

Minzblatt- hellgraue Kätzin, Schwester von Scharfpfote

Scharfpfote- dunkelgrauer Kater, Bruder von Minzblatt

 

 

Übrige Katzen vom Moorland, Hügelland und dem angrenzenden Zweibeinerort:

Luna- weiße Kätzin, lebt mit ihrem Gefährten Soul, von dem sie Junge erwartet, in einer verlassenen Scheune

Soul- gelber Kater, lebt mit seiner Gefährtin Luna, die seine Jungen trägt, in einer verlassenen Scheune

Socke- schwarzer Kater mit weißen Pfoten, Hauskätzchen vom Zweibeinerort, Bruder von Mal

Lizzy- Schildpattkätzin, Hauskätzchen vom Zweibeinerort

Mal- hellbraun getigerte Kätzin mit weißen Pfoten, lebt in einem verlassenen Monsterbau beim Zweibeinerort, Schwester von Socke

Brombeere- braune Kätzin, lebt mit Sandkorn und Rennfuß in einer Kuhle auf dem Moorland

Rennfuß- rötlicher Kater, lebt mit Sandkorn und Brombeere in einer Kuhle auf dem Moorland

Sandkorn- hellbrauner Kater, lebt mit Rennfuß und Brombeere in einer Kuhle auf dem Moorland

Efeu- hellbraun getigerter Kater

Kralle- schwarzer Kater mit weißem Bauch und weißen Pfoten

Flockenwirbel- schlanke, weiße Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen und schwarzen Tupfen

 

Übrige Katzen vom Fluss:

Kieselstein- hellgraue Kätzin, lebt mit ihrem Gefährten Mio und dessen Bruder Arlo in einer Höhle am Fluss

Arlo- schwarz-weißer Kater, lebt mit seinem Bruder Mio und dessen Gefährtin Kieselstein in einer Höhle am Fluss

Mio- schwarzer Kater mit einigen weißen Stellen, lebt mit seinem Bruder Arlo und seiner Gefährtin Kieselstein in einer Höhle am Fluss

Goldschimmer- goldene Kätzin, lebt mit ihrem Bruder Fischflosse auf einer Insel im Fluss, beherrscht die Kunst des Schwimmens

Fischflosse- grauer Kater, lebt mit seiner Schwester Goldschimmer auf einer Insel im Fluss, beherrscht die Kunst des Schwimmens

Übrige Katzen vom Kiefernwald:

Nadelkralle- dunkelbraune, grünäugige Kätzin, Schwester von Tanne

Tanne- dunkelbraun getigerter Kater, Bruder von Nadelkralle

Ameise- brauner Kater, Vater von Kiefer

Kiefer- braun getigerter Kater mit grünen Augen, jung

 

Katzen aus dem fernen Tal:

Fallender Baum- hellbraun getigerter Kater mit weißen Pfoten und grünen Augen

Morgentau- schlanke, hellgraue Kätzin

Säuselnder Wind- kräftiger, grauer Kater

Heller Stern- silbergraue Kätzin mit großen blauen Augen, etwas älter und sehr klug, Mutter von Morgentau

Schwinge des Adlers- braun getigerter Kater, sehr jung

Laufendes Reh- rotbraune Kätzin, Mutter von Schwinge des Adlers

Scharfes Auge- schwarze Kätzin

Regentropfen- hellgrauer Kater

Weißer Flug- weißer Kater, Bruder von Stürzende Klippe

Stürzende Klippe- grau getigerter Kater, Bruder von Weißer Flug

Starrender Reiher- hellgrauer Kater mit weißem Bauchfell

Federglanz- weiße Kätzin mit silbrigen Zeichnungen

 

Prolog

EINE SCHARFE KRALLE erwischte den weißen Kater im Gesicht. Wütend bäumte er sich auf und schlug mit seinen eigenen Klauen zurück. Eine hübsche, golden getigerte Kätzin saß mit einigen anderen erschrocken unter einem Felsvorsprung. Der weiße Kater kämpfte immerhin alleine gegen einen riesigen Adler! Dem Kater gingen bald die Kräfte aus, und so bekam der Adler eine Chance, ihn zu packen. „Weißer Flug!“ jaulte die goldene Kätzin panisch. Der weiße Kater mit Namen Weißer Flug hatte sich mit einigen Kratzern im Fell aus den Fängen des Adlers befreit und wollte nun seine Unterseite bearbeiten. Zwei Katzen- ein hellgrauer und ein grau getigerter Kater- waren ihm zur Hilfe gekommen und gemeinsam sah es fast so aus, als würden sie gewinnen. Doch plötzlich stieß der Adler ohne Vorwarnung herab und wollte Weißer Flug packen. Da hielt es die goldene Kätzin nicht mehr aus. Sie warf sich zwischen Weißer Flug und den Adler, der nun seine Klauen in ihr Fell bohrte. Sie spürte, wie sie sich langsam, aber sicher in die Luft erhob. Als sie realisierte, was gerade passierte, strampelte sie panisch hin und her, doch der Adler wollte sie nicht loslassen. Sie jaulte. Unten starrte Weißer Flug ihr Fassungslos hinterher. Der Schmerz in seiner Stimme schien die Luft zu zerreißen, als er rief: „Glänzender Strahl! Komm zurück! Ich liebe dich doch!“ Weißer Flug rannte dem Adler über die Felsen hinterher, doch der Vogel gewann immer mehr Höhe. „Glänzender Strahl! Glänzender Strahl!“ rief er immer wieder, bis er an einem Vorsprung ankam und nicht mehr weiter rennen konnte. Er sah dem Adler mit Glänzender Strahl in seinen Fängen voller Schmerz in seinem Blick hinterher, bis er am blauen Horizont verschwunden war. Die Trauer zerriss ihn, als er mit hängendem Kopf zu den anderen zurückkehrte. Stürzende Klippe, sein Bruder, wollte ihm ein paar tröstende Worte sagen, doch Weißer Flug wollte nichts hören. „Weißer Flug, es tut mir so leid...“ setzte sein Reisegefährte Regentropfen an, doch Weißer Flug ignorierte ihn einfach und stapfte wütend durch den Schnee. Warum hatte er zugelassen, das Glänzender Strahl sich vor ihn warf? Das hätte niemals passieren dürfen! Er war nicht nur ein schlechter Adlerbekämpfer, nein, er war auch noch ein miserabler Gefährte! „Weißer Flug?“ Heller Stern, die weiseste und älteste Katze der Gruppe lief neben ihm. „Was ist?“ antwortete er barsch. „Du darfst jetzt nicht aufgeben, tapferer Krieger.“ Miaute sie eindringlich. „Auch wenn dir jetzt alles sinnlos erscheint: Es wird sich lohnen, zu dem neuen Ort zu gehen. Glänzender Strahl hätte nicht gewollt, dass du jetzt aufgibst.“ Weißer Flug wirbelte zu der alten Kätzin herum und fauchte: „Tja, Glänzender Strahl ist aber nicht mehr hier, weil sie von einem Adler verschleppt worden ist. Und das ist allein meine Schuld!“ Heller Stern sah ihn gelassen aus ihren Tiefblauen Augen an. „Es war ein tragischer Unfall, keine Katze trägt die Schuld daran. Und du würdest Glänzender Strahl einen größeren Gefallen tun, wenn du die Reise zu ende bringst, die ihr gemeinsam begonnen habt, als wenn du jetzt hier sitzt und den Kopf in den Sand steckst.“ Weißer Flug beruhigte sich wieder und nickte ehrfürchtig. „Du hast recht, Heller Stern. Glänzender Strahl hätte nicht gewollt, dass ich jetzt aufgebe.“ Heller Stern neigte den Kopf und entfernte sich von ihm. Nachdenklich starrte Weißer Flug den klaren, blauen Himmel an. Zwei Adler kreisten weiter entfernt um eine Bergspitze. Auch wenn alles noch so friedlich aussah: Hinter dem kahlen, blauen Vorhang verbarg sich die Gefahr. Wir müssen die Berge so schnell wie möglich verlassen, damit nicht noch ein Unglück passiert. Hier ist es viel zu ungeschützt. ich dachte Weißer Flug. Er ging zu seinen Gefährten zurück, nicht ohne vorher jedoch einen Blick auf den weiten Horizont zu werfen, auf die Stelle, wo Glänzender Strahl verschwunden war. Dein Opfer soll nicht umsonst gewesen sein, Glänzender Strahl! Ich werde die neuen Jagdgründe finden, koste es, was es wolle! Und mit diesem Versprechen verschwand er unter dem Felsvorsprung, und die Berge lagen wieder still, aber bedrohlich unter einer weißen Schneedecke da. Nein, dies war wahrlich kein Ort für Katzen.

 

1. Kapitel

WIRBELSTURM PRÜFTE DIE Luft. Die Beute beim Felsplateau lief heute nicht so gut wie sonst. Er hatte heute noch gar nicht gefangen! Lautlos und auf weichen Pfoten sprang er vom Rand des Felsplateaus herab und schnüffelte ein weiteres Mal prüfend in der Luft herum. Ein starker Geruch nach Spitzmaus filterte sich zwischen den unzähligen anderen Walddüften heraus. Wirbelsturm duckte sich vorsichtig zwischen das Gestrüpp am Boden. Und da sah er die kleine, braune Gestalt zwischen den Wurzeln einer großen Eiche hocken. Er vergewisserte sich, dass er in ihrem Windschatten war, dann spannte er seine Hinterbeine an und sprang in einem weiten Satz direkt auf die Maus. Er tötete sie mit einem sauberen Biss ins Genick. Er nahm die Maus auf und wollte sie gerade verscharren, um sie später abholen zu können und weiter zu jagen, als von hinten ein glockenhelles Schnurren ertönte. „Guter Fang, Wirbelsturm!“ Wirbelsturm fuhr erschrocken herum. Als er die hübsche, hellgraue Kätzin auf dem Felsplateau sah, schlug sein Herz gleich zehnmal höher. „Brise!“ schnurrte er, verscharrte die Maus und sprang dann hoch zu seiner Gefährtin auf das Felsplateau. Er begrüßte sie Nase an Nase und setzte sich dicht neben sie, sodass er ihren warmen, weichen Pelz spürte und ihren wunderbaren Duft nach Blüten und Harz einsog. Eine Weile saßen sie nur so da, beide noch etwas verlegen. Sie waren erst vor anderthalb Monden zusammengekommen und mussten sich erst noch daran gewöhnen. Obwohl sie sich schon gut eingespielt hatten und einander sehr liebten, fand Wirbelsturm. Dann setzte Brise an: „Also, Wirbelsturm…“ zögerte sie und sah ihn unsicher aus ihren wunderschönen, sturmgrauen Augen an. „Ja?“ miaute Wirbelsturm sanft und sah sie ebenfalls an. „Ich muss mit dir über etwas reden.“ Drang Brise sich durch. „Du kannst mit mir über alles reden, dass weißt du.“ schnurrte Wirbelsturm. „Also gut.“ Ich begann Brise. „Du weißt doch, dass Blüte mir heute einen Dorn aus der Pfote gezogen hat, da sie einige Heilkenntnisse besitzt, oder?“ miaute sie vorsichtig. „Ja, du hast es bei Sonnenaufgang erzählt, als ich von der morgendlichen Jagd zurückkam.“ Bestätigte Wirbelsturm, fragte dann aber: „Und was ist daran so besonders?“ „Naja…“ zögerte Brise. „Ich habe ihr anschließend noch davon erzählt, dass ich mich in letzter Zeit so träge fühle und immer müde bin. Und dann hat sie mich angesehen und hat gesagt, dass sie „dachte das ich es schon wüsste“ und dass „die ganze Gruppe davon redete“. Ich habe sie gefragt, was sie denn meint, und sie hat mir dann eröffnet, dass ich… seit ungefähr vier oder fünf Wochen… Junge in mir trage. Deine Jungen, Wirbelsturm! Unsere Jungen!“ verkündete sie schließlich und sah glücklich auf ihren tatsächlich schon etwas gewölbten Bauch. Aber da ihr Fell so lang war, fiel es natürlich nicht unbedingt jedem sofort auf. Wirbelsturm sah sie überglücklich an. „Oh Brise, ich freue mich so! Unsere Jungen! Sie werden wundervoll sein, genauso wie du eine wundervolle Mutter für sie sein wirst!“ Brise schnurrte: „Und du wirst ein fantastischer Vater sein, Wirbelsturm.“ Sie schmiegte sich an ihn. Wirbelsturm wurde warm ums Herz. Seine Jungen wuchsen in so einer wunderbaren Kätzin heran. Da fiel ihm ein, dass er jetzt besonders gut für Brise sorgen musste. Sie musste viel essen, um sich bei Kräften für die Geburt zu halten. Wirbelsturm sprang vom Felsplateau. Brise sah ihm verwundert nach. „Was machst du da, Wirbelsturm?“ Er grub die Maus von vorhin aus und brachte sie zu seiner Gefährtin. „Hier. Iss sie, damit du bei Kräften bleibst.“ Miaute er verantwortungsvoll. „Das kann ich nicht annehmen! Die Katzen der Gruppe müssen doch auch…“ „Du brauchst sie am meisten. Außerdem hätte diese kleine Maus nicht die ganze Gruppe satt gemacht. Ich werde dich zum Lager zurückbringen und dann noch etwas jagen gehen, was ich für den Clan nehmen kann. Iss schon.“ Unterbrach er sie. Seufzend beugte sich Brise hinunter und schlug ihre Zähne in das weiche, saftige Fleisch der Beute. Wirbelsturm wartete, bis sie zu ende gegessen hatte und begleitete sie dann zurück zum Lager. Vor dem Brombeerwall, den die Katzen gebaut hatten, als sie zusammengezogen waren, verabschiedete er sich von ihr. Er überlegte kurz, ob er ihr noch sagen sollte, dass sie sich nicht überanstrengen sollte, ließ es dann aber lieber. Er wollte nicht wie ein überbesorgtes Flohhirn wirken, was ihr sagte, was sie zu tun hatte. Brise war schließlich kein Junges mehr, sondern eine ausgewachsene Kätzin, die gut auf sich selber aufpassen konnte. Wirbelsturm setzte seine Jagd fort und kam bei spätem Sonnenhoch mit einem Eichhörnchen und einer Amsel zurück ins Lager. Er legte die Beute in der Mitte des Lagers ab. Von allen Seiten ertönten Glückwünsche. Vogelflug, ein brauner Kater, berührte ihn mit dem Schweif an der Schulter. „Glückwunsch zu den erwarteten Jungen, mein Freund.“ Der Kater grinste ihn freundschaftlich an. „Dankeschön.“ miaute Wirbelsturm etwas verlegen. Er war es nicht gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen. Vogelflug nickte ihm zu, dann tappte der Kater zu Maus, ihrem Anführer, und die beiden verließen zum jagen das Lager. „Von dir und Brise werden sie sehr hübsch werden.“ miaute Rotpelz von der anderen Seite des Lagers, der sich gerade mit seiner Schwester Feuerschein eine Wühlmaus teilte. Auch Feuerschein hob den Kopf und nickte Wirbelsturm eherbietig zu. Wirbelsturm tappte zu Blüte, der hübschen, schildpattfarbenen Heilkundigen der Gruppe, und fragte, wo Brise sei. Er musste unbedingt zu ihr und sehen, wie es ihr ging. Blüte sagte, sie habe sich ein Nest im hohlen Baumstumpf besorgt, wo Feuerschein vor einiger Zeit ihre Jungen zur Welt gebracht hatte. Aber die Geschichte war nicht gut ausgegangen. Der Vater war ein Einzelläufer namens Weide gewesen. Nur eines der Jungen hatte überlebt. Weide hatte eigentlich in die Gruppe kommen wollen, um bei seiner Tochter sein zu können, aber er war auf dem Weg ins Lager von Füchsen überwältigt und getötet worden. Feuerschein hatte lange mit sich gerungen, aber sie hatte die kleine Kätzin nicht behalten können, denn sie erinnerte sie zu sehr an Weide. Also hatte sie sie an eine gute Freundin der Gruppe gegeben, die Einzelläuferin Stern. Stern war das Beutegerangel von Schreis und Maus‘ Gruppe jedoch schnell zu viel geworden und sie war mit der mittlerweile schon fast erwachsenen Reh, der Tochter von Feuerschein, weggezogen. Niemand wusste, was mit Reh oder Stern passiert war, aber alle hofften natürlich, dass sie nun ein besseres Leben hatten, wo auch immer sie waren. Wirbelsturm nickte Blüte höflich zu, dann trottete er zum Stumpf und schlüpfte durch den Eingang. Brise lag im dämmrigen Licht auf einem wunderbar weichem Moosnest. „Hallo Brise!“ begrüßte er die hellgraue Kätzin fröhlich und setzte sich neben sie, während er ihr mit dem Schweif über den Rücken strich. „Wie geht es dir?“ „Gut, soweit.“ Sie wirkte tatsächlich träge. „Ich bin nur müde“ miaute sie zwischen zwei Gähnern. Wirbelsturm erhob sich. „Dann lasse ich dich schlafen.“ Wirbelsturm ging rückwärts und flüsterte noch ein „Schlaf gut, Brise!“, dann war er draußen. Er sah sich um und wollte sich gerade auf der Lichtung in der Sonne ausstrecken, als Maus, der Anführer der Gruppe, und Vogelflug angeprescht kamen und riefen: „Fremde Katzen! Bei Schreis Lager!“

2. Kapitel

CAS SAH ROST vor sich geduckt im Lagereingang stehen und wütend die Zähne fletschen. „Was wollt ihr hier, Flohpelze?“ fauchte die rostrote Kätzin und funkelte die Katzengruppe vor dem Lagereingang böse an. „Ihr stehlt uns die Beute!“ Der gut gebaute weiße Kater, der die fremden Katzen anscheinend anführte, trat vor und erklärte mit ruhiger Stimme: „Wir hatten nicht die Absicht, eure Beute zu stehlen. Wir wollten nur etwas jagen, da wir eine lange und beschwerliche Reise hinter uns haben.“ Cas fand, dass der Kater das ganze ziemlich logisch erklärt hatte, doch Rost konnte natürlich nicht nachgeben. Flohhirn! dachte Cas Sie sind mehr als wir! Wenn es zum Kampf kommt, sind sie im Vorteil! „Aber wenn ihr hier jagt, stehlt ihr uns unsere Beute! Alles, was hier auf dem Moor läuft, gehört uns! Und jetzt verschwindet, oder soll ich euch Beine machen?“ fauchte Rost. Mitternacht, ein kräftiger, tiefschwarzer Kater, kam gemeinsam mit seiner ebenso schwarzen Schwester Schrei, die die Gruppe anführte, durch die Kuhle gelaufen, um zu sehen, was los war. Hoffentlich können sie den Streit schlichten, hoffte Cas. Schrei blieb vor dem weißen Kater stehen und musterte ihn eindringlich aus ihren durchdringenden, gelben Augen, die manchmal etwas gruselig wirkten. Mitternacht stellte sich hinter sie und musterte die Katzen interessiert. Schrei hob zum sprechen an: „Seid gegrüßt. Mein Name ist Schrei, und ich führe diese Gruppe an.“ Der weiße Kater neigte den Kopf. „Sei gegrüßt, Schrei. Mein Name ist Weißer Flug, und ich habe meine Gruppe aus einem weit entfernten Tal hierher geführt. Es gab im Tal, wo wir herkommen, keine Beute mehr, und wir erhielten die Prophezeiung, dass wir hier ein besseres Leben anfangen könnten.“ Rost wollte schon wieder protestieren, doch Schrei bedeutete ihr mit einem Schwanzschnippen zu schweigen. „Nun, Weißer Flug.“ Miaute die Kätzin, „Ich heiße euch herzlich Willkommen auf dem Moor. Hier könnt ihr gerne leben und jagen, aber bedenkt bitte dabei, dass auch wir uns ernähren müssen. Und wir sind auch nicht die einzigen Katzen hier, dass kann ich dir sagen. Im Wald lebt eine Gruppe und mehrere Einzelläufer, sowie es auch auf dem Moor, am Fluss und im Zweibeinerort noch weitere Katzen gibt. Aber solange ihr uns nicht stört, lassen wir euch ziehen.“ Weißer Flug neigte ein weiteres Mal eherbietig den Kopf vor der Schwarzen Kätzin. „Hab Dank, Schrei. Wir werden uns daran halten, glaub mir.“ Miaute er. Cas hörte Rost neben sich zischen: „Schleimer!“ Cas bedachte Rost mit einem bösen Blick. Sie musste jetzt keinen Kampf heraufbeschwören. Weißer Flug gab seinen Katzen ein Zeichen, dass sie nun gehen würden. Cas sah ihnen lange nach. Was waren das für Katzen? Wenn ich nur mehr über sie erfahren könnte… dachte Cas und seufzte. Sie war viel zu neugierig. Was ging es sie an, was die Katzen hier taten und warum genau sie hierher gekommen waren? Aber Cas konnte nichts tun, sie wollte es unbedigt wissen! Vielleicht könnte man sich mit den Katzen anfreunden… „Cas!“ Wolke, ein weißer Kater, riss sie aus ihren Gedanken. „Komm, Schrei sagt wir sollen zusammen jagen gehen.“ Cas nickte und schüttelte ihren staubigen, hellbraunen Pelz aus. „Okay, dann los.“ Miaute sie und folgte Wolke aus dem Lager. „Wie geht es Schmetterling und den Jungen?“ fragte sie ihn freundlich. Wolke strahlte. „Es geht ihnen toll! Hummel und Schnee wachsen zu zwei prächtigen Katzen heran!“ maunzte er stolz. Cas schnurrte belustigt. „Das glaube ich dir gerne!“ Dann hörte man für einen Moment nur noch das Rauschen des kühlen Moorwindes. Cas brach die Stille schließlich, als sie fragte: „Was hältst du eigentlich von diesen neuen Katzen aus dem entfernten Tal?“ Wolke kräuselte das weiße Fell auf seiner Stirn, dann antwortete er: „Ich weiß nicht genau, was ich davon halten soll. Ich glaube nicht, dass sie so schlimm werden, wie Rost sagt, aber ich weiß auch nicht, ob es die richtige Entscheidung von Schrei war, sie einfach so auf dem Moorland willkommen zu heißen.“ Cas nickte. „Geht mir ähnlich.“ Sie waren mittlerweile auf dem weiten Moor angekommen und Wolke sah sich um, während Cas noch ihren Gedanken nachhing. Da wurde sie von Wolke angestupst. Er zeigte mit dem Schwanz auf einen Hasen, der sie noch nicht gesehen zu haben schien. „Einkreisen?“ fragte er leise. Cas nickte tonlos. Dann sprinteten beide Katzen los. Wolke trieb den Hasen zu Cas. Der Hase lief quasi direkt in zwischen Cas‘ Pfoten, sie musste ihn nur noch töten. „Das war einfach.“ Stellte Wolke trocken fest. Sie fingen noch zwei Kaninchen, dann kehrten sie erschöpft von der Jagd, aber erfolgreich ins Lager zurück und legten die Beute in die Mitte. Man sah die Jungen von Schmetterling und Wolke vor dem Ginsterbusch spielen, ihre Mutter, die Schildpattkätzin Schmetterling, lag daneben in der Sonne und schaute ihnen glücklich zu. Mitternacht ging zu Wolke und die beiden begannen, sich gegenseitig die Zunge zu geben. Cas blickte sich im Lager um und entdeckte Rost, die sich anscheinend angeregt mit Schrei unterhielt. Interessiert ging Cas näher und nahm sich auf dem Weg ein bisschen von einem Kaninchen, damit es so aussah, als würde sie fressen. Aber in Wirklichkeit wollte sie nur wissen, was zwischen den Beiden besprochen wurde. „Du musst nicht immer so misstraurisch sein, Rost. Woher willst du wissen, was diese Katzen tun und lassrn werden?“ miaute Schrei mit einem leicht genervten Unterton. „Man sollte auf jeden Fall vorsichtig sein!“ beharrte Rost. „Denk doch nur daran, was passiert ist, als Maus und seine räudigen Fellkugeln noch hier gejagt haben!“ fauchte die rostrote Kätzin wütend. „Das ist eine andere Sache.“ Bemühte Schrei sich, ruhig und diplomatisch zu bleiben. „Wir kennen diese Katzen doch nicht einmal. Woher sollen wir wissen, dass sie uns böses wollen? Was, wenn wir ihnen Unrecht tun?“ „Woher sollen wir wissen, dass sie uns nichts böses wollen?“ konterte Rost. Schrei verdrehte die Augen, dann sah sie Rost eindringlich an. „Es hat keinen Sinn, Rost. Wenn du mir nicht folgen kannst, dann solltest du gehen.“ Knurrte die schwarze Kätzin nun wirklich sauer. Rost fauchte gereizt: „Na gut. Wenn ihr mich nicht braucht…“ Sie drehte sich auf dem Absatz um und marschierte tatsächlich aus dem Lager! Cas blieb das Maul offen stehen. Wie konnte Rost nur? Auch Schrei sah der rostfarbenen Kätzin perplex hinterher. Cas sprang auf und lief zu ihrer Anführerin. „Schrei! Wir müssen Rost zurückholen! Sonst haben wir bald niemanden mehr außer Wolke, Mitternacht, dir und mir, der Beute fangen kann!“ Schrei schüttelte jedoch nur den Kopf. „Nein Cas. Rost hat ihren Weg gewählt. Es wäre falsch, sie von ihrer eigenen Entscheidung abzuhalten.“ Die gelben Augen der Anführerin schweiften über das Moorland. „Sie wird ihre Bestimmung ohne uns finden, und wir werden sie nicht davon abhalten.“ „Aber…“ setzte Cas verzweifelt an, doch ein durchbohrender Blick aus Schreis Augen genügte, um sie zum schweigen zu bringen. „Ja, Schrei.“ Gab Cas nieder geschlagen auf und trottete zu ihrer Freundin Schmetterling, die ihren Jungen beim spielen zusah. „Hallo Cas.“ Maunzte Schmetterling zur Begrüßung, als Cas sich neben sie legte. „Hallo Schmetterling.“ Seufzte Cas unglücklich. „Was ist los?“ fragte Schmetterling und sah ihre Freundin besorgt an. „Es ist wegen Rost.“ Erzählte Cas unglücklich. „Wir brauchen sie hier! Wir haben kaum noch Katzen, die Beute fangen können!“ Schmetterling schien das kalt zu lassen: „Also, ich bin froh, dass die alte Kratzbürste weg ist. Es war kaum noch auszuhalten mit ihr!“ „Aber die Beute…“ setzte Cas wieder an. Schmetterling unterbrach sie und schlug vor: „Zur Not könnte ich auch jagen gehen, während eine andere Katze- zum Beispiel du- auf Hummel und Schnee aufpasst.“ Cas erkannte, dass es jetzt keinen Sinn machte, mit einer Katze zu diskutieren und nickte nur. „Wahrscheinlich hast du Recht. Willst du Kaninchen haben?“ wechselte sie schnell das Thema. Schmetterling nickte dankbar, und Cas lief zum Frischbeutehaufen, um ein Kaninchen für Schmetterling zu holen. Wenn die kalte Zeit kommt, wird sie dann immer noch so reden?

3. Kapitel

„WIRF MIR DIE Ranke zu, Säuselnder Wind!“ rief Fallender Baum, und der graue Kater schleuderte das dicke Geäst mit dem Maul zu ihm herüber. Fallender Baum verflocht es mit geschickten Stichen mit dem Rest des fast fertigen Brombeergeflechts, genauso, wie seine Mutter es ihm einst gezeigt hatte, als er noch mit dem Rest des Stammes im Tal gelebt hatte. Fallender Baum erinnerte sich gern an die Zeit zurück, wo er sich noch gemeinsam mit seiner Schwester Springender Funken an das warme Fell von Flügel des Sperlings gekuschelt hatte. Aber es machte ihn auch traurig, denn Springender Funken und Flügel des Sperlings waren beide im Tal geblieben, zusammen mit einigen älteren Katzen, wenigen jungen und kräftigen Katzen und höchstens einem Maul voll Beute. Fallender Baum hatte gewusst, dass es seine Bestimmung gewesen war, die neuen Jagdgründe zu finden, und nun hatte er es geschafft. Er fragte sich, was Flügel des Sperlings oder Springender Funken wohl gerade machten. Ob sie überhaupt noch lebten? Würde er es jemals erfahren? Fallender Baum schlug sich diese traurigen Gedanken schnell aus dem Kopf und verflocht lieber die letzten Brombeerranken im Geflecht. „Fertig!“ rief er triumphierend aus und sah zu Laufendes Reh. „Ähm…“ er kam kurz aus der Fassung beim Anblick der hübschen, rotbraunen Kätzin. „Der Bau für dich und deinen Sohn ist fertig.“ Fallender Baums Gesicht wurde heiß, und er war erleichtert, dass Laufendes Reh durch sein Fell nicht sehen konnte, wie rot er wurde. Er war schon in Laufendes Reh verliebt gewesen, seit sie als Junges von einer Kätzin in den Stamm gebracht worden war, und er war damals selbst noch ein Junges gewesen. Laufendes Reh war nur ein bisschen jünger als er, aber niemand wusste genau, wie viel, nicht mal sie selbst. Doch dann hatte Laufendes Reh Rinde der Eiche zum Gefährten gewählt und mit ihm einen Sohn namens Schwinge des Adlers bekommen. Fallender Baum hatte seine Hoffnung schon aufgegeben, doch dann hatte Rinde der Eiche sich dazu entschieden, im Tal zu bleiben. Er und Laufendes Reh hatten sich so sehr gestritten, dass sie sich getrennt hatten und Laufendes Reh erst recht zu den neuen Jagdgründen gewollt hatte. Was auch einer der Gründe gewesen war, weswegen Fallender Baum sich dazu entschieden hatte, ebenfalls mitzukommen. Laufendes Reh hatte auch Schwinge des Adlers mitgenommen, da dieser nun schon fast sechs Monde alt war und man ihm eine Reise unter Aufsicht schon zumuten konnte. „Danke, Fallender Baum.“ Miaute Laufendes Reh mit ihrer sanften Stimme und sah ihn glücklich an. Auch Fallender Baum war glücklich. Er liebte es, wenn Laufendes Reh seinen Namen in ihrem sanften Tonfall aussprach. Er begleitete sie und Schwinge des Adlers mit glühenden Wangen zu ihrem neuen Bau. Dabei sahen sie sich immer wieder in die Augen. Als Laufendes Reh im Bau verschwunden war, kam sein bester Freund Stürzende Klippe angesprungen. Er grinste Fallender Baum an. „Na, bahnt sich da etwa was zwischen dir und Laufendes Reh an?“ fragte er bedeutungsvoll. Fallender Baum leckte sich verlegen das Brustfell. „Möglicherweise…“ druckste er herum. Stürzende Klippe sah ihn vielsagend an. „Möglicherweise?“ hakte er nach. Fallender Baum verdrehte die Augen. „Ich weiß es doch selbst nicht!“ verteidigte er sich. „Ich kann ja keine Gedanken lesen.“ Stürzende Klippe lächelte nur. Fallender Baum konnte sehen, dass sein Freund ihm nicht glaubte. Wahrscheinlich denkt er, sie erwartet schon längst Junge von mir! Bei dem Gedanken musste Fallender Baum schmunzeln. Vielleicht würde dass ja eines Tages wirklich so sein… Fallender Baum wurde jäh aus seinen heimlichen Schwärmereien gerissen, als er Regentropfen, der gerade am Eingang stand, maunzen hörte: „Hier sind andere Katzen! Kann jemand weißer Flug holen?“ Stürzende Klippe sprang sofort los, um seinem Bruder Bescheid zu geben. Fallender Baum ging neugierig zum Eingang, wo ein grauer Kater und zwei rötliche Katzen standen. Bis jetzt waren alle Katzen eigentlich nett gewesen. Stürzende Klippe kam mit dem weißen Anführer der Katzen wieder. Weißer Flug trat vor die anderen Katzen, die sich mittlerweile interessiert um den Eingang versammelt hatten. Fallender Baum konnte Laufendes Reh aus ihrem Bau kommen sehen, und sofort schlug sein Herz höher. Sie stellte sich neben ihn und sah ihn freundlich aus ihren wunderschönen, bernsteinfarbenen Augen an. Der graue Kater hob zum Sprechen an. „Willkommen, Fremde. Mein Name ist Maus, und ich leite eine Gruppe. Wir haben euch bei Schreis Lager gesehen und wollten wissen, wer ihr seid. Wo kommt ihr her, und was tut ihr hier?“ Weißer Flug neigte den Kopf vor Maus. „Sei gegrüßt, Maus. Ich bin Weißer Flug, und ich und meine Katzen kommen von weit her aus einem Tal. Wir kamen, da nicht mehr genug Beute für uns alle da war und hoffen, dass ihr es billigt, dass wir bleiben.“ Maus meinte: „Ich denke, wir haben nichts dagegen einzuwenden, solange ihr uns nicht stört. Wie wäre es, wenn wir uns gegenseitig vorstellen? Ich habe nur zwei meiner Katzen mit, das sind Rotpelz“ er deutete auf den roten Kater, „und Feuerschein.“ Er zeigte mit dem Schweif auf die zweite Rote, eine Kätzin. „Sie sind Geschwister.“ Rotpelz und Feuerschein nickten den Katzen freundlich zu. Weißer Flug neigte den Kopf. „Ich denke, meine Katzen können sich selbervorstellen.“ Er trat zur Seite, um Stürzende Klippe durchzulassen. „Ich bin Stürzende Klippe, der Bruder von Weißer Flug.“ Miaute der graue Kater und gesellte sich wieder zu den anderen. Fallender Baum war als nächstes dran. Es war ein komisches Gefühl, von allen Seiten angestarrt zu werden. „Ich bin Fallender Baum und, äh… ja…“ Kann man sich eigentlich noch mehr lächerlich machen? Ich dumme Fellkugel! Jetzt denken sie bestimmt, dass ich schüchtern bin. Morgentau, Säuselnder Wind und Regentropfen stellten sich vor. Dann kam Laufendes Reh. Sie stellte zuerst Schwinge des Adlers vor, dann sich: „Ich heiße Laufendes Reh, und ich kam gemeinsam mit meiner Ziehmutter Heller Stern in den Stamm.“ Feuerschein, die rote Kätzin, die mit Maus gekommen war, starrte Laufendes Reh an, als wäre sie nicht von dieser Erde. „Reh?“ fragte die Kätzin ungläubig. „Bist du es wirklich?“ Laufendes Reh sah die rote Kätzin verwirrt an. „Wer ist Reh? Ich, oder was?“ „Ja!“ miaute Feuerschein aufgeregt. Jetzt verstand Fallender Baum gar nichts mehr. Reh? Aber sie hieß doch Laufendes Reh, oder? Die Kätzin musste sie mit jemandem verwechseln. Da trat Heller Stern, die älteste unter den Katzen, vor. „Sie ist es wirklich, Feuerschein. Sie ist deine Tochter Reh.“ „Stern?“ fragte Feuerschein aufgeregt. Dann lief sie zu Laufendes Reh. „Ich bin deine Mutter… „Laufendes“ Reh…“ Jetzt verstand Fallender Baum: Heller Stern war damals gemeinsam mit der kleinen Laufendes Reh in den Stamm gekommen. Sie hatte gesagt, sie käme von weit her und wäre die Ziehmutter des Jungen. Und sie war schwanger mit Morgentau, auch wenn sie schon damals nicht mehr die jüngste gewesen war. Laufendes Reh musste in Wirklichkeit Feuerscheins Tochter gewesen sein! Feuerschein kam jetzt auf Laufendes Reh zu. „Meine Tochter…“ murmelte sie ungläubig „Du erinnerst mich so sehr an ihn…“ Laufendes Reh sah sie aus warmen Augen an. „Das heißt, ich lebte vorher hier, und du warst in Wirklichkeit meine Mutter?“ miaute sie. Feuerschein nickte. Maus, der Anführer ihrer Gruppe, sah sie an. „Feuerschein.“ Miaute er harsch. „Komm jetzt. Es ist schön, dass Reh nun endlich gefunden wurde, aber sie ist nicht Teil dieser Gruppe. Wir wollen nun gehen.“ Rotpelz schob seine Schwester aus dem Lager und nickte den Katzen zum Abschied zu. Wie herzlos von ihnen! Die beiden hatten sich doch gerade erst gefunden! dachte Fallender Baum bestürzt. Feuerschein warf Laufendes Reh einen letzten, sehnsüchtigen Blick zu. Laufendes Reh sah ihr etwas verwirrt hinterher. Dann kam sie zu Fallender Baum. „Es ging alles so schnell…“ murmelte sie. Dann drückte sie sich ohne Vorwarnung an ihn, und Fallender Baum wollte diesen Moment am liebsten nie wieder enden lassen. „Ist schon gut…“ miaute er etwas unbeholfen und strich ihr mit dem Schweif über den Rücken. „Wir finden eine Lösung, ja?“ er sah sie hoffnungsvoll an. Laufendes Reh sah wie ein kleines Junges zu ihm auf: „Wirklich?“ „Wirklich.“ Versprach er. „Du musst nur deinem Herzen folgen und das tun, was du selbst für richtig hältst und nicht das, was andere Katzen von dir verlangen.“ „Danke.“ Schnurrte sie leise. „Ich werde es versuchen.“ Dann ging sie zu Schwinge des Adlers, um ihn in den Bau zu bringen, denn es dämmerte schon. Fallender Baum sah ihr nachdenklich zu. Wie wird sie sich entscheiden?

4. Kapitel

WIRBELSTURM LIEF VOR dem Baumstumpf nervös auf und ab. Es waren einige Sonnenaufgänge vergangen, seit Brise ihm gesagt hatte, dass sie seine Jungen erwartete. Und nun war es soweit: Brises Geburtswehen hatten eingesetzt. Das Problem an der ganzen Sache war, das die Jungen mindestens eine Woche zu früh waren! Blüte, die einige Heilkenntnisse besaß, hatte gesagt, dass die Gefahr bestehe, dass die Jungen sterben könnten oder zu schwach wären, um die kalte Zeit zu überleben. Wirbelsturm machte sich nun große Sorgen. Da tappte Blüte aus dem Bau, erschöpft und niedergeschlagen. „Und?“ fragte Wirbelsturm erwartungsvoll und besorgt zugleich. Blüte schüttelte nur den Kopf. Sofort sprang Wirbelsturm in den Bau. „Brise?“ fragte er panisch. Die hellgraue Kätzin lag auf ihrem Nest und presste drei kleine Körper traurig an sich. Wirbelsturm lief zu ihr und drückte sich wärmend und tröstend an sie. „Oh Wirbelsturm…“ flüsterte sie tonlos. „Alle tot.“ Wirbelsturm stieß einen schmerzvollen Klagelaut aus. Ihr erster gemeinsamer Wurf! Alle tot! Brise drückte sich wimmernd an ihn. Von draußen hörte man gedämpfte Stimmen. Eine kam von Blüte: „Nein, Rotpelz. Lass sie trauern. Sie werden Zeit brauchen.“ Wirbelsturm stand auf, um sich die Jungen anzusehen. Er wollte wenigstens wissen, wie sie ausgesehen hätten. Eine schlaffe, hellgraue Kätzin lag reglos am Bauch ihrer trauernden Mutter. Sie sah Brise wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich. Daneben lag ein kleiner, grau getigerter Kater. Und das letzte Junge war ein dunkelgrauer Kater. Es zerriss Wirbelsturm das Herz, seine und Brises eigenen Jungen tot zu sehen. Sie hatten noch nicht einmal die Augen geöffnet. Er hatte sich immer vorgestellt, wie sie in der warmen Zeit gemeinsam im Gras herumtollten und zu erwachsenen, stolzen Katzen heranwuchsen. Aber das alles würde nun niemals eintreffen. Auf einmal sah er, wie Brise sich zusammenkrümmte. „Brise?“ fragte er voller Sorge. Die Kätzin krächzte: „Es kommt noch eins…“ Aufgeregt stellte Wirbelsturm die Ohren auf. „Ich werde sofort Blüte holen.“ Miaute er tatkräftig. Er sprintete so schnell er konnte aus dem Bau und rief: „Blüte! Blüte! Komm schnell, es kommt doch noch eins!“ Blüte sah erstaunt auf und rannte zu ihm herüber. Gemeinsam liefen sie so schnell es ging in den Bau. Brise wand sich vor Schmerzen, und Wirbelsturm hätte sie am liebsten von ihr genommen. „Du gehst jetzt besser.“ miaute Blüte und wandte sich dann an Brise: „Okay, ganz ruhig, es ist alles in Ordnung…“ Wirbelsturm neigte den Kopf und trabte dann nach draußen. Da er vor Aufregung nicht wusste, was er machen sollte, verließ er das Lager, um etwas zu jagen. Er witterte eine Wühlmaus und duckte sich, vergaß jedoch, dass er nicht im Windschatten des Tiers stand. So roch die Wühlmaus ihn, bevor er losspringen konnte, und verschwand in ihrem Loch. Mäusedreck! fluchte er in Gedanken, Ich bin viel zu aufgeregt, um zu jagen. Also lief er zurück ins Lager. Blüte stand vor dem Baumstumpf und sah ihn glücklich an. Wirbelsturm schöpfte neue Hoffnung, und sein Herz machte einen Freudensprung, als Blüte erklärte: „Du bist soeben Vater geworden, Wirbelsturm! Es ist eine kleine Kätzin, und sie lebt!“ „Vielen Dank, Blüte. Darf ich zu ihr?“ schnurrte er aufgeregt. Blüte nickte und machte den Eingang frei. Wirbelsturm betrat leise den schummrigen Bau. Brise, die wie zuvor auf ihrem Nest lag, hob den Kopf. Ihre Augen leuchteten. „Sie lebt!“ flüsterte sie sanft und leckte einer kleinen, sehr hellgrauen Kätzin mit geschlossenen Augen über den winzigen Kopf. Wirbelsturm trat näher und sah das kleine Wesen voller Liebe in seinen Augen an. Seine Tochter! „Wie nennen wir sie?“ fragte er leise. Brise sah ihn an. „Ich finde, wir sollten sie Wunderblüte nennen, denn sie war tatsächlich ein Wunder. Und das -blüte zu ehren der Katze, ohne die sie nicht auf der Welt wäre. Hätte Blüte nicht mit regelmäßigen Strichen ihre Atmung angeregt, wäre unsere kleine jetzt tot, wie ihre Geschwister.“ Wirbelsturm nickte. „Wunderblüte ist ein schöner Name.“ Dann beugte er seinen Kopf zu der kleinen Kätzin, bei der sich bereits ein hellgrauer Flaum auf der Haut gebildet hatte. „Hallo Wunderblüte, du kleines Wunderkätzchen.“ Schnurrte er und leckte seiner Tochter die Ohren. „Ich bin Wirbelsturm, dein Vater.“ Die kleine Kätzin streckte neugierig ihre Nase vor und beschnupperte ihn. Dann gab sie ein kleines, glückliches maunzen von sich. „Sie mag dich!“ schnurrte Brise. Auch Wirbelsturm schnurrte glücklich. Dann fiel sein Blick auf die drei toten Körper am anderen Ende des Baus. „Was machen wir mit ihnen?“ fragte er, und eine Welle von Trauer überkam ihn. „Sollen wir ihnen Namen geben, dass sie glücklich bei den Ahnen wandeln können?“ schlug Brise ebenfalls etwas betroffen vor. Und so machten sie es. Brise gab der Kätzin den Namen Licht, auf das ihr Licht eines Tages hell vom Himmel auf sie herabscheinen würde. Dem grau getigertem gab Wirbelsturm den Namen Tornado, auf das er dort oben so lebhaft wie einer sei. Wirbelsturm entschied auch, dass der dunkelgraue Kater Schattenglanz heißen sollte, auf das er auch dort oben Licht ins Dunkel brachte. Sie begruben die drei Leichname hinter Brises Nest, damit sie dort ruhen konnten, wo ihr allzu kurzes Leben begonnen hatte. Mit einem letzten Abschied ließ Wirbelsturm das übrige Häuflein Erde auf das Grab fallen, während Brise Wunderblüte an ihren Bauch gedrückt hatte und traurig zusah. Dort, wo das Grab war, war ein kleiner Hügel entstanden. So würden sie immer wissen, wo ihre Jungen begraben lagen. Lebt wohl, Licht, Tornado und Schattenglanz. dachte Wirbelsturm traurig.

5. Kapitel

CAS LIEF ÜBER das weite Moorland. Es war nun ein halber Mond vergangen, seit die neuen Katzen im Moor angekommen waren. Eigentlich hatten sie bis jetzt keinen Ärger gemacht, und deshalb hatte Cas sich entschlossen, nach Rost zu suchen. Vielleicht würde die Kätzin nun zurückkehren, wo sie gewiss sein konnte, dass die Katzen vom entfernten Tal keiner Katze etwas zu Leide taten. Aber dazu musste Cas sie erst einmal finden. Sie war schon sehr weit raus aufs Moor gelaufen, so weit war sie lange nicht mehr gegangen. Sie sah sich um. In der Ferne konnte sie vor sich das Hügelland, welches an den Zweibeinerort grenzte, sehen. Rechts von ihr machte sie den Fluss und seine Umgebung aus, links von ihr den Kiefernwald. Cas überlegte. Wohin würde ich gehen, wenn ich an Rosts Stelle wäre? Sie sah in Richtung Kiefernwald. Dort ist es geschützt und es gibt kaum Katzen, die dort leben. Eigentlich nur Nadelkralle und ihr Bruder Tanne. Und Ameise mit seinem Sohn Kiefer. Es wäre ein leichtes für Rost, diese Katzen auf ihre Seite zu bringen. Sie ist eine Überredungskünstlerin, auch wenn sie es bei Schrei nicht geschafft hat. Also entschloss Cas sich, zuerst beim Kiefernwald nachzusehen. Sie brauchten Rost für die Jagd, sie waren einfach zu wenige. Entschlossen rannte sie über das weite Moor hinüber zum Kiefernwald, es war zum Glück nicht weit. Als sie die ersten Bäume erreichte, verfiel sie in einen langsameren Trott und ging dann irgendwann normal weiter, als die Kiefern dichter wurden. Unbehaglich blickte Cas immer wieder hinter sich. Sie fühlte sich im dichten Schatten der Kiefern unwohl und irgendwie ständig beobachtet. Nein, dies war nicht ihr zuhause. Sie brauchte den offenen Himmel über ihrem Kopf. Unter den Bäumen fühlte sie sich eingesperrt und beengt. Aber sie musste es tun, für die Gruppe und das Wohlbefinden der Katzen. Plötzlich kam ein schwarzer Kater mit weißen Pfoten und weißem Bauchfell aus dem Schatten der Kiefern gesprungen und fauchte sie an. „Was tust du hier? Es ist dir nicht erlaubt, hier zu sein!“ „Kralle?“ rief Cas ungläubig. Sie kannte den Einzelläufer vom Moor und wusste, dass er manchmal etwas kratzbürstig sein konnte. Aber sie zur Begrüßung anfauchen? Das würde er doch niemals tun! Oder? Kralle machte einen Buckel und fauchte erneut. „Verschwinde hier, das ist Rosts Gebiet! Na, wird’s bald? Oder muss ich nachhelfen?“ Kralle fuhr seine Krallen aus, wegen deren Länge er auch seinen Namen erhalten hatte. Rosts Gebiet? wunderte Cas sich. Dann stellte sie sich aufrecht vor Kralle hin, obwohl der Kater immer noch größer und muskulöser war als sie. „Ich würde gerne mit Rost sprechen.“ miaute sie in einem höflichen, aber distanzierten Ton. Da trat die rostfarbene Kätzin auch schon zwischen den Kiefern hervor. „Tritt zurück, Kralle. Lass mich das regeln.“ Der schwarze Kater schaute unwillig drein, tat dann aber doch, was Rost ihm befohlen hatte. „Hallo Rost!“ miaute Cas, froh, sie endlich gefunden zu haben. „Sei gegrüßt, Cas.“ begrüßte ihre ehemalige Baugefährtin sie erschreckend kühl. Cas wunderte sich. Was ist los mit ihr? Vor einem halben Mond haben wir uns noch Beute geteilt, uns die Zunge gegeben und gemeinsam geschnurrt, und jetzt? „Darf man fragen, was du hier machst?“ Rost zog bedrohlich eine Augenbraue nach oben. Cas wich zurück. „Ich, äh… Ich wollte eigentlich fragen, ob du wieder in die Gruppe zurückkehren willst… Wir brauchen dich unter unseren Jägern!“ Auf einmal war sich Cas ihrer Sache gar nicht mehr so sicher wie zuvor. Rost fauchte: „Na, dass fällt Schrei ja früh ein! Bestimmt hat sie dich geschickt, oder?“ „Nein!“ antwortete Cas schnell. „Ich bin aus eigenem Willen hergekommen!“ „Klar, und Igel können fliegen!“ Rost glaubte ihr offensichtlich nicht. „Wie auch immer, mach, dass du hier wegkommst. Und sag Schrei, dass ich nicht im Traum dran denken würde, zu euch Hauskätzchen zurückzukehren! Ach ja, und noch was: Wenn einer von euch Flohpelzen nochmal hierherkommt, ziehen meine Katzen ihm das Fell bis über die Ohren, da kannst du Gift drauf nehmen! Die Kiefernwälder gehören nun mir und meiner Gruppe! Leb wohl, Cas!“ fauchte die Kätzin in einem verachtenden Ton, dann drehte sie sich um und ging. Cas wollte ihr hinterherrennen. „Warte doch, Rost!“ rief sie verzweifelt. „Die neuen Katzen… Sie tun nichts! Sie haben uns bis jetzt keine Beute streitig gemacht!“ Rost drehte sich um. „Bis jetzt!“ knurrte sie. „Und bis jetzt hast du auch noch Fell an den Ohren! Das wird sich allerdings schnell ändern, wenn du jetzt nicht SOFORT verschwindest! Wir werden diesen räudigen Talkatzen schon zeigen, woran sie sind…“ Cas wich bestürzt zurück. Wie kann sich eine Katze innerhalb so kurzer Zeit so drastisch verändern? Der Kiefernwald gehört niemandem, genau wie die Beute. Sie ist ja noch schlimmer als Maus! Der spielt sich schon immer auf, wenn eine Katze den Laubwald betritt! Doch Cas wusste, dass hier nichts mehr zu holen war. Sie drehte sich um und rannte davon. Sie rannte durch den Wald, über das Moor und bis zum Lager. Rosts radikale Gedanken machten ihr Angst, und es machte sie auch wütend. Die Talkatzen haben uns nichts getan! Sie hat kein Recht, sie zu vertreiben! Genauso wenig wie sie das Recht hat, den Kiefernwald zu ihrem Eigentum zu erklären!  Cas war am Lager angekommen und trabte aufgeregt zu Schrei, die sich gerade mit ihrem Bruder Mitternacht die Zunge gab. Als sie Cas ins Lager stürmen sah, hob die schwarze Kätzin den Kopf.  „Cas?“ fragte die Kätzin verwundert. „Wo warst du? Wir haben uns schon Sorgen gemacht!“ „Ich habe nach Rost gesucht.“ erklärte Cas atemlos. „Ich dachte, jetzt, wo die Talkatzen schon etwas länger da sind und noch keinen Ärger gemacht haben, könnte ich sie dazu bewegen, zurückzukommen. Wir brauchen neue Jäger!“ Schrei gab keinen Kommentar ab, sondern hörte Cas aufmerksam bis zum Ende zu, während diese den Rest der Geschichte und wie Rost sie einfach abgewiesen hatte erzählte. „Wir müssen den Talkatzen helfen, oder sie zumindest warnen!“ schloss Cas ihre Erzählung ab und sah Schrei erwartungsvoll an. Die Kätzin erhob sich und sah Cas in die Augen. „Warum sollten wir das Tun?“ fragte die Kätzin ruhig. Fassungslos starrte Cas sie an. „Weil…“ aber ihr fiel keine passende Begründung ein. Wir können sie doch nicht einfach dem Tod ausliefern! Das würde doch keine ehrbare Katze tun! Schrei sah sie weiterhin prüfend an. „Hör zu, Cas.“ begann sie schließlich „Es kann nicht sein, dass wir unsere Gruppe absichtlich in diese ganze Sache hineinkatapultieren. Sieh dir doch nur diese Katzen an. Ich trage die Verantwortung für sie, und ich muss sie vor die fremden Katzen stellen, die ich erst seit einem halben Mond hin und wieder sehe. Und in diesem Punkt hat Rost ausnahmsweise mal Recht: Wir kennen diese Katzen nicht. Warum sollten wir ihnen helfen? Rost wird uns auch angreifen, wenn sie das herausfindet. Und ich kann nicht das Leben dieser Gruppe für irgendwelche wildfremden Katzen auf Spiel setzen, ich hoffe, du verstehst das. Und was Rosts Gehabe um den Kiefernwald angeht: Ich bin zwar auch deiner Meinung, dass es nicht richtig ist, dass er Rosts Eigentum ist, aber was haben wir mit dem Kiefernwald zu tun? Wir jagen doch eh nur auf dem Moor, also kann es uns egal sein. Das Wohl der Gruppe geht vor, Cas. Ich hoffe, du kannst verstehen, dass ich nicht unser Leben für das der Talkatzen riskieren kann. Und tu bitte nichts, was uns in Gefahr bringen könnte. Dafür wäre ich dir sehr dankbar.“ Schrei sah sie bedauernd an. Cas ließ enttäuscht den Kopf hängen. Warum versteht keine Katze mich? Erst werde ich von Kralle angegriffen, dann bekomme ich eine Abfuhr von Rost und jetzt das. Schrei sah sie mitleidig an. „Ich verstehe dein Anliegen, und ich weiß, dass du diesen Katzen gerne helfen würdest. Und glaub mir, wenn ich könnte, würde ich das auch tun. Aber manchmal im Leben muss man Entscheidungen fällen, und in diesem Fall muss ich mich leider für die Gruppe entscheiden, die ich führen und beschützen muss.“ erklärte die schwarze Kätzin. Cas konnte sie gut verstehen und wusste auch, dass es für Schrei die einzig logische Entscheidung war, aber der Gedanke, der Gruppe zu helfen und sie zu retten ließ Cas trotzdem nicht los. Sie hatte auch keine Lust, Schrei vom Gegenteil zu überzeugen, also nickte sie nur und tappte dann lustlos zum Frischbeutehaufen, um Schmetterling und sich einen Hasen zu holen. Die Schildpattkätzin hatte sich in der Sonne ausgestreckt und sah erfreut auf, als Cas mit dem Hasen ankam. „Danke!“ schnurrte sie, als Cas das Hinterteil vor ihr ablegte und selbst begann, lustlos am Vorderteil des Hasen herum zu knabbern. Schmetterling merkte sofort, das mit ihrer Freundin etwas nicht stimmte. „Was ist los, Cas?“ fragte sie besorgt. Cas seufzte. Sie konnte ihrer Freundin nichts vorspielen, dafür kannte Schmetterling sie viel zu gut. Also erzählte sie ihr die ganze Geschichte mit Rost und das Schrei den Talkatzen nicht helfen wollte, weil sie um keinen Preis mit in diese Sache hineingezogen werden wollte. „Man könnte sie doch wenigstens warnen, oder?“ fragte Cas und hoffte, wenigstens bei Schmetterling auf Zustimmung zu treffen. Die Kätzin nickte nachdenklich. „Stimmt schon, aber was, wenn Rost das herausfindet? Sie würde uns angreifen!“ Schmetterling sah mit einem sorgenvollen Blick auf Hummel und Schnee, die mit ihrem Vater Wolke auf der anderen Seite des Lagers die ersten Jagdtechniken übten. Natürlich macht sie sich Sorgen um ihre Jungen und ihren Gefährten, aber wie sollte Rost denn herausfinden, dass sie es verraten hatten? Im nächsten Moment fiel ihr ein: Ich bin wahrscheinlich die einzige Katze außerhalb von Rosts Gruppe, die von der geplanten Vertreibung der Talkatzen weiß! Cas schnappte erschrocken nach Luft. Ich bringe wirklich alle in Gefahr… Schmetterling sah sie tröstend an, als hätte sie Cas‘ Gedanken gelesen. „Es ist nicht deine Schuld, Cas. Du wolltest Rost nur ein freundliches Angebot machen. Wenn sie es nicht annimmt, ist es nicht dein Problem.“ Cas nickte dankbar. „Wahrscheinlich hast du Recht. Ich sollte mir nicht zu sehr den Kopf darüber zerbrechen, das macht es nicht besser.“ Aber insgeheim wusste Cas, dass sie nie wieder glücklich sein könnte, wenn sie tatenlos rumstand und zusah, wie die Talkatzen vertrieben wurden. Sie seufzte. Was wollte sie eigentlich? Sie konnte sich ja selbst nicht entscheiden.

 

6. Kapitel

FALLENDER BAUM LAG neben Laufendes Reh und teilte sich einen Star aus dem Wald mit ihr. Sie hatte sich sehr nah zu ihm gelegt, und Fallender Baums Pelz glühte vor Aufregung. Er plante schon länger, sie zu Fragen, ob sie vielleicht seine Gefährtin werden wollte. Er war kurz davor, tatsächlich die Frage zu stellen, als sie ihm mit etwas anderem zuvorkam: „Ich wollte deine Meinung zu einem Thema hören, was mich schon länger beschäftigt. Genauer gesagt, seit ich meine Mutter getroffen habe.“ Fallender Baum sah sie interessiert an, war aber insgeheim ein bisschen enttäuscht, dass er schon wieder nicht dazu gekommen war, sie zu fragen. „Ich höre zu.“ versicherte er ihr. Laufendes Reh seufzte erleichtert, dann begann sie: „Also, wie du ja weißt, habe ich mich in letzter Zeit ein paar Mal mit Feuerschein getroffen, und sie hat mir Geschichten über meine Vergangenheit erzählt, und von meinem Vater. Und ich würde gern mehr Zeit mit ihr verbringen, denn ich habe sie nie richtig gekannt. Klar, als ich noch ganz klein war, aber daran kann ich mich kaum erinnern. Sie hat die prägenden Phasen meines Lebens verpasst, und ich möchte, dass sie wenigstens noch den Rest mitbekommt.“ Sie sah ihn unsicher an. Fallender Baum schwante nichts Gutes. Das kann sie doch nicht machen! Nein, bestimmt meint sie etwas anderes. schlug er sich den schrecklichen Gedanken aus dem Kopf. „Du musst verstehen, dass ich gerade jetzt viel Zeit mit ihr verbringen möchte. Und deshalb…“ sie zögerte und sah Fallender Baum entschuldigend an „…möchte ich vielleicht mit Schwinge des Adlers zu Maus‘ Gruppe gehen.“ endete sie und wartete unsicher Fallender Baums Reaktion ab. Fallender Baum riss erschrocken die Augen auf. Also doch! dachte er verzweifelt. Sie darf nicht gehen! Ich liebe sie doch! „Laufendes Reh…“ setzte er an. „…unsere Gruppe braucht dich! Wieso kommt Feuerschein nicht hier her?“ Er wusste, dass dieses Argument sehr egoistisch klang, aber was sollte er sonst tun? Er konnte nicht einfach tatenlos zusehen, wie sie wegen einer einzigen Katze die Gruppe verließ! Laufendes Reh schüttelte den Kopf. „Nein, außer Schwinge des Adlers braucht mich hier niemand. Ihr seid genug Jäger, um euch im Überfluss zu ernähren. Sie sind das nicht. Im Wald leben viele Streuner, die Maus‘ Gruppe die Beute streitig machen. Ich könnte für sie jagen, so wie Schwinge des Adlers, wenn er alt genug ist. Und noch dazu wäre ich bei meiner richtigen Mutter. Fallender Baum, meine Familie ist dort! Hier sind zwar meine Gefährten, aber ich glaube nicht, dass jemand mich so schrecklich vermissen würde.“ Traurig ließ Laufendes Reh den Kopf hängen. Fallender Baum brach es das Herz, die Kätzin so unglücklich und gebrochen zu sehen. „Doch,“ miaute er schließlich, weil er es nicht mehr aushalten konnte. „Ich werde dich schrecklich vermissen!“ Im selben Moment bereute er es auch schon. Jetzt denkt sie bestimmt, ich bin verrückt! Hatte er damit indirekt „Ich liebe dich“ gesagt? Laufendes Reh sah ihn aus ihren großen, bernsteinfarbenen Augen an. „Wirklich?“ Jetzt konnte Fallender Baum auch nicht mehr zurückziehen, und bestätigte: „Wirklich.“ Er hoffte, dass sie es als Botschaft der Freundschaft verstand. „Ich werde dich auch sehr vermissen, Fallender Baum, aber mein Platz ist nun einmal an der Seite meiner Familie. Ich hoffe, du kannst das verstehen. Fallender Baum startete einen letzten, verzweifelten Versuch, die Kätzin von ihrem Plan abzubringen. „Aber was, wenn Maus dich verjagt?“ Laufendes Reh schüttelte den Kopf. „Maus hat bereits zugestimmt, dass ich und Schwinge des Adlers der Gruppe beitreten. Zwei zusätzliche Jäger kommen ihm nur recht.“ Fallender Baum seufzte schwer. Er konnte es nicht verhindern, Laufendes Reh musste ihren Platz anderswo finden. Er musste sie gehen lassen, aus Liebe zu ihr. Wenigstens das munterte ihn ein wenig auf. Laufendes Reh erhob sich. „Es tut mir leid, Fallender Baum. Wir hätten vielleicht noch eine schöne Zukunft haben können, aber mein Platz ist im Wald, bei meiner Mutter. Ich werde nun mit Weißer Flug darüber reden.“ Ihr Blick brachte Fallender Baums Herz mal wieder zum Zerbersten. Warum musste Laufendes Reh auch ausgerechnet hier ihre verlorene Mutter finden? Auf einmal verspürte Fallender Baum eine ungemeine Wut auf Feuerschein, die meinte, einfach so eine Kätzin und ihren Sohn für sich einnehmen zu können. Fallender Baum erhob sich ebenfalls. Er musste sich jetzt abregen, und das konnte er am besten auf der Jagd. Also verließ er das Lager und betrat das weite, unberührte Moor. Hier fühlte er sich so zuhause wie lange nicht an einem Ort. Sein letztes richtiges Zuhause war das Tal gewesen, und dadurch hatte er letztendlich alles verloren, was ihm je etwas bedeutet hatte: Seine Mutter, seine Schwester, und schließlich auch noch seine große Liebe, und alles nur weil es im Tal nicht genug Beute gegeben hatte. Das Tal hatte ihm alles Wichtige genommen, sogar zu seinem besten Freund Stürzende Klippe hatte er vorher einen besseren Draht gehabt als jetzt. Die Kraft der Wut durchströmte Fallender Baum und ließ ihn schneller über das Moorland rennen. Warum musste alles so ungerecht sein? Wieso durfte er nicht einmal in seinem Leben etwas behalten, was ihm wichtig war? Er verlangsamte seine Schritte und konnte in der Senke drüben Schreis Lager erkennen. Aber das war nicht sein Ziel. Er sah ein Kaninchen zwischen einigen Sträuchern hocken. Er konnte sich wieder einigermaßen konzentrieren, also sprintete er los. Das Tier bemerkte ihn zu spät und hatte nicht einmal mehr Zeit für einen Hilferuf, bevor sich Fallender Baums Fangzähne in seine Haut bohrten. Befriedigt hob Fallender Baum seine Beute hoch und wollte mit seinem Fang zum Lager zurückkehren. Er fühlte sich nun in der Lage dazu, Laufendes Reh wieder in die Augen zu sehen. Doch da vernahm er eine Bewegung zwischen den Ginsterbüschen. Fallender Baum fuhr alarmiert herum. Eine hellbraune Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen trat aus dem Gebüsch. Fallender Baum ging einen Schritt zurück und stellte sich über seine Beute, damit sie nicht geklaut werden würde. Misstrauisch sah er die Kätzin an. „Keine Angst, ich zerfetze dir schon nicht den Pelz.“ miaute sie. „Im Gegenteil, ich bin gekommen, um dich zu warnen. Aber du musst mir versprechen, dass niemand anderes außer deiner Gruppe davon erfährt. Sonst sind wir tot!“ die Kätzin sah sich prüfend um. „Ich komme aus Schreis Gruppe. Mein Name ist Cas.“ Fallender Baum neigte höflich den Kopf vor Cas. „Sei gegrüßt, Cas. Ich heiße Fallender Baum und komme von den Talkatzen.“ „Weiß ich.“ Die Kätzin schnippte mit dem Schwanz. „Ich möchte euch vor Rost warnen. Wehe, irgendetwas kommt ihr zu Ohren, kapiert? Sonst sind wir alle tot.“ Cas sah ihn eindringlich an. Fallender Baum nickte. „Versprochen. Aber… wer ist Rost? Ist das die Kätzin, die uns so feindselig begrüßt hat, als wir bei euch waren?“ Cas nickte düster, und ein Schatten schien über den Augen der Katze zu hängen. „Kurz nachdem ihr da wart, hat sie die Gruppe verlassen und gesagt, wenn wir es nicht täten, dann würde sie euch eben vertreiben. Keine Katze hat geglaubt, dass sie es wirklich ernst meinte, aber glaub mir, sie tut es. Ich habe sie im Kiefernwald aufgesucht, und sie hat mich eiskalt abgewiesen und gesagt, der Kiefernwald gehöre jetzt ihr und ihrer Gruppe. Sie hat wohl einige Streuner um sich gesammelt. Sie markieren dort richtig Grenzen und so, und Rost sagte, wenn sich noch einmal jemand von uns dort blicken lässt, ziehen ihre Katzen uns das Fell über die Ohren. Ich habe es Schrei gesagt und ihr vorgeschlagen, euch zu helfen. Aber sie wollte die Gruppe da nicht mit reinziehen, was ich voll verstehen kann. Aber ich konnte es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, euch nicht wenigstens gewarnt zu haben.“ Fallender Baum wusste nicht genau, was er darüber denken sollte. War diese Rost wirklich so gefährlich, wie Cas glaubte? „Ich werde mit Weißer Flug darüber sprechen.“ entschied er sich schließlich und neigte den Kopf vor Cas. „Danke für die Informationen. Leb wohl, Cas.“ Cas nickte ihm zum Abschied zu, dann gingen sie beide ihre Wege. Fallender Baum kam mit dem Kaninchen im Lager an und legte es in der Mitte ab. Verstohlen sah er sich nach Laufendes Reh um. Sie lag mit Schwinge des Adlers vor ihrem Bau und genoss die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Vielleicht überlegt sie es sich ja doch noch einmal anders? Hoffnung flackerte in Fallender Baum auf. Wo er sie so da liegen sah, konnte man fast meinen, sie würde hierbleiben. Fallender Baum schüttelte den Kopf und fokussierte sich auf Weißer Flugs Bau. Er hatte jetzt wichtigere Dinge zu tun. Fallender Baum tappte zum Bau hinüber. „Weißer Flug? Bist du da?“ rief er durch den Eingang des hohlen Baumstumpfs. „Tritt nur ein, Fallender Baum.“ lud Weißer Flugs warme Stimme ihn ein. Fallender Baum betrat den Bau und wurde in schummriges Licht getaucht. Weißer Flug saß aufrecht in seinem Nest. „Was gibt es, Fallender Baum?“ fragte der weiße Kater freundlich. Fallender Baum begann von Cas und ihren Vermutungen zu erzählen. Weißer Flug hörte bis zum Ende aufmerksam zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als Fallender Bau geendet hatte, erhob Weißer Flug die Stimme. „Fallender Baum, ich weiß, du willst der Gruppe nur helfen. Aber glaubst du, dass man dieser Cas vertrauen kann? Was, wenn sie dir Lügen erzählt hat, um unsere Gruppe in Aufruhr zu bringen? Wenn es einen Angriff gibt, sind wir bereit. Aber ich denke nicht, dass wir wegen der Geschichte einer fremden Katze etwas an unserem bisherigen Leben ändern sollten. Ich hoffe, du kannst mich verstehen.“ Fallender Baum nickte ehrerbietig. „Natürlich, Weißer Flug. So ähnlich habe ich auch gedacht. Ich dachte nur, dass ich es dir wenigstens mitteilen sollte.“ Weißer Flug neigte den Kopf. „Das ist gut, Fallender Baum. Du solltest jetzt gehen und noch deine restliche Zeit mit Laufendes Reh verbringen. Sie wird uns morgen gemeinsam mit ihrem Sohn verlassen.“ Ein Stein schien auf Fallender Baums Herz zu lasten. Sie hatte es also tatsächlich getan. „Ja, das mache ich. Vielen Dank, Weißer Flug.“ Fallender Baum tappte aus dem Bau und lief zu Laufendes Reh, die vor dem Brombeergeflecht lag. Ihre Miene wurde besorgt, als sie ihn kommen sah. „Fallender Baum…es tut mir so leid! Aber…“ versuchte sie sich zu erklären. Fallender Baum schüttelte den Kopf. „Schon gut. Du musst dich nicht dafür rechtfertigen, bei deiner Familie wohnen zu wollen. Du gehst deinen Weg, ich meinen.“ Sie neigte den Kopf. „Vielleicht können wir uns mal treffen?“ fragte sie und ihre Stimme klang hoffnungsvoll. Fallender Baum nickte. „Ich hoffe, du vergisst mich nicht.“ Schnurrte er. „Niemals.“ Flüsterte sie. Ich dich auch nicht. Ich werde immer auf dich warten. Egal, wie lange es dauern mag.

 

7. Kapitel

CAS TAPPTE WÜTEND über das Moor. Diese Talkatze hatte ihr ganz sicher nicht geglaubt, sie hatte es in seinen Augen gesehen. Warum glaubt mir niemand? Ist es wegen meiner Vergangenheit? Cas wurde traurig, als sie sich an die Zeit erinnerte, wo sie noch ein Junges gewesen war. Andere konnten schöne Erinnerungen an ihre Jungenzeit mit anderen teilen, wie sie sich an den Bauch ihrer Mutter gekuschelt hatten, wie sie mit ihren Geschwistern gespielt hatten oder mit ihrem Vater die ersten Jagdtechniken geübt hatten. Cas hatte nichts von alldem erlebt. Ihre richtige Mutter hatte sie, ihr einziges Junges, zu ihrem Vater, einem Streuner namens Ranke, gegeben, weil Zweibeiner den Kätzinnen ihre Jungen wegnehmen. Klar, ihre Mutter wollte Cas nur vor ihrem Schicksal bewahren, aber heute dachte sich Cas manchmal, dass das, was sie damals erlebt hatte, ein noch schlimmeres Schicksal gewesen war. Ranke hatte nämlich „keine Zeit für eine nervige, kleine Fellkugel“ gehabt. Also hatte er die kleine Cas, die erst einen halben Mond alt gewesen war, vor dem nächstbesten Zweibeinerbau abgesetzt. Die Zweibeiner fanden sie und päppelten sie auf. Damals war dann wieder alles gut. Doch irgendwann, als Cas kein kleines Junges mehr war, verloren sie mehr und mehr das Intresse an ihr. Es fing damit an, dass sie manchmal vergaßen, ihr das Futter zu geben, sie abends nicht mehr zum kuscheln in ihr Nest ließen oder die kleine Klappe im Baueingang nicht mehr für sie öffneten. Irgendwann spielten sie dann nicht mehr mit ihr, und ihre Jungen waren gemein zu Cas. Sie zogen ihr am Schwanz, hoben sie hoch und jagten sie sogar! Aber wenn Cas sich dann wehrte, brüllten sie los, und ihre Hausleute kamen, um Cas zu rügen. Irgendwann, sie war seit zwei Blattwechseln bei den Zweibeinern, hielt Cas es nicht mehr aus. Sie verschwand von ihren Hausleuten und lebte eine Zeit als Streunerin im Zweibeinerort. Sie traf einen Kater namens Tatze und verliebte sich unsterblich in ihn. Schon bald bekam sie seine Jungen, es waren zwei, eine Kätzin und ein Kater. Die Kätzin hieß Mal und der Kater Socke. Sie hatte die beiden auf einem alten Zweibeinerhof gemeinsam mit Tatze aufgezogen. Doch schon bald, die Jungen waren zwei Monde alt, lief nicht mehr genug Beute am Zweibeinerhof. Also wollten sie den Donnerweg überqueren, um im Wald zu leben, wo es genug Beute gab. Cas lief mit Socke als erstes, und die beiden kamen unbeschadet auf der anderen Seite an. Dann sah Tatze mit Mal im Maul sich um. Es schien kein Monster zu kommen, und er rannte los. Plötzlich schoss jedoch ein Monster mit ungemeiner Geschwindigkeit um die Ecke, und Tatze hatte nicht mehr genug Zeit, umzukehren. Er schleuderte Mal in einem letzten Verzweiflungsschrei hinüber auf die andere Seite zu Cas, dann wurde er vom Monster erfasst. Von diesem Tag an konnte Cas den Jungen nicht mehr in die Augen sehen. Sie erinnerten sie zu sehr an Tatze. Also gab sie die kleinen an Kirsche, eine Kätzin, die ihr Junges gerade verloren hatte und noch Milch hatte. Cas musste ein neues Leben anfangen, und dann hatte sie Schreis Gruppe entdeckt. Von da an lebte sie hier. Es war keine schöne Geschichte, an die sich Cas gerne erinnerte. Es war eigentlich eher das Gegenteil davon. Cas seufzte tief. Man durfte nicht immer in der Vergangenheit schweben. Das Leben spielte sich in der Gegenwart ab, im hier und jetzt. Cas hatte gar nicht bemerkt, dass sie sich gerade am Waldrand befand. Genau hier hatte sie damals auch mit Mal und Socke gestanden. Eine weitere Welle der Trauer bahnte sich an, doch Cas schluckte sie runter. Sie musste stark sein. Etwas raschelte im Gebüsch. Cas fuhr herum. Haben Maus' Katzen mich entdeckt? Kampfbereit fuhr sie die Krallen aus. Aus dem Gebüsch trat ein dunkelbraun getigerter Kater mit stechend grünen Augen. "Hallo." der Kater neigte höflich den Kopf, und Cas' Nackenfell glättete sich wieder, auch wenn sie immer noch Sicherheitsabstand hielt. Der Kater schien freundlich zu sein. "Mein Name ist Moos. Und wer bist du?" Cas war für einen Moment unfähig, zu antworten. Diese tiefen, grünen Augen... man konnte sich in ihnen verlieren. "Äh... Cas... Ich komme vom Moorland, aus Schreis Gruppe..." stotterte sie. Das war unfair! Wie konnte eine Katze eine andere so sehr aus der Fassung bringen? Moos schien zu lächeln. "Hallo Cas. Wie du siehst, wohne ich hier am Waldrand. Das ist der einzige Teil, den Maus uns von seinem Territorium übrig lässt." Sein grüner Blick wurde traurig. Cas sah ihn mitleidig an, dann empörte sie sich: "Aber es gibt doch genug Beute für alle, vor allem im Wald! Wieso ist Maus nur so gierig nach Territorium und Beute?" Moos schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht. Aber gegen sie kommen wir Streuner nicht an, also müssen wir uns ihren Regeln anpassen, oder sie verjagen uns." Cas hätte sich noch stundenlang mit Moos unterhalten können, aber sie musste jetzt los, sonst würde Schrei misstrauisch werden. "Ich muss jetzt gehen." miaute sie. Moos fragte hoffnungsvoll: "Sehen wir uns morgen wieder?" Cas schnurrte: "Gerne! Wir können uns bei Sonnenaufgang an der Senke mit den vier Felsen treffen!" Moos nickte erfreut, und dann verschwanden sie beide in entgegengesetzte Richtungen. Cas lief beflügelt über das weite Moorland. Moos war echt nett... und sie musste zugeben, dass er auch ziemlich gut aussah. Und seine Augen... Sie schüttelte den Kopf. Nach Tatzes Tod hatte sie sich geschworen, sich nie wieder zu verlieben. Das durfte nicht passieren, es brachte nur Unglück. Sie würde sich mit Moos treffen, aber auf freundschaftlicher Basis. Warum muss alles immer so kompliziert sein?

8. Kapitel

(Es ist der Tag, an dem Laufendes Reh weggeht) FALLENDER BAUM STAND zwischen Bäumen an einem Waldrand. Er kannte diesen Ort ganz genau. Es war das alte Territorium seines Stammes gewesen. Gemischte Gefühle regten sich in ihm. Dieser Ort war der Ort, wo er geboren war. In seinem tiefsten Inneren würde er immer hierher gehören. Der Ort hatte ihm aber auch Leid, Verderben und sogar den Verlust von Katzen, die ihm wichtig waren, gebracht. Fallender Baum hielt es für ganz normal, dass er von diesem Ort träumte. Er vermisste ihn schließlich, auch wenn er wusste, dass es ihm in dem neuen Territorium besser ging. Er trabte in den Wald des Tals hinein, er kannte den Weg zum Lager wie seine eigenen Schnurrhaare. Er musste unbedingt sehen, wie es Springender Funke und Flügel des Sperlings ging. Fallender Baum konnte in der Ferne den Eingang zum Brombeergestrüpp sehen und rannte schneller, bis er ihn erreicht hatte. Der Kater betrat vorsichtig das Lager und stellte fest, dass die Katzen ihn nicht sehen konnten und auch nicht fühlen, hören oder riechen konnten, denn als er direkt durch Kralle der Brombeere, einem sehr jungen Kater, der im Eingang stand, hindurchstolperte, zuckte der nicht mal mit dem Ohr. Erleichtert setzte Fallender Baum seinen Weg durchs Lager fort. Er sah Glanz des Wassers mit drei neugeborenen Jungen, die vor seinem Aufbruch noch nicht da gewesen waren. Endlich hat sie die Jungen von Stachel der Diestel zur Welt gebracht! dachte er froh. Der schwarze Kater saß etwas abseits von Glanz des Wassers und teilte sich eine Maus mit Rinde der Eiche, sah aber immer wieder zu ihr herüber. Er ist bestimmt ein toller Vater! Dann sah er auf Rinde der Eiche. Er war der ehemalige Gefährte von Laufendes Reh und der Vater von Schwinge des Adlers. Fallender Baums Blick verdüsterte sich. Er hatte Laufendes Reh und seinen eigenen Sohn einfach ihrem Schicksal überlassen! Ein tiefes knurren grollte in Fallender Baums Kehle auf, und er wollte sich wütend auf den dunkelbraun getigerten Kater stürzen, bis er merkte, dass das nichts nützen würde. Rinde der Eiche konnte ihn ja gar nicht wahrnehmen! Sturm der Wolken und Sandfell, zwei Älteste, saßen unter dem Farn. Blatt des Ahorns stieß mit einem Eichhörnchen zu den dreien. Wurde auch Zeit, dass er sich endlich in den Ruhestand begibt! Es freute Fallender Baum, zu sehen, dass alle wieder genug Beute hatten, wo weniger Mäuler zu stopfen waren. Aber wo ist Gefrorener Teich? Sollte sie nicht bei den Ältesten sitzen? Er sah sich im Lager um und suchte nach der tauben, weißen Kätzin mit den blauen Augen, doch er konnte die Älteste nirgendwo entdecken. Trauer überkam ihn. Sie war wohl zu alt... Er erinnerte sich daran, wie die gebrechliche Kätzin, die Aufgrund ihrer Taubheit früh in den Ältestenstand gegangen war, ihm und Springender Funke als kleine Jungen Geschichte für Geschichte erzählt hatte. Am liebsten hatte ihm die gefallen, wie sie eine Taktik entwickelt hatte, nur mit den Augen und dem Geruchssinn zu jagen. Das war zwar nicht so effektiv, weshalb Gefrorener Teich auch früh in den Ruhestand gegangen war, aber sie hatte es immerhin ab und an hinbekommen. Er hatte sie immer schon sehr dafür bewundert, dass sie trotz ihrer Taubheit von den Mundbewegungen einer Katze erkennen konnte, was diese miaute. In ihrer Gegenwart hatte man den Mund immer sehr deutlich bewegen müssen. Er war sehr traurig, dass die taube Kätzin nun anscheinend verstorben war. Er sah sich weiter um. Er konnte am Jägerbau Schatten des Reihers und Mottenschwinge erkennen. Und dann sah er im Dunkel der Blätter vom Busch, wo der Bau der Jäger lag, einen Orangeroten Pelz und grüne Augen aufblitzen. Springender Funke! Seine Schwester trat aus dem Schatten des Baus, gefolgt von Stich der Wespe, einem schwarzen Kater mit bernsteinfarbenen Augen. Springender Funken rieb sich glücklich an dem Kater, und fast hätte Fallender Baum mit geschnurrt. Endlich hat sie ihre Liebe gefunden! Ich wusste, dass aus den beiden mal was werden könnte! Fallender Baum fand es schön, seine Schwester so glücklich zu sehen. Jetzt musste er nur noch seine Mutter finden. Er lief zum Bau der Lagerwächter. Eigentlich müsste Flügel des Sperlings dort sein. Er betrat den Bau, doch dort lagen nur Kiefernschatten, Nebliger Morgen und Libellenflügel. Vielleicht ist sie draußen? Er wollte gerade das Lager verlassen und im Wald nachsehen, als er eine vertraute Stimme hinter sich hörte: "Schön, dass du hier bist, mein Sohn." Er drehte sich um und sah die hellbraun getigerte Kätzin mit leuchtend grünen Augen vor ihm stehen. Doch sie sah irgendwie anders aus. Sie schien zu schweben, und sie hatte Sterne im Fell. Und warum konnte sie ihn wahrnehmen? "Flügel des Sperlings?" fragte er unsicher. Flügel des Sperlings neigte den Kopf. "Wieso leuchtest du so? Du solltest bei den anderen sein!" Flügel des Sperling senkte den Kopf. "Es tut mir leid, dass du es auf diesem Wege erfahren musst, aber ich wurde von einem Fuchs getötet. Ich wandle nun bei den Ahnen, genau wie Gefrorener Teich, Glänzender Strahl und all die anderen Katzen, die bereits ihr Leben ließen." Sie sah Fallender Baum aus warmen Augen an. Der Kater starrte ungläubig zurück. Sie konnte doch nicht... tot sein! Sie hatte so viel für ihn getan, aber er hatte sie alleine gelassen und jetzt war sie tot! Vor Scham senkte Fallender Baum den Kopf. "Es...es tut mir so leid...ich hätte dich nie alleine lassen dürfen!" Der Schmerz schien sein Herz zu zerreißen. Flügel des Sperlings schüttelte den Kopf. "Es ist nicht deine Schuld, Fallender Baum. Es war deine Bestimmung, zu dem neuen Ort zu gehen. Ich werde über dich wachen, mein tapferer Sohn. Du wirst eine Katze werden wie keine andere. Dafür musst du aber deinem Herzen folgen. Folge deinem Herzen, Fallender Baum. Folge deinem Herzen!" Ihre Gestalt verblasste und Fallender Baum schreckte in seinem Nest hoch. Folge deinem Herzen... Was wollte sein Herz? Es wollte mit Laufendes Reh zusammen sein. Aber das war unmöglich, denn sie verließ die Gruppe. Es sei denn... Nein! schlug er sich den Gedanken aus dem Kopf. Ich gehöre hierher! Ich kann die Katzen, mit denen ich gekommen bin, doch nicht für eine unerwiderte Liebe fallen lassen! Unglücklich erhob Fallender Baum sich und tappte aus dem Bau der Jäger hinaus ins Lager. Dort sah er Laufendes Reh und Schwinge des Adlers am Lagereingang stehen, umringt von allen übrigen Katzen. Sein Herz wurde schwer. Warum mussten alle, die er liebte, gehen? War das eine Strafe? Was hatte er denn in seinem Leben falsch gemacht? Er tappte schweren Herzens zu der Katzenmenge hinüber, die sofort Platz machten, als er kam. Laufendes Reh drehte sich zu ihm um und sah ihn aus traurigen, bernsteinfarbenen Augen an. "Laufendes Reh..." flüsterte er. Die Kätzin lief zu ihm und rieb ihren Kopf an seinem Brustfell. "Ich werde dich vermissen..." murmelte sie. "Ich dich auch." Es war das einzige, was Fallender Baum in dem Moment einfiel. Es hatte ihm wohl die Sprache verschlagen. Vielleicht war es ja auch besser so. Die anderen verabschiedeten sich auch von Laufendes Reh, dann verließ sie mit Schwinge des Adlers das Lager. Fallender Baum sah ihr lange hinterher und dachte über seinen Traum nach. Wie soll ich meinem Herzen folgen, wenn ich nicht einmal weiß, was mein Herz will?

9. Kapitel

(Es ist der Tag, an dem Laufendes Reh weggeht.) WIRBELSTURM BLINZELTE MÜDE ins Sonnenlicht, was durch die ersten dichten Laubblätter der Blattfrische ins Lager zwischen den Brombeersträuchern fiel. Es waren die ersten Sonnenstrahlen an diesem Tag und Wirbelsturm war gerade erst wach geworden. Nun hatte die Blattleere fast komplett für die Blattfrische Platz gemacht. Er blickte sich im Baumstumpf um. Neben ihm lag die schlafende Brise, ihr weiches, hellgraues Fell dicht an ihn gedrückt. Sie hatte ihren Körper um die kleine, hellgrau getigerte Wunderblüte geschlungen, die nun seit genau einem halben Mond auf der Welt war und bereits sehr früh ihre Augen geöffnet hatte. Mit einem Liebevollen Blick sah Wirbelsturm auf die beiden schlafenden Gestalten hinab. Er liebte sie beide so sehr. Und Wunderblüte war eine so aufgeweckte kleine Kätzin. Sie liebte es, wenn Wirbelsturm ihr Geschichten aus seiner Streunerzeit erzählte. Am liebsten mochte sie die, wie er die damals noch kleine Brise vor einem Dachs gerettet hatte und sie sich so kennengelernt hatten. Brise hatte ihn mit ins Lager genommen, und nach langem überlegen hatte Maus ihn zur Belohnung in die Gruppe aufgenommen. Wirbelsturm musste schnurren, wenn er sich an diese Geschichte erinnerte. Er hatte dadurch immerhin die wichtigste Katze in seinem Leben getroffen. Irgendwie war er dem Dachs von damals auch dankbar. Ohne ihn hätte er Brise niemals kennengelernt. Wunderblüte bewegte sich am Bauch ihrer Mutter. War sie etwa schon wach? "Wirbelsturm?" maunzte ihr zartes Stimmchen. Wirbelsturm erhob sich und flüsterte: "Weck deine Mutter nicht, kleines." Er leckte ihr übers Ohr. "Wenn du sowieso schon wach bist, können wir schauen, ob wir Blüte beim Kräuter sortieren helfen können." Er lief mit der kleinen Kätzin durch die Morgendämmerung und den Tau auf den Gräsern zu dem Brombeergeflecht, in dem Blüte einige Heilkräuter aufbewahrte. Sie hatte sich in diesem Punkt nun mehr organisiert. Wunderblüte lief aufgeregt voraus und platzte in Blütes Bau hinein. "Hallo Blüte!" maunzte sie fröhlich. "Können wir dir helfen?" Wirbelsturm hörte Blütes belustigtes schnurren, noch bevor er den Bau betrat. "Aber gerne! Hilfe ist immer willkommen!" Wirbelsturm stellte sich in den Eingang und beobachtete liebevoll seine Tochter, wie sie etwas ungeschickt Huflattichblätter und Borretschblätter trennte. Mit einer Engelsgeduld erklärte Blüte ihr die Unterschiede und Wirkungen der Pflanzen und wo man sie fand. Wenn mal ein Blatt auf den falschen Haufen rutschte, schob sie es unbemerkt auf den richtigen. Blüte wäre echt eine tolle Mutter für Rotpelz' Junge. Jede Katze weiß, dass er bis über beide Ohren in sie verliebt ist. Schade nur, dass sie sich lieber aufs heilen konzentrieren möchte. Obwohl, ohne sie hätte meine Tochter nicht überlebt. Vielleicht war es doch gar nicht so schlecht, dass Blüte lieber heilte. Er sah ihnen noch eine Weile zu, bis plötzlich Maus' kräftiges miauen durch das Lager schallte: "Ich möchte, dass sich alle Katzen versammeln! Ich habe eine Ankündigung zu machen!" Blüte begleitete Wunderblüte zum Bauausgang und übergab die aufgeregte Kätzin dann an Wirbelsturm. "Eine Versammlung!" maunzte sie aufgeregt. Wirbelsturm schnurrte liebevoll. Man konnte die kleine so schnell begeistern! Brise war auf der anderen Seite des Lagers aus dem Baumstumpf gekommen und setzte sich neben ihn und Wunderblüte. "Was die Versammlung wohl zu bedeuten hat?" fragte seine Gefährtin ihn. Wirbelsturm zuckte unschlüssig mit den Ohren. "Ich weiß es nicht." Brise zog Wunderblüte mit dem Schwanz an sich, dann lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf Maus, der nun auf einen flachen Stein gesprungen war und um Ruhe bat. Neben ihm saßen eine rotbraune Kätzin mit bernsteinfarbenen Augen und ein dunkelbraun getigerter Kater, der noch ziemlich jung zu sein schien. Neugierig sah Wirbelsturm die beiden an. Ist das etwa Feuerscheins Tochter und ihr Sohn? Maus und Feuerschein hatten davon erzählt, dass die beiden vielleicht in die Gruppe kommen würden. "Ruhe!" Maus erhob sich und sah seine Katzen eindringlich aus seinen blauen Augen an. Alle verstummten sofort. "Ich freue mich, zwei neue Gruppenmitglieder willkommen zu heißen. Es sind Laufendes Reh- auch bekannt unter dem Namen Reh-, Feuerscheins lange verschollene Tochter" er deutete auf die rotbraune Kätzin "und ihr Sohn, Schwinge des Adlers, ein kräftiger, junger Kater, der nur darauf wartet, ausgebildet zu werden. Sie werden der Gruppe mit Sicherheit eine große Bereicherung sein. Ich möchte Außerdem, dass ihr sie freundlich und unvoreingenommen aufnehmt und entsprechend behandelt, ist das klar?" Maus ließ seinen festen, blauen Blick prüfend über seine Katzen schweifen, unter denen sich nun zustimmendes jaulen erhob. Wirbelsturm jaulte kräftig mit. Er gönnte es Feuerschein, nun endlich mit ihrer Tochter vereint zu sein. Laufendes Reh erhob derweil ihre Stimme. "Danke, Maus. Wir wissen deine freundliche Aufnahme zu schätzen." Als Maus den Katzen zunickte und vom Stein sprang, ringten sich sofort alle um die Neuankömmlinge. "Wie war es, im Tal zu leben?" "Warum musstet ihr gehen?" "Wo ist der Vater von Schwinge des Adlers?" "War eure Reise anstrengend?" Sie wurden regelrecht mit Fragen zugeschüttet. Wirbelsturm hielt sich zurück, weil er wusste, dass die ganze Fragerei anstrengend für Laufendes Reh sein musste. Doch die Kätzin ließ alles geduldig über sich ergehen und beantwortete jede Frage. Nachdem sich der Tumult um sie gelöst hatte, gab sich Laufendes Reh mit ihrer neu gewonnenen Mutter Feuerschein die Zunge. Irgendwann stieß auch noch Rotpelz, Feuerscheins Bruder, hinzu und Schwinge des Adlers saß gelangweilt daneben. Wirbelsturm beschloss, jagen zu gehen, aber nicht alleine. Dann kam ihm eine Idee: er könnte Schwinge des Adlers mitnehmen und ihm ein paar Jagdtricks sowie das Territorium zu zeigen. Es war immerhin spannender für eine junge Katze wie ihn, als den älteren Katzen bei ihren Gesprächen zu lauschen. Wirbelsturm tappte zu den vier Katzen. "Hallo, mein Name ist Wirbelsturm, willkommen in unserer Gruppe!" wandte er sich an Laufendes Reh. Die Kätzin neigte den Kopf: "Vielen Dank, Wirbelsturm. Ich bin Laufendes Reh, aber das weißt du wahrscheinlich schon." miaute sie freundlich. Mit ihr kann man klarkommen. Sie ist sehr sympathisch! "Ich wollte jagen gehen, und da fiel mir ein, dass ich Schwinge des Adlers vielleicht mitnehmen könnte, um ihm ein paar Jagdtricks und unser Territorium zu zeigen. Vorrausgesetzt natürlich, du erlaubst es." Schwinge des Adlers' Augen wurden groß. "Bitte Mama! Darf ich? Ich mache auch alles, was Wirbelsturm sagt! Komm schon, ich bin doch alt genug!" Laufendes Reh schnurrte belustigt. "Ja, du darfst. Aber benimm dich! Wir sind noch nicht lange hier, und ich möchte einen guten Eindruck machen." Schwinge des Adlers sprang auf, als hätte er noch nie etwas spannenderes getan. "Danke!" rief er. Wirbelsturm nickte Laufendes Reh zu, dann führte er Schwinge des Adler aus dem Lager. Er erinnert mich an Wunderblüte. Sie ist auch so aufgeweckt und neugierig. dachte er belustigt. "Folge mir." miaute Wirbelsturm leise, um keine Beute aufzuscheuchen. Zu seinem überraschen war der hibbelige Schwinge des Adlers ganz leise. Wirbelsturm zeigte ihm einige wichtige Teile des Waldes, zum Beispiel den Zweibeinerpfad oder die große Buche. Zwischendurch zeigte er ihm ein paar Lauertechniken. Dann kamen sie am Rand des Kiefernwalds an, einer der besten Plätze für die Jagd. Er blieb stehen und sagte zu Schwinge des Adlers: "So, jetzt prüfe die Luft, wie ich es dir gezeigt habe. Was kannst du riechen?" Schwinge des Adlers öffnete sein Maul und sog die harzigen Düfte ein. Wirbelsturm betrachtete die junge Katze. "Maus!" flüsterte Schwinge des Adlers. Wirbelsturm neigte anerkennend den Kopf. "Dann fang sie." wisperte er. Schwinge des Adlers ging in Kauerstellung und pirschte sich vorran zu dem Tier, was nichtsahnend zwischen den Kiefernwurzeln saß. Er dachte sogar daran, im Windschatten seiner Beute zu bleiben. Für eine Katze, die gerade sechs Monde alt ist, ist er ein sehr talentierter und aufmerksamer Jäger. Schwinge des Adlers sprang etwas zu früh ab, und so musste er seine Beute ein wenig verfolgen. Aber er fing die Maus schließlich doch und kehrte stolz zu Wirbelsturm zurück. "Guter Fang! Dein Absprung war etwas zu früh, aber daran kann man arbeiten." schnurrte Wirbelsturm ehrlich beeindruckt. Er wollte dem jungen Kater gerade zeigen, wie man den Absprung und die Flugbahn verlängern konnte, als es plötzlich zwischen den Kiefern raschelte. Wirbelsturm richtete sich auf. "Wer ist da?" Eine dunkelbraun getigerte Kätzin und ein brauner Kater kamen aus dem Schatten der Kiefern gesprungen. Die Kätzin fauchte: "Was macht ihr in Rosts Territorium? Hier sind Fremde nicht willkommen! Schon gar nicht, wenn sie jagen!" "Rosts Territorium?" Wirbelsturm baute sich vor der Kätzin auf. "Das hier ist Maus' Grenzgebiet! Wir dürfen hier jagen!" "Tja" spottete die Kätzin "Der Kiefernwald und seine Randgebiete gehören jetzt aber Rost. Tut mir leid für euch, wenn ihr das noch nicht wusstet. Wir lassen euch die Chance, zu gehen." wichtigtuerisch trat sie zur Seite und funkelte die beiden prüfend an. Wirbelsturm schüttelte sich verwirrt. "Aber... Das geht doch nicht! Ihr könnt doch nicht einfach Teile unseres Territoriums einnehmen! Das überleben der Gruppe..." Der Kater unterbrach ihn. "Wie du siehst, können wir das schon. Und jetzt verschwindet hier, oder müssen wir nachhelfen?" er zeigte seine Zähne. "Komm mit, Schwinge des Adlers. Wir gehen!" empört drehte Wirbelsturm den feindseligen Katzen den Rücken zu, Schwinge des Adlers folgte ihm. "Wir sollten das Maus erzählen." murmelte der Tigerkater. Wirbelsturm nickte grimmig. "Auf jeden Fall!" Was fällt diesen Katzen nur ein? Maus sagt, wenn wir nicht genug Territorium haben, wird das überleben schwer. Und ich will auf keinen Fall Brise oder Wunderblüte hungern sehen! Ach was, ich will keine Katze hungern sehen! Als sie zurück beim Lager waren, brüstete Schwinge des Adlers sich mit seiner Maus. Doch Wirbelsturm lief schnurrstracks zu Maus' Bau. Es ist wichtig, ihn zu informieren.

10. Kapitel

CAS LIEF UNGEDULDIG im Kreis. Sie wartete bei den vier Felsen auf Moos. Er sollte schon längst da sein! Sie plusterte ihr Fell auf, denn auch wenn nun die Blattfrische eintrat war es bei Sonnenaufgang doch noch ziemlich kühl. Sie bohrte ihre Krallen in den vom Tau aufgeweichten Boden und sah sich voller Ungeduld um. Da sprang der Kater endlich aus dem Gebüsch. Sein dunkelbraun getigertes Fell wurde von der Sonne reflektiert, und seine grünen Augen glänzten. Sie funkelte ihn neckisch an. "Wo warst du?" Moos kam schnurrend auf sie zu. "Ich wurde von Minzblatt und Scharfpfote, zwei Einzelläufern, aufgehalten. Sie berichteten mir, dass sie aufs Moor ziehen wollen, weil ihnen Maus' Grenzengehabe zu viel wird. Glaub mir, wenn das so weitergeht, gehe ich auch bald weg!" Moos rollte mit den Augen. Cas sah ihn mitleidig an. "So schlimm ist es schon?" Aber insgeheim fand sie den Gedanken, dass Moos in ihrer Nähe leben würde, gar nicht so schlecht. Vielleicht ist es doch nicht so falsch, sich zu verlieben. Aber ein Streuner? Sie sah Moos an und versank träumend in den grünen Tiefen seiner Augen. Er war freundlich, lustig und sah dazu noch gut aus. Was wollte man mehr? Da dachte Cas wieder an Tatze zurück. Ein rauchgrauer, fast schwarzer Kater mit weißen Pfoten und den schönsten blauen Augen des Waldes. Ihr Herz schmerzte. Wieso hatte ausgerechnet in dem Moment ein Monster kommen müssen? Wie es den Jungen wohl ging... Moos riss sie aus ihren Gedanken: "Komm, lass uns spazieren gehen." Sie liefen eine Weile durch den Wald, und Cas erzählte Moos mehr über Rost. Sie vertraute ihm, er würde schon nichts verraten. Und es machte Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Moos begleitete Cas noch bis zum Moor, dann verabschiedeten sie sich und verabredeten sich für den nächsten Sonnenaufgang am selben Ort. Cas lief zum Lager zurück. Der Rest des Tages verging nur schleppend, denn Cas konnte es kaum erwarten, Moos wiederzusehen. Am Abend schlief sie schließlich voller Vorfreude auf ihr morgiges Treffen mit ihm in ihrem Nest ein.

Cas erwachte auf einer Sternenhellen Wiese, die sie nicht kannte. Neugierig sah sie sich um und tappte über das weiche, moosige Gras. Sie wunderte sich, was das rote am Boden war. Dann erkannte sie und fuhr erschrocken zurück. Es war Blut! Der Boden war blutbedeckt! Panisch sah Cas sich um. Da erblickte sie einen aschgrauen Kater mit weißen Pfoten, strahlend blauen Augen und Sternen im Fell am Rand der Wiese. "Tatze?" fragte sie unsicher. Der Kater schien zu schweben, als er auf sie zu kam. "Das kann nicht sein! Du bist doch tot!" verwirrt sah Cas Tatze an, der Schmerz um seinen Tod flammte frisch wie eh und je in ihrem Herzen auf. Tatze senkte gutmütig den Kopf und schüttelte ihn belustigt. "Das bin ich auch, und daran kann keine Katze mehr etwas ändern. Ich bin nur als Geisterkatze in deinem Traum, meine geliebte Cas." Als er das sagte, schien Cas' Herz von innen zu zerbrechen. "Warum nur? Warum ausgerechnet du?" Tatze sah sie liebevoll und mild an. "Es ist der Lauf der Natur, Cas. Katzen gehen von uns und neue werden geboren. Ich ging, doch unsere Jungen blieben. So wird es immer weitergehen, und man kann nicht beeinflussen, was die Natur will." "Wo sind Socke und Mal? Geht es ihnen gut?" Vielleicht wusste er ja was. Cas hatte ihre Jungen lange nicht gesehen, und wollte es ehrlich gesagt auch nicht. Nicht, nachdem sie sie einfach abgeschoben hatte. Sie würde sich zu sehr schämen. "Sie sind am Leben." antwortete Tatze knapp. Was bedeutet das? fragte Cas sich misstrauisch. Aber sie wusste, das aus Tatze jetzt nicht viel herauszukriegen war. Vielleicht sollte ich sie wirklich suchen? Aber bestimmt hassen sie mich! Während das schlechte Gewissen noch an Cas nagte, miaute Tatze: "Das ist nicht der Grund, warum ich dich aufgesucht habe. Ich möchte dich warnen, Cas." Sie sah ihn ungläubig an. "Vor was den?" Tatze sah auf das Blut am Boden. "Schon bald wird nichts mehr so sein, wie es einst war. Du darfst einigen Katzen in deinem Umfeld nicht trauen, sonst wirst du alles ins Verderben stürzen..." Der Kater verblasste, und verzweifelt wollte Cas seine ruhige, gleichmäßige Stimme noch einmal hören, doch sie konnte nichts dagegen tun. Und dann wachte sie auf. Du darfst einigen Katzen in deinem Umfeld nicht trauen, sonst wirst du alles ins Verderben stürzen. Wenn das nur so einfach wäre. Wem durfte sie den nicht trauen? Keine Katze hatte ihr Unrecht getan, alle waren total nett zu ihr! Moos! schoss es ihr durch den Kopf. Nein, er ist zu freundlich! Ich vertraue ihm. Cas setzte sich frustriert auf und schüttelte ihren Pelz. Seit Wolke und Schmetterling zusammen mit ihren Jungen in einem Bau wohnten und Schrei und Mitternacht im Anführerbau schliefen, war Cas die einzige, die noch im richtigen Jägerbau schlief. Vorher hatte Rost auch noch hier gehaust, aber das war jetzt Vergangenheit. Cas straffte ihre Schultern und verließ auf leisen Pfoten den Bau. Im Lager sah sie sich um und verließ es dann schnell und heimlich. Die anderen mussten nicht unbedingt wissen, dass sie sich mit Moos traf. Ihr Herz schlug immer schneller, je näher sie dem Ort mit den vier Felsen kam. Sie erblickte Moos' getigerten Pelz durch das Gebüsch und rannte schneller. Dann sprang sie hinunter in die Kuhle. "Diesmal bist du zu spät!" neckte Moos sie zur Begrüßung. Cas stupste ihn freundschaftlich an. "Aber nicht so spät wie du beim letzten Sonnenaufgang!" Moos' Blick wurde auf einmal ernst. "Cas, ich habe darüber nachgedacht, was du mir über Rost erzählt hast. Und ich glaube, dass ihr euch zurückziehen solltet. Diese Kätzin ist gefährlich! Ihr solltet auf jeden Fall sehr vorsichtig sein." besorgt sah er sie aus grünen Augen an. Cas nickte. "Du hast recht, es ist sehr gefährlich, wenn sie ihr Territorium erweitern will. Aber Schrei kümmert sich nicht darum! Sie möchte uns aus der Sache raushalten. Ich kann es ja verstehen, aber ob gar nichts tun und Rosts Fall das richtige ist sei mal dahingestellt." bedeutend wanderte ihr Blick Richtung Kiefernwald. "Lass uns ein Stück gehen." schlug Moos schließlich vor, und so gingen sie am Waldrand spazieren. Sie unterhielten sich über dieses und jenes, bis Moos sie schließlich zum Moor begleitete und sie sich trennten. Vorher verabredeten sie sich noch einmal. Cas bekam langsam das Gefühl, dass sie bei Moos sicher war, und dass es vielleicht gar nicht so falsch war, sich in einen Kater wie ihn zu verlieben. Aber was ist richtig und was falsch? Und wem kann ich trauen und wem nicht?

11. Kapitel

FALLENDER BAUM SASS traurig neben Stürzende Klippe und nagte lustlos an einem Kaninchenbein. Es waren zwei Sonnenaufgänge vergangen, seit er seinen seltsamen Traum gehabt hatte und Laufendes Reh weggegangen war. Er vermisste sie so sehr! "Ist es immer noch wegen Laufendes Reh?" fragte sein bester Freund mitfühlend von der Seite. Fallender Baum nickte niedergeschlagen. "Du musst dich ablenken, sonst versinkst du irgendwann in deiner Trauer!" Bearbeitete Stürzende Klippe ihn. "Aber wie?" jammerte Fallender Baum "ALLES erinnert mich an sie!" Stürzende Klippe verdrehte die Augen. "Geh doch jagen. Scharfes Auge und Starrender Reiher wollten auch gleich losziehen." Fallender Baum seufzte. Vielleicht war das wirklich keine so schlechte Idee. "Na gut." miaute er ergeben. Stürzende Klippe nickte zufrieden. Da Fallender Baum keinen Hunger hatte, brachte er das Kaninchenbein zu Morgentau, die hungrig aussah. Morgentau sah ihn dankbar, aber verträumt an. "Danke, Fallender Baum." murmelte sie abwesend. "Was ist?" fragte Fallender Baum die sonst so aufmerksame Kätzin. Die schnurrte jetzt vielsagend, und Fallender Baum wurde neugierig. "Säuselnder Wind und ich erwarten Nachwuchs!" brach es schließlich aus der Kätzin heraus. Fallender Baum sah auf ihren tatsächlich leicht gewölbten Bauch. Es wurde ja auch langsam Zeit! dachte er belustigt und war für einen Moment von seiner Trauer abgelenkt. "Das sind tolle Neuigkeiten!" schnurrte er. "Glückwunsch euch beiden." Er sah Säuselnder Wind am anderen Ende des Lagers immer wieder seine wachsamen Augen über Morgentau streifen lassen. Da sah er Starrender Reiher und Scharfes Auge am Lagereingang, aufbruchsbereit. "Wartet!" rief er und trabte zu ihnen. "Ich komme mit!" Scharfes Auge, eine schwarze Kätzin mit scharfen, grünen Augen drehte sich zu ihm um. "Dann komm." miaute sie barsch, während Starrender Reiher das Lager bereits verlassen hatte. Fallender Baum gesellte sich zu Scharfes Auge, und gemeinsam holten sie Starrender Reiher ein. Sie befanden sich am Waldrand, vor ihnen lag das weite Moor. "Na los!" Starrender Reiher, ein hellgrauer Kater mit weißem Brustfell, war noch etwas jünger und immer voller Begeisterung mit dabei "Dahinten, der Hase, den hol ich mir! Passt auf!" brüstete der Kater sich und deutete mit der Schwanzspitze auf einen Hasen, der neben einem Ginsterstrauch saß. Starrender Reiher sprintete los, den hellblauen Blick fest auf das Tier gerichtet. Der Hase bemerkte ihn spät, und so konnte Starrender Reiher ihn mühelos töten. Stolz kam der junge Jäger zu Fallender Baum und Scharfes Auge zurück. "Großartig, oder?" Dem Kater fiel es sehr leicht, die neuen Jagdtechniken, die man auf dem Moor verwenden musste, zu erlernen. Er hatte ja auch nicht so lange im Wald gejagt wie die älteren Katzen. Fallender Baum schnurrte. "Sehr gut, Starrender Reiher." lobte er den Kater, und Starrender Reihers Brust schwoll an vor Stolz. Scharfes Auge schnaubte. "War ganz passabel." grummelte die schwarze Kätzin schließlich, und ging vor, während sie weiter über das Moor liefen und nach Beute Ausschau hielten. Im Laufen sah Fallender Baum Starrender Reiher belustigt an. "Was ist der den in den Pelz gefahren?" fragte der junge Kater leise. Fallender Baum winkte mit einem Schwanzschnippen ab. "Du kennst sie doch. Sie kann es nicht leiden, wenn andere besser sind als sie." Starrender Reiher nickte. "Ich höre euch!" knurrte Scharfes Auge von Vorne, was dazu führte, dass Starrender Reiher und Fallender Baum sich noch einmal belustigt ansahen und dann ein Kaninchen erjagten, während Scharfes Auge noch ein Hasenjunges fing. Mit ihrer Beute wollten sie ins Lager zurückkehren. Am Waldrand sah Fallender Baum einen roten Pelz, der sich im Schatten der Bäume bewegte. "Wartet!" sagte er zu Starrender Reiher und Scharfes Auge. "Wer ist da?" Eine rötliche Kätzin mit Bernsteinaugen trat aus dem Wald, und Fallender Baum sträubten sich die Nackenhaare. Es war Feuerschein, die Kätzin, die dafür gesorgt hatte, das Laufendes Reh ihn verlassen hatte. Ein Knurren stieg in seiner Kehle auf, und am liebsten wäre er auf sie losgegangen. Ihre Augen sahen ihn etwas ungewiss an. Im letzten Moment sprang Laufendes Reh aus den Büschen und stellte sich zwischen die beiden. Fallender Baum stockte der Atem. Sie war so wunderschön! Laufendes Reh sah ihn aus ihren tiefen Bernsteinaugen verängstigt an. "Bitte nicht, Fallender Baum! Es war nicht ihre Schuld! Ich selbst habe mich dazu entschieden, zu gehen. "Ja, aber..." Ihm fehlten die Worte, um sich zu verteidigen. Laufendes Reh sah ihn so flehend an, dass er nicht anders konnte als das Nackenfell zu glätten und die Krallen einzuziehen. Feuerschein trat verängstigt hinter ihrer Tochter hervor. "Ähm... Hallo Fallender Baum..." murmelte die Kätzin unsicher. Fallender Baum fühlte Scharfes Auges Blick kalt wie Eis in seinem Rücken. Er durfte jetzt nichts falsches sagen. "Hallo Feuerschein." Er nickte ihr kurz zu. Laufendes Reh sah ihn dankbar an und strich an ihm vorbei, als sie sich zum gehen wandte. "Danke." murmelte sie ihm ins Ohr. Fallender Baums Pelz kribbelte, als ihr warmes Fell ihn streifte. Er sah der hübschen Kätzin sehnsüchtig nach. Ich würde so gerne bei ihr sein... aber es geht nicht. Ich will meine Gefährten nicht verlassen. "Fallender Baum!" Starrender Reiher stupste ihn mit der Schwanzspitze an und riss ihn damit aus seinen Gedanken "Wir müssen zum Lager zurück, du Träumer. Vielleicht solltest du eher träumender Baum heißen!" Der Kater schnurrte belustigt, doch Fallender Baum würde heute nichts mehr lustig finden. Das Treffen mit Feuerschein und Laufendes Reh hatte ihm die Laune endgültig vermiest. Missmutig tappte er hinter Scharfes Auge und Starrender Reiher zum Lager zurück. Wie sollte das noch enden? Als sie im Lager angekommen waren, sah Fallender Baum sich um. Weißer Flug unterhielt sich angeregt mit seinem Bruder, Stürzende Klippe. Federglanz teilte sich eine Maus mit dem Sohn des Bruders von ihrem Vater, Regentropfen. Morgentau lag träge in der Sonne, ihren bereits angeschwollenen Bauch konnte man jetzt noch besser erkennen. Säuselnder Wind saß nur einige Mauslängen entfernt von ihr und sah sie liebevoll an. Scharfes Auge hatte sich etwas abseits niedergelassen und genoss die Sonne, während Starrender Reiher den Hasen, den er gefangen hatte, zu Säuselnder Wind und Morgentau brachte. Nur Heller Stern lag am Eingang ihres Baus und betrachtete die Katzen aus weisen Augen. Die Reise hatte der älteren Kätzin ziemlich zu schaffen gemacht, ihre Rippen zeichneten sich unter ihrem stumpfen, silbergrauen Fell ab und ihre großen blauen Augen waren glanzlos. Mitleidig tappte Fallender Baum zu ihr, um ihr ein Kaninchen, was er gefangen hatte, zu bringen. Sie hatte genauso einen Verlust gemacht wie er, immerhin hatte sie Laufendes Reh aufgezogen und zum Stamm gebracht. Er setzte sich neben sie. Heller Stern drehte ihren Kopf zu ihm. "Hallo. Ähm... ich hab dir ein Kaninchen mitgebracht." Er schob es zu der alten Kätzin. Die nickte lustlos: "Dankeschön." und knabberte dann etwas unbeholfen an der Beute herum. "Ich...Wir haben heute Laufendes Reh und Feuerschein an der Grenze getroffen, es geht ihnen gut." versuchte Fallender Baum, ein Gespräch anzuregen. Heller Stern nickte, und Fallender Baum meinte, dass ihre Augen für einen Moment an Glanz gewannen. "Es gibt doch sicher einen Grund, warum du hier bist, oder?" Fallender Baum schluckte. Heller Stern sah ihn prüfend an. "Ähm... also, ich hatte da vor ein paar Sonnenaufgängen so einen Traum... Ich begegnete meiner Mutter in unserem alten Lager, und sie erzählte mir, dass sie nun unter den Ahnen wandele, weil sie von einem Fuchs getötet wurde." Heller Sterns Augen füllten sich mit Schmerz. "Oh, Flügel des Sperlings...sie war so eine wunderbare Katze. Sie hat es nicht verdient." murmelte sie. Fallender Baum nickte zustimmend, und sein Herz füllte sich mit Schmerz, als er an seine Mutter dachte. Fallender Baum fuhr schließlich fort: "Außerdem sagte sie noch, ich solle meinem Herzen folgen." "Dann solltest du das tun." miaute Heller Stern eindringlich. "Aber wie?" jammerte er "Ich weiß ja selbst nicht mehr, wo mein Herz mich eigentlich hinführen will!" "Du wirst es bald herausfinden." miaute die Kätzin weise. Fallender Baum stand seufzend auf und ließ Heller Stern alleine. Werde ich es auch rechtzeitig herausfinden?

"Heller Stern ist tot!" Das jaulen von Stürzende Klippe riss Fallender Baum aus dem Schlaf. Alarmiert rannte er aus dem Jägerbau, gefolgt von Regentropfen, Federglanz und Starrender Reiher. In der Mitte des Lagers lag ein silbergrauer, lebloser Körper. Nein! dachte Fallender Baum bestürzt. Morgentau kauerte neben ihrer toten Mutter und stieß einen lauten Klagelaut aus. "Sie wird niemals meine Jungen kennenlernen, dabei sah sie so glücklich aus, als ich es ihr erzählt habe!" Der Schmerz in ihrer Stimme schien die Luft zu zerreißen. Säuselnder Wind kauerte neben seiner Gefährtin und leckte ihr beruhigend das Ohr. "Ich bin ja da, alles wird gut." murmelte er, doch Morgentau wandte den Kopf ab. "Nichts ist gut!" miaute sie klagend "Meine Mutter ist tot!" Scharfes Auge und Stürzende Klippe, die ein paar Schwanzlängen entfernt von dem Leichnam der alten Kätzin standen, sahen sich besorgt an. Weißer Flug war inzwischen aus seinem Bau getreten und erfasste die Situation mit einem Blick. "Wir sollten sie begraben, so wie es ihr gebührt" miaute er traurig. Morgentau sah ihn voller Schmerz an und wollte widersprechen, doch dann nickte sie. Es war wohl besser so. Fallender Baum sah schmerzerfüllt auf die tote Kätzin. "Jemand sollte Laufendes Reh holen." Weißer Flug sah ihn an. "Würdest du das tun, Fallender Baum?" Im ersten Moment war er geschockt, doch dann nickte er. Laufendes Reh hatte das Recht, sich von ihrer Ziehmutter zu verabschieden. Und er könnte sie wiedersehen... also machte er sich auf. Folge deinem Herzen... Ist es wirklich Laufendes Reh, die damit gemeint ist? Ich kann es kaum glauben, aber es scheint so zu sein... Ich werde Zeit brauchen, um darüber nachzudenken...

12. Kapitel

"SEHR GUT, SCHWINGE des Adlers! Und jetzt bringen wir die Wühlmaus und das Eichhörnchen zum Lager." Schwinge des Adlers sprang mit dem toten Eichhörnchen im Maul vom Baum. Wirbelsturm war sehr stolz auf seinen Schüler. In drei Sonnenaufgängen hatte er ziemlich viel gelernt. Heute hatte er ihm die Grundlagen der Eichhörnchenjagd auf Bäumen beigebracht, an der Grenze zum Moorland, wo viele Eichhörnchen auf den letzten richtig dichten Bäumen lebten. Klettern hatten sie schon gestern bei der großen Buche, wo man so etwas ziemlich gut machen konnte, geübt. Stolz lief Schwinge des Adlers zu ihm. "Schau, wie fett es ist, Wirbelsturm!" brüstete er sich. Wirbelsturm schnurrte. "Sehr gut!" Er wollte sich gerade zum gehen wenden, als ein Ast knackste. Er fuhr herum. Bitte nicht schon wieder Rosts Katzen! schickte er ein Stoßgebet zu den Ahnen, die dort oben irgendwo wandelten. Sein Gebet wurde anscheinend erhört, denn aus dem Gebüsch trat lediglich ein hellbraun getigerter Kater mit weißen Pfoten und grünen Augen. Er sah nicht aus, als wolle er irgendeiner Katze etwas böses. "Was tust du hier?" fragte er den Kater mit einem prüfenden Blick. Der Kater neigte den Kopf. "Ich bin Fallender Baum, eine Talkatze, und ich muss dringend mit Laufendes Reh sprechen. Ihre Ziehmutter ist diesen Sonnenaufgang plötzlich verstorben, und ich denke, sie hat das Recht, sich von der Katze, von der sie aufgezogen wurde, zu verabschieden." Wirbelsturm war irgendwie traurig über die Neuigkeit, obwohl er die verstorbene Katze gar nicht kannte. Die arme Laufendes Reh! Schwinge des Adlers schien noch bestürzter: "Nein! Heller Stern..." jaulte der junge Kater klagend. "Wir werden dich zu ihr bringen." miaute Wirbelsturm. Fallender Baum folgte ihnen gehorsam zum Lager. Schwinge des Adlers rannte zu seiner Mutter, die in der Nähe des Eingangs lag, sobald sie das Lager betreten hatten. Fallender Baum folgte ihm, Wirbelsturm kam nach, nachdem er die Beute in die Frischbeutekuhle gelegt hatte. Schwinge des Adlers japste: "Mama! Heller Stern! Es ist so schrecklich... Warum sie?" "Laufendes Reh, es tut mir so leid, aber Heller Stern ist bei Sonnenaufgang tot in ihrem Nest aufgefunden worden." klärte Fallender Baum den Tumult auf und sah der Kätzin tief in die Augen. Laufendes Reh sprang auf: "Nein!" jaulte sie "Das kann nicht... Oh nein, dass hat sie nicht verdient!" klagend drückte die Kätzin sich an Fallender Baums Pelz. Die beiden schienen vorher wohl ein ziemlich enges Band gehabt zu haben... Auf einmal fühlte Wirbelsturm sich schlecht, als hätte er die beiden auseinandergetrieben. Etwas unbeholfen stand er daneben, während Schwinge des Adlers sich an seine Mutter schmiegte. "Ich...ähm...Ich geh dann mal Maus bescheid sagen..." Laufendes Reh nickte ihm kurz zu, dann flüsterte sie etwas zu Fallender Baum. Wirbelsturm wandte sich etwas peinlich berührt ab und tappte zu Maus' Bau. "Maus? Hier ist ein Kater von den Talkatzen. Er möchte Laufendes Reh zu der Beerdigung ihrer verstorbenen Ziehmutter holen." Maus, der in der kleinen Felshöhle auf seinem Moospolster saß, neigte den Kopf. "Natürlich darf sie zur Beerdigung einer geliebten Katze. Aber sag ihr, sie soll vor Sonnenhoch zurück sein, für die Jagdpatroullie." Wirbelsturm verließ den Bau und tappte zu Laufendes Reh und Fallender Baum, die bereits am Lagereingang aus Brombeergeflecht standen. "Will Schwinge des Adlers nicht mit?" fragte Wirbelsturm verwundert. Laufendes Reh schüttelte den Kopf. "Es gibt Dinge, die junge Katzen nicht unbedingt sehen sollten." Wirbelsturm nickte. Beerdigungen konnten wirklich sehr belastend für den Geist und die Psyche einer jungen Katze sein. "Ich soll euch von Maus sagen, dass Laufendes Reh vor Sonnenhoch für die Jagdpatroullie zurück sein soll." Wirbelsturm hätte erwartet, dass Laufendes Reh sich beschweren würde, weil sie in ihrer Trauer nicht jagen wollte, doch sie nickte nur gutmütig. Dann verließen die zwei das Lager. Wirbelsturm sah sich um. Er sah Schwinge des Adlers allein in einer Ecke sitzen und ging zu ihm, um ihn aufzumuntern. "Hey! Willst du vielleicht nochmal klettern üben? Wir könnten zur Großen Buche gehen und..." "Nein." unterbrach Schwinge des Adlers ihn. "Du brauchst mich nicht aufzumuntern, Wirbelsturm. Ich möchte einfach nur alleine sein, okay?" Wirbelsturm nickte. Er verstand den jungen Kater. Er wollte in Ruhe trauern. Also trollte Wirbelsturm sich und ging zu Brise und Wunderblüte. Seine Tochter hielt gerade ein Nickerchen in ihrem Bau, während Brise vor dem Baumstumpf saß und die kleine in Ruhe schlafen ließ. Brise sah ihn erfreut an, als er kam. Wenigstens eine Katze, die sich so benimmt wie immer. "Hallo Brise!" schnurrte er und merkte bei ihrem Anblick mal wieder, wie unglaublich er diese Kätzin liebte. Er hatte in den letzten Sonnenaufgängen viel zu wenig Zeit mit ihr verbracht. Er legte sich neben sie, und sie drückte sich glücklich an ihn. Das schlechte Gewissen meldete sich. "Ich hoffe, du bist nicht sauer, weil ich so wenig Zeit für dich hatte." miaute er. Zu seiner Erleichterung schüttelte seine Gefährtin den Kopf. "Ich weiß ja, dass du mich und Wunderblüte liebst." schnurrte sie. "Das stimmt!" miaute er belustigt. Brise legte ihren Kopf an seine Schulter, und er sah liebevoll auf die Kätzin herab. Ich liebe sie so sehr!

Es war Sonnenhoch, und Wirbelsturm war gemeinsam mit Laufendes Reh und Rotpelz zur Jagdpatroullie aufgebrochen. Laufendes Reh war sehr still, seit sie von der Beerdigung zurückgekehrt war. Kein Wunder dachte Wirbelsturm mitfühlend es war bestimmt ziemlich belastend für sie. Er sprang auf ein Felsplateau zwischen den Bäumen, wo die Sonne draufschien. Bestimmt sonnt sich die Beute hier! Er prüfte die Luft und erwartete, unzählige Mäuse, Wühler und Vögel zu riechen. Doch dort war- Nichts! Sie hatten bis jetzt kein einziges Beutestück gefangen, und wenn noch nicht einmal auf dem sonnigen Felsplateau Beute war, musste man sich echt Sorgen machen. "Hier ist nichts!" miaute er besorgt und sah seine Gefährten vielsagend an. "Ach komm, Wirbelsturm! Du warst noch nie der beste Riecher!" schnurrte Rotpelz neckisch. "Bestimmt irrst du dich." Der rote Kater sprang zu Wirbelsturm auf den Felsen und öffnete sein Maul, um ebenfalls die Luft zu prüfen. Rotpelz, der eben noch so gewiss gewesen war, entglitten nun die Gesichtszüge. "Du hast Recht!" stellte er bestürzt fest "Hier ist wirklich nichts!" Wirbelsturm sah ihn triumphierend an. "Was hab ich gesagt?" "Jaja, Flohpelz!" Rotpelz funkelte ihn belustigt an. "Hey ihr!" Laufendes Reh klang auf einmal erbost "Das ist nicht lustig! Wo sollen wir jetzt Beute hernehmen?" Wirbelsturm erkannte, dass die Kätzin recht hatte. Wenn sie ohne Beute ins Lager zurückkehrten, wären alle besorgt und in Aufruhr. "Wir müssen die Ursache finden!" miaute Rotpelz und hüpfte gefolgt von Wirbelsturm wieder vom Felsen. Da stieg Wirbelsturm ein Geruch in die Nase. "Katzen!" flüsterte er. Rotpelz sträubte das Nackenfell und Laufendes Reh sah sich besorgt um. Da hörten sie im Brombeergestrüpp ein fauchen und drei Katzen sprangen hervor. Es waren eindeutig Streuner, so wie sie stanken und wie zerrupft ihr Fell aussah. Sie rochen nach Kiefernharz. Rosts Katzen! schoss es Wirbelsturm angsterfüllt durch den Kopf. Was tun sie hier? Der Kiefernwald ist gegenüber von dieser Stelle! Eine getigerte Kätzin trat vor und funkelte die drei Katzen an. Es war die Kätzin, der Wirbelsturm mit Schwinge des Adlers an der Grenze begegnet war. Hinter ihr konnte er auch den rotbraunen Kater erkennen. Daneben stand noch ein hellbraun getigerter Kater, den Wirbelsturm nicht kannte. "Ich bin Nadelkralle." erklärte die Kätzin überheblich. "Und dieser Teil des Waldes gehört jetzt Rost, vom Kiefernwald bis zum Felsplateau. Was?! Das ist ja fast der halbe Wald! Das kann sie doch nicht ernst meinen! "Hier gehört niemandem etwas! Wir ziehen Grenzen, aber gehören tut es immer noch der Natur!" Wirbelsturm baute sich vor der Kätzin auf. Sie hielt seinem zornigen Blick stand und funkelte gehässig zurück. "Ach ja? Dann werden wir das jetzt ändern! Ameise, Efeu- greift an!" Der rotbraune Kater stürzte sich ohne Vorwarnung auf Laufendes Reh, während der hellbraune Tigerkater es ihm bei Rotpelz gleichtat. Nadelkralle sprang Wirbelsturm auf den Rücken, doch er schüttelte die Kätzin ab, warf sie auf den Boden und stand nun über ihr. Doch Nadelkralle bearbeitete verbissen seinen Bauch mit den Hinterbeinen, sodass Wirbelsturm zur Seite sprang und sie sich hochrappelte. Nadelkralle und er umkreisten sich, und sie funkelten sich böse an. Dann stürzte sie sich auf Wirbelsturm, und er konnte sie mit einem Tritt gerade so wegschleudern, bevor sie ihm die Kehle zerfetzen konnte. Nadelkralle landete an einer Eiche, rappelte sich jedoch direkt wieder auf. Diesmal war Wirbelsturm es, der sich auf sie stürzte. Sie knallte mit dem Kopf auf den harten Boden, und Wirbelsturm empfand Genugtuung. Endlich hatte er diesem selbstverliebten Fuchsherz gezeigt, woran sie war! Nadelkralle hob schwach den Kopf. "Efeu, Ameise! Wir ergeben uns!" Die beiden Kater kamen mit Wunden und hängenden Köpfen angeschlichen. Wirbelsturm trat von Nadelkralle herunter und ließ die verletzte Kätzin aufstehen. Efeu und Ameise verschwanden wütend fauchend im Gebüsch. Nadelkralle drehte sich noch einmal um: "Das war nicht das Ende, ihr Mäuseherzen!" knurrte die Kätzin, und mit dem Kratzer am Auge wären so manche Katzen vor ihr weggelaufen. "Rost wird euch schon zeigen, woran ihr seid!" Mit einem letzten funkeln ihrer grünen Augen verschwand die Kätzin schließlich hinter ihren Gefährten im Busch. Ich glaube allerdings auch nicht, dass das das Ende war... dachte Wirbelsturm bitter. Dann folgte er Laufendes Reh und Rotpelz zum Lager. Sie mussten Maus Bericht erstatten.

13. Kapitel

CAS REKELTE SICH in der Sonne, und ihre Lider sackten immer wieder müde nach unten. Es war nun ein Mond vergangen, seit sie Moos zum ersten Mal getroffen hatte. In letzter Zeit hatte sie immer wieder das Gefühl gehabt, krank zu sein. Sie war träge, und fühlte sich schlapp. Bei der Jagd fing sie oft gar nichts. Sie würde gerne die Ursache dafür wissen, aber ihr fiel spontan niemand ein, der es wissen könnte. Mit Moos hatte sie sich seither fast jeden Sonnenaufgang getroffen, sie vertraute ihm. Und sie war eindeutig verliebt. Cas hatte beschlossen, dass es vielleicht doch gar nicht so schlecht war, neu anzufangen. Da vernahm sie ein rascheln am Ginstertunnel. Müde hob Cas den Kopf. War eine Jagdpatroullie zurückgekehrt? Tatsächlich, Wolke und Mitternacht traten durch den Lagereingang. Cas wollte sich schon wieder beruhigt hinlegen, als sie bemerkte, dass zwei weitere Katzen hinter Wolke und Mitternacht durch den Eingang traten. Eine hellgraue Kätzin mit hübschen, blauen Augen trat schüchtern ins Lager, hinter ihr ein kompakter, dunkelgrauer Kater. Seine bernsteinfarbenen Augen blickten sich im Lager um. Mitternacht tappte vorweg. "Schrei?" rief er in Richtung des Baus seiner Schwester. Wolke blieb zurück und passte auf die beiden Fremden auf, die etwas unwohl von einer Pfote auf die andere traten. Die schwarze, drahtige Anführerin der Gruppe, glitt elegant aus ihrem Bau, den Blick ihrer gelben Augen interessiert auf die beiden Fremden Katzen gerichtet. "Wer ist das, und vor allem: Was wollen sie hier?" Mitternacht zuckte mit den Ohren. "Sie wollen in die Gruppe aufgenommen werden." Wolke, der die Augen bisher nicht von den Fremden genommen hatte, befahl ihnen: "Los, stellt euch vor!" Die hellgraue Kätzin trat schüchtern vor Schrei. "Ich bin Minzblatt, und das ist mein Bruder Scharfpfote. Wir kommen eigentlich aus dem Wald, aber wir hatten Angst vor Maus, und so sind wir vor fast einem Mond aufs Moor gezogen." Minzblatt und Scharfpfote? Das sind doch die beiden, von denen Moos mir erzählt hat! dachte Cas aufgeregt und neugierig. Jetzt meldete sich der dunkelgraue Kater, der anscheinend Scharfpfote hieß, zu Wort. "Wir haben euch schon länger zugesehen, und wir dachten, dass das Leben in einer Gruppe vielleicht auch was für uns wäre. Wir wollten uns eigentlich einem Streuner namens Fischflosse und seiner Schwester Goldschimmer anschließen, die auf der Insel im Fluss leben, aber sie wollten uns nicht, weil wir nicht schwimmen können. Dann haben wir es bei Sandkorn, Brombeere und Rennfuß versucht, aber die wollten für sich bleiben und haben gesagt, dass ihr stärker seid und wir hier ein besseres Leben hätten. Und jetzt sind wir hier." Schrei nickte nachdenklich. Dann fragte sie: "Und was bietet ihr der Gruppe?" "Meine Schwester kann heilen!" brüstete Scharfpfote sich. Minzblatt leckte sich schüchtern das Brustfell. "Naja, ich kenne ein paar Methoden und Kräuter, um Krankheiten und Verletzungen zu heilen." Schrei sah die Kätzin sichtlich beeindruckt an. Eine Heilkundige kann nicht schaden! dachte auch Cas Vielleicht kann sie mir sagen, was ich habe! Jetzt sprach Minzblatt weiter: "Aber Scharfpfote heißt nicht umsonst Scharfpfote! Er kämpft ziemlich gut, seine Krallen an den Pfoten sind so scharf wie keine anderen! Er könnte jeden Dachs besiegen! Und seine Augen sind mindestens genauso scharf wie seine Krallen, wenn es ums jagen und beobachten geht!" Jetzt war es an Scharfpfote, verlegen zu sein. "Ich könnte euch zumindest ein paar nützliche Techniken beibringen. Aber auch Minzblatts Talente werden euch von Nutzen sein!" Beide sahen Schrei flehend an, und auch Cas hoffte insgeheim, dass ihre Anführerin sie aufnahm. Minzblatt konnte ihr bestimmt etwas gegen ihre Bauchschmerzen oder Trägheit geben! Schrei nickte schließlich: "Ihr seid zwei sehr besondere Katzen, Minzblatt und Scharfpfote. Eure Talente werden die Gruppe sicher weiterbringen. Ich würde euch gerne aufnehmen." Die Augen der beiden Neuankömmlinge leuchteten vor Glück. "Vielen Dank, Schrei. Wir werden dich nicht enttäuschen!" versprach Scharfpfote und neigte den Kopf vor seiner neuen Anführerin. Auch Minzblatt neigte vor Schrei den Kopf. "Lasst euch von Wolke zeigen, wo ihr schlafen könnt. Minzblatt, brauchst du etwas, um deine Kräuter zu sortieren und Katzen zu behandeln? Du könntest eine Art Heilerin für unsere Gruppe sein." sagte Schrei und sah Minzblatt fragend an. "Sehr gerne, Schrei. Ich werde mein bestes tun, der Gruppe eine gute Heilerin zu sein. Dazu bräuchte ich allerdings einen Heilerbau, wo ich meine Kräuter sortieren kann und wo ich meine Patienten unterbringen und behandeln kann." antwortete die Kätzin dankbar. Schrei sah sich um. Dann deutete sie mit dem Schwanz auf einen besonders großen, dichten Ginsterbusch in der oberen Ecke der Kuhle. "Dort drüben kannst du wohnen. Wolke, du hilfst ihr, Nester für sich und Kranke zu bauen und Kuhlen für die Kräuter auszuheben. Cas, du kannst Scharfpfote ein Nest im Jägerbau zuordnen." Endlich Gesellschaft! dachte Cas froh und erhob sich. Wolke lief brummelig vorraus, gefolgt von der aufgeregten Minzblatt. Was ist dem denn heute in den Pelz gefahren? dachte Cas belustigt. Dann wankte sie träge zu Scharfpfote. Sie kam sich plump und unbeholfen vor. Warum nur war sie in letzter Zeit so träge? Sie konnte sich ja kaum auf den Beinen halten! Verbissen setzte sie eine Pfote vor die andere. Scharfpfote kam auf sie zu. "Du musst Cas sein." miaute der Kater freundlich. "Ja..." stöhnte Cas. Ihr Bauch tat schon wieder weh. "Folge mir." krächzte sie und kam sich fett wie ein Hauskätzchen vor. Scharfpfote war zum Glück nicht neugierig oder gehässig, sondern folgte ihr gesittet. Sie schlüpften unter die kleine Anhöhe, wo sich eine Höhle im Stein befand. Es war der Jägerbau. In der zweiten Höhle, gegenüber, schliefen Schrei und Mitternacht. Von dem Stein aus sprach Schrei auch. Cas' Blick fiel auf das alte Nest von Rost. "Du kannst hier schlafen." miaute sie, die Schmerzen hatten zum Glück wieder nachgelassen. "Wir können noch frische Moospolster vom Waldrand besorgen, dass Nest ist schon alt." Scharfpfote nickte und sie verließen gemeinsam das Lager. Scharfpfote lief für Cas extra langsamer, was sie sehr nett fand. Als sie am Waldrand angekommen waren, scharbten sie Büschelweise Moos von den Rinden und vom Boden ab. "Ich glaube, dass ist mehr als genug!" lachte Scharfpfote. Cas schnurrte. Dieser Kater war echt ziemlich nett. Sie teilten sich das Moos auf und trugen es gemeinsam zum Lager zurück. Scharfpfote verteilte das Moos auf seinem Nest, dass übrige gab er seiner Schwester für ihres. Cas wollte Minzblatt noch fragen, ob sie ihr helfen konnte. Also tappte sie zum neu eingerichteten Bau der Kätzin. Sie schlüpfte unter den Blättern des Ginsterbuschs durch und erblickte neben sich mehrere ordentlich ausgehobene Kuhlen, in die später wohl mal Kräuter hineinsortiert werden sollten. Auf der anderen Seite befanden sich drei Nester, eins war schon gepolstert, die anderen nur als Kuhlen ausgehoben. Die beiden unbenutzten sollten wohl ausgepolstert werden, wenn es Kranke gab. Minzblatt hatte gerade ihr eigenes Nest gepolstert, als sie Cas bemerkte und sich zu ihr umdrehte. "Hallo." miaute die Kätzin freundlich. "Du musst Cas sein! Freut mich, dich kennenzulernen. Wie kann ich dir helfen?" "Hallo Minzblatt. Ja, ich bin Cas. Und mein Problem ist, dass ich mich in letzter Zeit immer träge und müde fühle. Ich habe auch wiederholt Bauchschmerzen und wollte dich fragen, ob du dir das mal ansehen könntest." Minzblatt neigte den Kopf. "Natürlich. Leg dich auf mein Nest, dann kann ich dich untersuchen." Cas tat wie ihr geheißen und legte sich gehorsam auf das weiche Moospolster. Es tat ihr gut, zu liegen, dann tat es nicht so weh. Minzblatt beschnupperte Cas' Bauch und tastete daran herum. Ihre Augen leuchteten, als sie die Pfote von Cas Bauch nahm. "Ich habe gute Neuigkeiten für dich, Cas." sagte Minzblatt, und Cas spürte ein ungutes Gefühl in ihr aufsteigen. "Du erwartest Junge!" Und dann entglitten Cas alle Gesichtszüge.

14. Kapitel

FALLENDER BAUM ERWACHTE auf einer wunderschönen Wiese. Die Blumen blühten und das Gras war grün. Am liebsten hätte er sich ausgestreckt und sich nie wieder aus dem weichen Untergrund wegbewegt, doch irgendetwas an den Kiefern gegenüber der Wiese schien ihn magisch anzuziehen. Wie von einer unsichtbaren Ranke gezogen bewegte er sich auf die Bäume zu. Fallender Baum wusste nicht, wieso, aber er musste zu diesem Ort. Als er sich zwischen den dunklen Kiefern befand, sah er zwei Bäume weiter ein schwaches Leuchten. Hinter einer großen Kiefer trat eine silbergraue, leuchtende Kätzin mit großen, blauen Augen und Sternen im Fell hervor. Heller Stern! Fallender Baum war glücklich, dass auch Heller Stern anscheinend bei den Ahnen aufgenommen worden war. Wenigstens das hat sie mehr als verdient. "Sei gegrüßt, Fallender Baum." Die Kätzin sah ernst aus. Es sollte ihr doch eigentlich besser gehen! dachte er verwundert. Immerhin ist sie jetzt schon einen Mond an diesem "besseren" Ort! "Hallo, Heller Stern!" schnurrte Fallender Baum aufmunternd, doch die Kätzin funkelte ihn an. "Wie viele Hinweise sollen wir dir noch geben, damit du endlich verstehst, wo du sein sollst und wo deine Heimat ist?" fauchte sie. Erschrocken von ihrem Tonfall fuhr Fallender Baum zurück. "Ich..." fing Fallender Baum an, doch Heller Stern fiel ihm knurrend ins Wort: "Wir haben dir bis jetzt fast jede Nacht einen Traum gesendet, der dir klarmacht, dass du deinem verdammten Herzen folgen sollst! Ich habe es dir gesagt, als ich noch lebte. Flügel des Sperlings ist dir erschienen. Du hattest in den letzten Sonnenaufgängen Visionen! Und was hast du außer nachdenken getan? NICHTS!" Fallender Baum zuckte zusammen. Ich brauchte eben Zeit, um eine Entscheidung zu fällen! dachte er. Als könnte sie seine Gedanken lesen, herrschte Heller Stern ihn an: "Du hattest genug Zeit zum nachdenken! Dies ist der letzte Traum, den wir dir senden werden. Du solltest wissen, was dein Herz will!" Als die Kätzin bemerkte, wie verschreckt Fallender Baum war, wurde sie etwas sanfter und seufzte: "Ist es denn wirklich so schwer zu verstehen? Was, oder besser wer, ist in deinem Herzen? Finde es heraus, und folge ihm. Glaub mir, diese Katze braucht dich. Und ihre Gruppe auch. Du wirst dort großes Vollbringen, Fallender Baum!" Mit diesen Worten verblasste die Kätzin, und Fallender Baum wachte auf. Und er wusste genau, was er tun musste. Er musste Laufendes Reh folgen! Sie war in seinem Herzen, so tief wie fast niemand. Er rappelte sich auf. Er würde mit Weißer Flug sprechen müssen. Er trabte zum Bau des Katers und fühlte eine Art Wehmut. War es die richtige Entscheidung, seine Freunde und Gefährten zu verlassen? Aber wenn die Ahnen es wollten, dann musste es so sein. Er würde seine Gefährten vermissen, aber er könnte wieder mit Laufendes Reh zusammen sein. Der Gedanke an sie ließ sein Herz hüpfen. "Weißer Flug?" Er schlüpfte in die Höhle des Anführers. Der Kater erhob sich und sah ihn aus unergründlichen, grauen Augen an. "Ja, was gibt es, Fallender Baum?" Das lange, weiße Fell des Katers schien im schummrigen Licht der Höhle zu leuchten. "Ich... Ich hatte in letzter Zeit Träume von den Ahnen. Sie sagten mir, dass ich meinem Herzen folgen sollte. Und ich glaube, dass ich Laufendes Reh in Maus' Gruppe folgen muss." Fallender Baum erwartete, Proteste des Anführers zu hören, doch der Kater nickte nur müde. "Dann sei es so. Aber sei dir bewusst, dass du uns alle dann für immer verlassen musst." Fallender Baum neigte überrascht den Kopf. "Ja, natürlich." "Du wirst der Gruppe sehr fehlen, Fallender Baum." fuhr Weißer Flug fort. "Aber ich akzeptiere deine Entscheidung. Im Blick des Katers lag etwas fernes. Fallender Baum neigte den Kopf: "Danke, Weißer Flug." Die beiden Kater trabten nach draußen, und Weißer Flug sprang auf den Felsvorsprung, in dem seine Höhle lag. "Ich fordere alle Katzen..." wollte er anfangen, doch da kam Säuselnder Wind aus dem Bau, den er sich mit Morgentau teilte, gestürzt. "Morgentau bekommt ihre Jungen!" japste der Kater aufgeregt. Wärme durchströmte Fallender Baum. Die beiden werden tolle Eltern sein! Regentropfen schlängelte sich aus dem Bau der Jäger. Der hellgraue Kater besaß ein paar Heilkenntnisse, da er der Schüler des Steinsagers gewesen war und einige Dinge von ihm gelernt hatte, die man zum heilen brauchte. "Ich kann helfen!" miaute der Kater und folgte Säuselnder Wind in den Bau. Weißer Flug sprang leichtfüßig vom Felsen und landete neben Fallender Baum. "Willst du noch warten, bis die Jungen da sind?" flüsterte er und Fallender Baum nickte. Einige Wartezeit später trat Regentropfen aus dem Bau. "Morgentau hat drei gesunde, kräftige Junge zur Welt gebracht!" verkündete er. "Wie heißen sie denn?" fragte Federglanz, die inzwischen auch mit den anderen Katzen aus ihrem Bau gekommen war. "Sie heißen Sturmjunges, Tropfenjunges und Mondjunges, damit man sie als Junge identifizieren kann. Später, wenn sie sechs Monde alt sind, werden sie andere Namen bekommen." miaute Regentropfen. Mondjunges ist bestimmt nach Heller Stern benannt, wegen Mond und Sterne... dachte Fallender Baum. Dann tappte er zum Bau von Morgentau und Säuselnder Wind. Als seine Augen sich an das Dämmerlicht im Brombeergeflecht gewöhnt hatten, sah er Morgentau und Säuselnder Wind glücklich nebeneinander liegen. Drei flauschige, kleine Gestalten wuselten am Bauch ihrer Mutter herum. "Fallender Baum!" schnurrte Morgentau. "Was gibt es?" Fallender Baum fiel es sichtlich schwer, es ihnen zu sagen. "Ich... ich gehe weg. In Maus' Gruppe, wo Laufendes Reh ist. Ich hatte mehrere Träume, die sagten, ich solle meinem Herzen folgen." Säuselnder Wind sprang auf und rieb seinen Kopf an seinem. "Ich werde dich sehr vermissen, Fallender Baum!" "Ohne dich wird ein Teil der Gruppe fehlen!" meldete sich auch Morgentau zu Wort. Fallender Baum verabschiedete sich ausgiebig von den fünf, dann verließ er schweren Herzens den Bau, um Weißer Flugs Zeremonie zu lauschen. Der Kater hatte inzwischen wieder seinen Platz auf dem Felsvorsprung eingenommen, die anderen hatten sich schon versammelt. "Heute sind Sturmjunges, Tropfenjunges und Mondjunges, drei wunderbare, gesunde Jungen auf die Welt gekommen. Aber leider habe ich auch eine schlechte Nachricht für euch: Fallender Baum wird uns verlassen." Alle Köpfe wirbelten zu ihm herum, und der Scham stieg in ihm auf. "Ich hatte Träume, dass ich Laufendes Reh folgen muss." erklärte er hastig. Nacheinander verabschiedeten sich die Katzen von ihm, und es hätte Fallender Bam fast dazu bewegt zu bleiben. Aber er wusste, dass seine Bestimmung woanders lag. Nachdem er sich von allen Freunden verabschiedet hatte, verließ er das Lager zum letzten Mal. Auf einmal stiegen Zweifel in ihm auf. Was, wenn Maus ihn gar nicht aufnehmen wollte? War es wirklich richtig gewesen, die Gruppe so kurzfristig zu verlassen? Als Fallender Baum am Waldrand angekommen war, atmete er einmal tief durch, bevor er Maus' Grenzmarkierungen übertrat. Er war das letzte mal vor einem Mond in Maus' Territorium gewesen, als er Laufendes Reh zur Beerdigung von Heller Stern abgeholt hatte. Er wollte in Richtung Lager traben, doch da stieg ihm ein sonderbarer Geruch in die Nase. Kiefernharz! Und da war noch was, ein Geruch, der ihm sehr vertraut war. Laufendes Reh! Was macht sie denn hier? Er lief etwas weiter in die Richtung, bis er kurz vor dem Rand des Kiefernwaldes Fauchen und Kampfgeräusche hörte. Er blieb stehen und blickte durch das lichte Brombeergestrüpp vor ihm. Und da sah er es: Ein schwarzer Kater mit weißem Bauch und weißen Pfoten stand über der zierlichen Gestalt von Laufendes Reh! "Das ist Rosts Territorium! Wann versteht ihr Mäusehirne das endlich?" Der Kater war nun kurz davor, Laufendes Reh den tödlichen Biss in die Kehle zu versetzen! Fallender Baum konnte es nicht länger mit ansehen. Er stürzte sich auf den Kater und warf ihn von Laufendes Reh runter. "Lass sie in Ruhe!" jaulte er und verpasste dem Kater einen Kratzer am Bauch und ließ seinem Gegner dann Zeit, um aufzustehen. "Verschwinde, du Flohpelz!" Der Kater humpelte mit einem letzten, feindseligen Blick davon. "Das war erst der Anfang!" knurrte er. Als er endgültig zwischen den Schatten der Kiefern verschwunden war, drehte sich Fallender Baum zu Laufendes Reh um. "Alles in Ordnung?" fragte er sie sanft. Oh, wie hatte er diesen liebevollen Blick aus ihren glänzenden Bernsteinaugen vermisst! "Ja, mir geht es gut. Dankeschön..." miaute sie. "Keine Ursache." winkte er ab und versuchte, den Schmerz an seiner Schulter zu ignorieren. "Was machst du hier?" fragte sie ihn. "Ich... ich habe die Gruppe verlassen. Ich hatte Träume, das ich mich euch anschließen soll." Das ich mich dir anschließen soll. Laufendes Reh sah ihn ungläubig, aber froh an. "Komm erst mal mit, dann kann Blüte deine Verletzungen ansehen."

15. Kapitel

WUNDERBLÜTE WAR JETZT schon anderthalb Monde alt, und Wirbelsturm war sehr stolz auf seine kleine Tochter. Sie interessierte sich sehr für Blütes Heilkünste und half ihr gerne beim Kräuter sortieren oder sah ihr einfach nur dabei zu. Gerade lag er neben Brise in der Sonne und sah zu, wie Wunderblüte ein Büschel Rainfarn, dass sie am Lagereingang gefunden hatte, zu Blütes Bau trug. Sie war so engagiert und aufgeweckt! Auch Schwinge des Adlers, der mittlerweile sowas wie sein Schüler geworden war, machte große Fortschritte. Besonders das Klettern schien dem jungen Kater zu gefallen. Eigentlich könnte alles perfekt sein. Doch die Bedrohung durch Rost und ihre räudigen Katzen lastete wie eine dunkle Wolke über der Gruppe. In letzter Zeit hatte es immer mehr Auseinandersetzungen an den Grenzen gegeben, weil sich die Streuner immer wieder ungefragt in den Wald begeben hatten. Und auch mit Schreis Gruppe lief nicht alles rund. Einige Katzen der Gruppe schienen zu glauben, dass Maus einfach so Einzelläufer aus seinem Territorium verbannen würde und dass er die eigentliche Bedrohung wäre. Aber das stimmte nicht! Maus' Gruppe hatte noch nie jemanden ohne Grund aus dem Territorium vertrieben! Wer auch immer ihnen diesen flohhirnigen Gedanken eingepflanzt hatte war entweder nicht gut informiert oder ein hinterhältiger Verräter. Schreis Gruppe kehrte immer mehr in sich, und besonders diese Cas begegnete ihnen feindselig. Sie hatte ihm vor ein paar Sonnenaufgängen an der Grenze an den Kopf geworfen, sie wurden arme, unschuldige Einzelläufer vertreiben! Es hatte ihn ziemlich gekränkt. Aber er wusste ja, dass es nicht stimmte. Da hörte er die aufgeregte Stimme seiner Tochter: "Laufendes Reh ist von ihrer Jagd zurück! Glaubst du, sie hat mir eine Maus mitgebracht?" Wirbelsturm schnurrte: "Erstmal bekommst du noch Nahrung von deiner Mutter, du Racker." Wunderblüte drückte sich an Brise. Die hellgraue Kätzin sah liebevoll auf ihre Tochter herab. Doch Wirbelsturm hatte ungläubig seinen Blick auf Laufendes Reh gerichtet. Sie stützte den hellbraun getigerten Kater namens Fallender Baum, der sie vor einem Mond zur Beerdigung ihrer Ziehmutter abgeholt hatte, ins Lager. Er schien verletzt zu sein, und auch Laufendes Reh hatte ein paar Kratzer. Beide waren atemlos und schwächelten, besonders Fallender Baum. Hoffentlich ist er nicht ernsthaft verletzt... dachte Wirbelsturm besorgt. Auch Brise und Wunderblüte hatten die beiden Katzen jetzt bemerkt, und Wunderblüte wollte sofort aufspringen, um zu helfen, doch Brise hielt sie zurück. "Blüte macht das schon, keine Sorge, meine Kleine." murmelte Brise der Kätzin ins Ohr. Wunderblüte sah besorgt zum Bau hinüber, und wirkte in dem Moment wie eine alte, weise Kätzin und nicht wie ein Junges auf Wirbelsturm. "Aber vielleicht braucht sie ja meine Hilfe..." philosophierte sie. Wirbelsturm legte seiner Tochter den Schweif auf den Rücken. "Dann würde sie dich bestimmt holen. Und jetzt geh mit deiner Mutter in den Bau, du musst schlafen." Brise erhob sich und schob die protestierende Wunderblüte sanft Richtung Baumstumpf. Belustigt sah Wirbelsturm ihnen hinterher. Dann stand auch er auf und schüttelte sich den Staub vom Boden aus dem Pelz. Dann tappte er zu Laufendes Reh, die mit besorgtem Blick vor Blütes Bau stand. "Was ist passiert?" fragte er sie leise, um Blüte nicht bei der Arbeit zu stören. Laufendes Reh flüsterte zurück: "Ich wurde auf der Jagd von einer von Rosts Katzen angegriffen." Als Laufendes Reh Rosts Katzen erwähnte, stieg ein grollen in Wirbelsturm auf. Diese Flohpelze! Der Kiefernwald reicht ihnen wohl nicht! Laufendes Reh fuhr mit ihrer Erzählung fort: "Der Kater, der mich angegriffen hat, war kurz davor, mir an die Kehle zu gehen. Doch dann kam Fallender Baum aus den Büschen gesprungen und hat mich gerettet. Beim Kampf hat er sich allerdings die Schulter ausgerenkt und ist an mehreren Stellen verwundet. Den Angreifer hat er aber vertrieben." endete sie. Wirbelsturm sah beeindruckt in das schummrige Licht des Brombeergeflechts von Blütes Bau. Er muss sie wirklich lieben! dachte er und sah die dunklen Umrisse vom liegenden Körper des Katers. "Ach ja, da ist noch etwas." meldete sich Laufendes Reh. "Ich werde Maus fragen, ob er sich uns anschließen darf. Er wollte es aufgrund eines... Traumes." Erfreut stellte Wirbelsturm die Ohren auf. Einen so mutigen Krieger wie Fallender Baum können wir gut gebrauchen! "Tu das, es würde uns auf jeden Fall nicht schaden!" ermutigte Wirbelsturm sie. Glücklich sah sie ihn an. "Schön, dass dir die Idee gefällt. Ich werde mal nach ihm sehen." Mit diesen Worten war die rotbraune Kätzin geschmeidig durch den Eingang von Blütes Bau geschlüpft. Ich hoffe für sie, dass Maus zustimmt und vor allem, dass Fallender Baum sich wieder erholt! dachte er, dann trabte er zum Frischbeutehaufen und nahm eine Maus für Brise mit. Er brachte sie in den Baumstumpf und ließ sich neben seiner Gefährtin nieder, die ihren Körper schützend um die schlafende Wunderblüte gerollt hatte. Ja ja, so viel zu "Ich will unbedingt helfen und bin gar nicht müde!" dachte Wirbelsturm belustigt. Brise sah zu ihm auf, als er ihr die Maus vor die Nase schob. "Komm schon, du hast heute morgen nur einen mageren Sperling gehabt!" miaute er liebevoll, aber bestimmt. Brise neigte seufzend den Kopf und schlug ihre Zähne in das saftige Fleisch der Maus. Wirbelsturm sah, wie hungrig sie war und das sie versuchte, es zu verbergen. Sie ist so stark! dachte er stolz, und ein Gefühl der Wärme durchströmte ihn, als er auf seine kleine Familie hinabsah. So könnte es perfekt sein. Wenn nicht...

16. Kapitel

CAS KAUERTE ZWISCHEN zwei Ginsterbüschen und starrte ungeduldig auf die Lichtung mit den vier Felsen. Sie hatte beim letzten Sonnenaufgang von der neuen Heilerin Minzblatt erfahren, dass sie Junge erwartete. Und natürlich wusste sie ganz genau, wer der Vater war. Wo bleibt Moos? Ich kann es kaum erwarten, es ihm zu sagen! Cas war erst in Panik geraten, als sie es erfahren hatte, und hatte niemandem erzählt, wer der Vater der Jungen war. Aber mittlerweile hatte sie sich an den Gedanken gewöhnt, dass sie Mutter wurde, und sie wollte Moos dazu überreden, zur Gruppe zu kommen. Sie würden ihre Jungen zusammen aufziehen können, sie wachsen sehen... Bei dem Gedanken zuckten ihre Schnurrhaare glücklich. Doch ein ungutes Gefühl beschlich sie ebenfalls: Was, wenn Moos überhaupt nicht zur Gruppe will? Oder wenn Schrei ihn nicht aufnimmt? Sie schob den Gedanken beiseite. Es würde schon alles gut gehen. Sie plusterte ihr Fell auf. Es war immer noch ziemlich kalt bei Sonnenaufgang, auch wenn mittlerweile die Blattleere komplett der Blattfrische platz gemacht hatte und die Pflanzen wieder grünten. Es raschelte im Gebüsch, und Cas stellte gespannt die Ohren auf. Moos' Geruch stieg ihr in die Nase, und prompt trat der Kater aus dem Brombeergestrüpp. Cas wollte schon den Hang hinunterstürmen und den zukünftigen Vater ihrer Jungen begrüßen, als ihr noch ein weiterer Geruch vermischt mit ekelhaftem Kiefernharzgestank in die Nase stieg. Rost! erschrocken drückte Cas sich tiefer zwischen die Ginsterbüsche und hoffte, dass sie nicht entdeckt werden würde. Wird sie Moos angreifen? schoss es ihr panisch durch den Kopf. Sie wollte ihn nicht auch noch verlieren. Doch dann passierte etwas unerwartetes: Moos drehte sich zum Gebüsch um und miaute: "Du kannst rauskommen, sie ist noch nicht da!" Und dann trat die rostrote Kätzin aus dem Gebüsch und prüfte die Luft. Hinter ihr kamen Kralle und Ameise, ein rotbrauner Einzelläufer aus dem Kiefernwald, aus dem Gestrüpp. "Ich rieche sie aber, mein treuer Gruppengefährte!" fauchte Rost verärgert. "Denk daran, wir brauchen Territorium! Und Schreis wird bald schon uns gehören!" Cas fuhr zusammen. Gruppengefährte? Was um alles in der Welt ist hier los? Verängstigt über Rosts Aussagen kroch sie Rückwärts durch den Ginster. Sobald sie Moorboden berührte rannte sie um ihr Leben, auch wenn das ihren Jungen im Bauch wahrscheinlich gar nicht gefiel. Sie hatte bis jetzt nur Minzblatt von Moos erzählt, weil sie Angst hatte, die anderen könnten das missbilligen oder sie sogar verstoßen. Was wusste sie denn? Aber jetzt führte kein Weg daran vorbei, sie musste es den anderen sagen. Auf halber Strecke kamen ihr Scharfpfote und Mitternacht entgegen, Mitternacht hatte Scharfpfote gerade das Territorium gezeigt. "Was ist los, Cas? Du bist ja ganz außer Atem!" besorgt eilte Scharfpfote an ihre Seite, während Mitternacht sich im Hintergrund hielt. Dankbar für die Fürsorge des neuen Jägers erzählte Cas: "Ich wurde verraten! Vom Vater meiner eigenen Jungen!" klagte sie. Mitternacht verengte seine Augen zu Schlitzen. "Und wer ist der Vater deiner Jungen?" fragte er misstrauisch. Cas holte tief Luft, dann antwortete sie: "Moos, ein Einzelläufer, mit dem ich mich öfter getroffen habe. Aber er ist in Wirklichkeit ein Mitglied von Rosts Gruppe, wie ich heute beobachten musste! Und sie planen, unser Territorium einzunehmen!" Der Schreck stand Mitternacht und Scharfpfote ins Gesicht geschrieben. "Was?" fragte Mitternacht empört und entsetzt. Scharfpfotes Augen weiteten sich erschrocken. Er hatte wohl nicht erwartet, dass es hier nicht immer friedlich zuging. "Moos?" Scharfpfote war verwundert. "Minzblatt und ich haben ihn ein paarmal im Wald getroffen. Er hat uns vor Maus gewarnt und gesagt, dass wir wegziehen sollen, bevor Maus den ganzen Wald an sich reißt!" "Dieser Lügner!" fauchte Cas. Auf einmal ergab alles einen Sinn für sie, und Wut stieg in ihr hoch. Sie hatte sich so von Moos und seinem Charme einwickeln lassen, dass sie ihm alles geglaubt hatte! Maus war gar nicht so herrisch und böse, er ernährte nur seine Gruppe, wie jede andere Katze! Und Scharfpfote und Minzblatt hatte er klug aus dem Weg geräumt, damit Rost das Territorium ungestört übernehmen konnte! Cas hatte ohne Grund den grauen Kater an der Grenze angeschnauzt, weil sie sauer auf Maus gewesen war, weil er dem armen, unschuldigen Moos das Jagdgebiet wegnahm! Wie hatte sie nur so leichtsinnig und unvorsichtig sein können? Schrei hat von Anfang an Recht gehabt. dachte Cas niedergeschlagen. Man kann niemandem außer der eigenen Gruppe trauen. Das hatte sie jetzt auch verstanden. Mitternacht und Scharfpfote begleiteten sie zum Lager zurück. Dort lief Cas schnurrstracks zu Schrei, die in der Sonne lag. "Schrei? Ich muss dringend mit dir reden! Es geht um den Vater meiner Jungen. Und um... Rost." Schrei sah seufzend auf. "Cas, dass Thema hatten wir doch schon..." "Nein, Nein, es geht nicht darum. Sondern darum, dass der Vater meiner Jungen vorgegeben hat, ein Einzelläufer zu sein, obwohl er die ganze Zeit über ein Spion und Mitglied von Rosts neuer Gruppe war. Sie wollen unser Territorium übernehmen!" Cas erzählte ihrer Anführerin alles, von ihrem ersten Treffen mit Moos, über die Sache mit Minzblatt und Scharfpfote, wie er sie für Informationen ausgenutzt hatte, wie sie die eine Talkatze gewarnt hatte und wie sie schließlich den Verrat aufgedeckt hatte. Als Cas geendet hatte, war Schreis Fell gesträubt und sie war aufgesprungen. "Was hast du dir nur dabei gedacht? Bist du noch so mäusehirnig wie ein kleines Junges, oder was?" Schrei lief in Rage im Kreis vor Cas herum. Sie war offensichtlich nicht erfreut über Cas' Taten. Kann man es ihr verübeln? Dachte Cas und senkte beschämt den Kopf. Ich habe mich wirklich wie ein Mäusehirn verhalten! "Du hast nicht nur meine Befehle missachtet, sondern auch noch die ganze Gruppe in höchste Gefahr gebracht! Denk doch nur an Hummel und Schnee, geschweige denn deine eigenen Jungen! Sie werden alle sterben, wenn Rost uns angreift! Wir sind offensichtlich in der Unterzahl!" Die Anführerin war jetzt vor Cas stehen geblieben und sah nun mehr besorgt als wütend aus. "Es tut mir leid..." murmelte Cas. Sie fühlte sich mies. Ihre Anführerin ließ den Katzen viele Freiheiten, aber die wenigen Regeln, die es gab, musste Cas natürlich gleich brechen. Die Anführerin seufzte auf, dann drehte sie ab. Im weglaufen maunzte sie: "Ich werde darüber nachdenken müssen." Einige Herzschläge sah Cas der Kätzin hinterher. Dann schob sich ein dunkelgrauer Pelz neben sie. Scharfpfote! Die einzige Katze, die mich versteht... Der Kater sah sie an. "Hey, mach dir nichts draus. Du konntest nicht wissen, was Moos für ein Verräter ist." miaute er mitfühlend. "Aber ich hätte mich an die Regeln halten sollen." klagte sie. Scharfpfote strich ihr mit dem Schwanz über den Rücken. "Irgendjemand muss sie ja brechen, oder? Was wären Regeln ohne Regelbruch? Du wolltest doch nur Gutes tun!" Cas Schnurrhaare zuckten getröstet. "Danke..." murmelte sie und fühlte sich gleich ein wenig besser.

17. Kapitel

Fallender Baum blinzelte verschlafen ins Sonnenlicht. Er war nun schon seit drei Sonnenaufgängen in Maus' Lager untergebracht, und er hatte glücklicherweise das Gefühl, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die Katzen hielten wie ein festes Band zusammen, alle kümmerten sich rührend um ihn. Außerdem war er eh viel lieber im Wald als auf dem kahlen, windigen Moor. Hier fühlte er sich sicher und geborgen, alle Katzen waren nett zu ihm und gingen unvoreingenommen an seine Charakterzüge und Sichtweisen heran. Und das wichtigste: Laufendes Reh verbrachte sehr viel Zeit bei ihm in Blütes Bau und versprach ihm am Laufenden Band, dass alles wieder gut werden würde. Vielleicht entwickelte sich etwas zwischen ihnen? Fallender Baum hoffte es sehr, denn Laufendes Reh tat ihm gut. Sie war umsichtig, freundlich, gesprächig, klug und wunderschön. Außerdem war er in ihrer Gegenwart er selbst und musste sich nicht zu ihrer Zufriedenheit verstellen. Sie war einfach das richtige für ihn, und das spürte Fallender Baum ganz genau. Natürlich vermisste er seine alten Freunde jetzt schon sehr, besonders seinen besten Freund Stürzende Klippe, aber dass hier war es das wert. Er schloss die Augen und sog den Duft von frischem Laub und Harz ein. Dann öffnete er sie wieder und blickte sich um. Er konnte die schemenhafte Gestalt von Blüte auf der anderen Seite des Baus erkennen, und sah, wie ihr Körper sich hob und senkte. Die Kätzin schlief wohl noch. Er stand auf, was ihm jetzt schon leichter fiel als zuvor. Nur noch kleine Schmerzen durchzuckten seine verrenkte Schulter, und sie verschwanden, je mehr er im Lager herumlief und sich an die Bewegung gewöhnte. Da trat Laufendes Reh aus dem Bau der Jäger. Ihr hübscher, glatter, rotbrauner Pelz schimmerte in der Morgensonne und Fallender Baum sah die Kätzin bewundernd an. Sie ist so schön... Ihr sanftes miauen riss ihn aus seinen Gedanken. "Guten morgen, Fallender Baum. Wie wärs mit einem kleinen Spaziergang, damit du dich an die Bewegung gewöhnst?" schlug sie vor. Er schnurrte: "Gerne!" Doch dann fiel ihm ein: "Aber wir bleiben in der Nähe des Lagers, ja? Wir dürfen nicht riskieren, von Rosts Katzen überrascht zu werden." Sie neigte den Kopf. "Natürlich. Ich sage kurz Blüte Bescheid." Laufendes Reh flitzte zu Blütes Heilerbau. Die Heilerin schien mittlerweile wach geworden zu sein, denn Fallender Baum hörte das maunzen beider Katzen. Dann schlüpfte Laufendes Reh wieder hinaus und gesellte sich zu ihm. Gemeinsam liefen sie durch den Lagereingang und traten hinaus zwischen die Bäume. Während sie so locker nebeneinander hertrotteten, begann Laufendes Reh etwas schüchtern ein Gespräch: "Was hältst du eigentlich von der ganzen Sache mit Rost?" fragte sie. Fallender Baum musste nicht lange überlegen: "Ich finde es schrecklich, was sie macht. Sie behauptet, dass alles hier ihr gehört, dabei ist doch genug Territorium und Beute für alle da, oder? Außerdem haben ihre Katzen dich angegriffen, dass werde ich ihnen niemals verzeihen!" Er sah ihr liebevoll in die Augen, bis ihm klar wurde, wie offensichtlich seine Aussage gerade gewesen war. Verlegen sah er zur Seite und leckte sich das Brustfell. Innerlich verfluchte er sich für seine Aussage. Mäusehirn! Jetzt denkt sie bestimmt, dass du so ein verrückter Schleimer bist! Doch Laufendes Reh fragte nur unsicher: "Ehrlich? Das ist toll!" Fallender Baum versuchte mit einem Schnurren seine Nervosität zu überspielen. Das Laub raschelte unter ihren Pfoten, während sie in verlegenem schweigen nebeneinander hergingen. Schließlich brach Laufendes Reh die Stille: "Also, Fallender Baum?" fragte sie unsicher. "Ich wollte mit dir über etwas reden." Fallender Baum spitzte die Ohren. "Du kannst mit mir über alles reden, dass weißt du." miaute er. "Genau das ist mein Punkt." druckste sie herum. "Wir kennen uns jetzt schon sehr lange, genauer gesagt, seit ich in den Stamm kam. Und... Ich glaube, nach all der Zeit mit verschiedensten Katzen bist du derjenige, mit dem ich am liebsten Zeit verbringe und der mir am Vertrautesten ist. Als Rinde der Eiche mich fallen ließ hast du mich aufgefangen. Du hast dich wie ein zweiter Vater um Schwinge des Adlers gekümmert, als er noch klein war. Du bist mir in eine Fremde Gruppe gefolgt und hast mir nebenbei noch das Leben gerettet. Und das macht mich sehr glücklich. Du machst mich glücklich." Tausend Schmetterlinge explodierten vor Freude in Fallender Baums Bauch. Sie mag mich auch! "Und ich glaube..." sie sah ihn schüchtern an. "Ich glaube, ich habe mich in dich verliebt." Jetzt tickten die Schmetterlinge völlig aus. Sie liebt dich! Sie liebt dich! schienen sie Fallender Baum zuzuschreien. Was sagst du jetzt? dachte er panisch. "Ich... ich glaube, ich liebe dich auch!" maunzte er aufgeregt. Laufendes Reh sah ihn aus glänzenden Bernsteinaugen an und schnurrte: "Das ist wundervoll!" Fallender Baum holte tief Luft und stellte die Frage, die er schon lange hatte stellen wollen: "Willst du vielleicht... meine Gefährtin sein?" Unsicher sah er sie an. Ihre Augen leuchteten. "Aber natürlich, Ja!" rief Laufendes Reh aus. Gemeinsam liefen sie zum Lager zurück, um die Frohe Botschaft zu überbringen. Fallender Baum fühlte sich wie die glücklichste Katze auf der ganzen Welt. Doch sein Hochgefühl sollte nicht lange anhalten, denn als sie in der Nähe des Lagereingangs angekommen waren, hörten sie Fauchen und knurren. Außerdem stieg Fallender Baum ein säuerlicher Geruch nach Kiefernharz in die Nase. Er sah Laufendes Reh an und wusste, dass sie ebenso wusste, was dort vorging. Rosts Katzen! dachte er alarmiert und sprang, so schnell wie seine verletzte Schulter es zuließ, gefolgt von Laufendes Reh zum Lager. Und dort bot sich ihm ein schreckliches Kampfgetümmel.

18. Kapitel

WIRBELSTURM SCHLUG DIE Zähne in den Nacken eines schwarzen Katers, der in Brises Bau hatte eindringen wollen. Seine Gefährtin hatte sich vor dem hohlen Stumpf positioniert, wo Wunderblüte vorsichtig hinter ihrem Rücken hervorlugte und ängstlich dreinschaute. Brise schob ihr Junges vorsichtig, aber bestimmt in den Bau zurück. Wirbelsturm wusste, dass Brise die kleine mit ihrem Leben beschützen würde, genau wie er. Er schüttelte einen jungen, braunen Kater von sich ab und stürzte sich auf Nadelkralle, die er schon mehrmals getroffen hatte und die jetzt versuchte, Brise anzugreifen. Wirbelsturm riss sie um und so von Brise weg. Er stemmte sie mit seinem ganzen Gewicht auf den Boden und knurrte sie an: "Lass. Meine. Gefährtin. In. Ruhe!" Er hieb mit der Pranke quer durch ihr Gesicht, doch sie lachte: "Ooohhh, hat das kleine Katerchen Angst um seine Große Liebe?" wütend fauchte Wirbelsturm: "Zufällig habe ich ein Herz, im Gegensatz zu dir!" Nadelkralle drehte prompt den Spieß um und auf einmal lag Wirbelsturm unten. Er versuchte panisch, ihre Unterseite mit seinen Krallen zu bearbeiten, doch sie drückte seine Beine gekonnt mit ihren eigenen Hinterpfoten nach unten, sodass er sie kaum bewegen konnte. "Na, was sagst du jetzt, Flohhirn?" spottete die getigerte Kätzin selbstsicher und fuhr ihm mit der Kralle übers Auge. Das Blut rann ihm heiß über die Schnauze. "Hier hast du deine Erinnerung!" fauchte Nadelkralle hämisch. Da riss etwas sie von ihm runter. Wirbelsturm rappelte sich verwundert auf und sah, dass es Brise war. Die hellgraue Kätzin fuhr ihrer Gegnerin geschickt mit den ausgefahrenen Krallen über den Rücken, und als Nadelkralle sich wütend umdrehen wollte, tauchte Brise, die viel schlanker und wendiger als ihre Rivalin war, unter ihr hindurch und fuhr ihr durchs Gesicht. Nadelkralle und Brise verschwanden im Kampfgetümmel und Wirbelsturm betete, dass Brise es überstehen würde. Er machte sich große Sorgen und wäre fast hinterher gerannt. Sie ist klüger und flinker als Nadelkralle. Sie wird es schaffen! Ihm fiel zum ersten mal auf, wie viele Katzen Rost um sich gescharrt hatte. Es waren mindestens doppelt so viele wie Maus' Gruppe! In seiner Aufregung hatte Wirbelsturm ganz vergessen, dass der Baumstumpf jetzt ungeschützt war. Er sah, dass ein rotbrauner Kater, er hieß Ameise, Wirbelsturm war ihm schon zweimal begegnet, sich auf den Bau zuschlich. Panisch wollte er losspringen, doch ein hellbraun getigerter Blitz kam ihm zuvor. Fallender Baum! Der neue warf Ameise um und bearbeitete ich aggressiv mit den Krallen. "Hinterhältiger Flohpelz!" fauchte er. Wirbelsturm kam hinzu, um ihm zu helfen, und gemeinsam schafften sie es, Ameise zu vertreiben. Er floh durch die Brombeerhecke. "Hoffentlich bleibt er stecken!" knurrte Fallender Baum. "Danke." murmelte Wirbelsturm. Fallender Baum drehte sich zu ihm. "Keine Ursache." miaute der, und bevor er sich ins Kampfgetümmel stürzte, maunzte Wirbelsturm ihm hinterher: "Du bist echt in Ordnung, Fallender Baum!" "Danke!" rief der Kater mit leuchtenden grünen Augen, dann sprang er auf einen getigerten Streuner mit grünen Augen und war im Kampf verschwunden. Wirbelsturm fuhr herum und stellte sich schützend vor Brises Bau, um Wunderblüte zu verteidigen. Mehrere abgewehrte Streuner später war Wirbelsturm ziemlich geschafft und hatte viele Wunden. Maus' Gruppe wurde immer schwächer, lange würden sie der Streunerflut nicht mehr standhalten. Maus sprang aus dem Kampfgetümmel auf den Hochstein, von dem er sonst immer sprach, und schrie: "Wir ziehen uns zurück! Es hat keinen Sinn, es werden Katzen sterben!" Wirbelsturm war erst ungläubig über die Aussage seines sonst so stolzen Anführers. Einfach so das Territorium aufgeben? Das sieht ihm gar nicht ähnlich! Doch er erkannte die missliche Lage der Gruppe. Wenn sie nicht aufgaben, könnten Katzen sterben! Auf einmal konnte er seinen Anführer sehr gut verstehen. Er führt uns. Er trägt die Verantwortung für uns. Er kann nicht zulassen, dass jemand stirbst, sonst würde man es ihm nie verzeihen. Eine rostrote Kätzin mit funkelnden Bernsteinaugen miaute gehässig: "Du warst schon immer ein gnadenloser Feigling, Maus. Aber wir werden euch gehen lassen, schließlich haben wir, was wir wollten!" Das musste Rost sein. Ein knurren stieg in Wirbelsturms Kehle auf, während die Streuner siegessicher zur Seite traten und die Katzen aus Maus' Gruppe freigaben. Was erlaubten die sich eigentlich? Jetzt waren sie sogar ihr eigenes Territorium los! Wirbelsturm eilte zu Brise, während er die gehässig dreinblickende Nadelkralle anfunkelte. "Geht es dir gut?" murmelte er ins Ohr seiner erschöpften Gefährtin. "Bis auf ein paar Kratzer ja." antwortete sie. "Und dir?" "Ich werd's überleben." sagte er. Dann lief er zum Baumstumpf und schlüpfte hinein. "Wunderblüte? Wir müssen gehen." Die kleine Kätzin, fast eindreiviertel Monde alt, kroch verängstigt aus dem Schatten hervor. "Warum?" fragte sie verwirrt. "Wir wurden vertrieben, wir mussten uns ergeben. Jetzt komm, beeil dich!" Er nahm die kleine Kätzin vorsichtig am Nackenfell und trug sie im Laufschritt zu Brise herüber, die ihrer Tochter das Fell leckte und sie mit dem Schwanz an sich zog. Laufendes Reh wurde von Fallender Baum gestützt, sie hatte sich wohl am Vorderbein verletzt. Fallender Baum hatte eine tiefere Wunde am Rücken, was ihn aber nicht kümmerte. Hinter ihnen lief Schwinge des Adlers, der bis auf ein paar Wunden unversehrt schien. Er scheint tapfer gewesen zu sein! Dann kam Blüte mit Maus und schließlich Feuerschein und Rotpelz, die Vogelflug in ihrer Mitte hatten. Zu Wirbelsturms Entsetzen war die eine Gesichtshälfte des Katers komplett entstellt, und seine Hinterbeine sahen nicht gesund aus. Er eilte zu seinem Freund. "Was ist mit ihm?" fragte er Rotpelz besorgt. Feuerschein antwortete für ihren Bruder, der scheinbar ziemlich geschockt über Vogelflugs Verletzung war: "Vogelflug hat mit Rost und zwei anderen Streunern gekämpft. Er ist von ihnen mehrmals gegen Bäume und Felsen geschleudert und zerkratzt worden. Sie haben ihm auf einer Seite das Ohr Zerfetzt und ihm auf dem Auge das Augenlicht genommen. Außerdem ist laut Blüte sein eines Hinterbein ziemlich schlimm und das andere leicht verletzt." Entsetzt starrte Wirbelsturm auf seinen Freund. "Oh nein..." murmelte er. Er eilte zu Blüte. Ohne Vorwarnung fragte er: "Wird er es überleben?" Blüte schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht. Ich brauche einen sicheren Ort, um ihn zu behandeln." Sie schien zu wissen, von wem er redete. Wirbelsturm nickte, dann sagte Maus: "Geht nacheinander aus dem Lager. Ich komme nach!" Er winkte Zuerst Blüte, Rotpelz und Feuerschein mit Vogelflug in ihrer Mitte durch, dann schlüpften Laufendes Reh, Fallender Baum und Schwinge des Adlers durch den Eingang. Schließlich durfte Wirbelsturm mit Brise, die ihre verängstigte Tochter im Nackenfell trug durch den Eingang. Wirbelsturm hörte, wie Maus sagte: "Wir werden unser Territorium zurückbekommen, Rost! Das war noch nicht das Ende!" Dann sprang er durch den Eingang und lief an die Spitze der Katzen. Der Anführer drehte sich zu ihnen um. "Kennt jemand einen sicheren Ort, wo wir willkommen sind und unsere Verletzten behandeln können?" Wirbelsturm dachte an seine Einzelläuferzeit zurück, und plötzlich fiel ihm etwas ein, wo er mal gewesen war. Er trat vor. "Ich glaube, ich kenne da einen Ort, wo wir sicher wären..."

19. Kapitel

CAS LAG ERSCHÖPFT in ihrem Nest. Es war sehr früh morgens, es war ungefähr ein dreiviertel Mond vergangen. Die Geburt ihrer Jungen stand kurz bevor. Schrei war immer noch ziemlich sauer auf sie, hielt sich aber zurück, weil sie wusste, dass Cas im Moment nur wenig belastbar war. Scharfpfote lag in dem Nest neben Cas, sein Körper hob und senkte sich regelmäßig, was darauf schließen ließ, dass er noch schlief. Cas war dankbar dafür, dass Schrei sie als Strafe für ihre Unachtsamkeit nur einen halben Mond den Frischbeutehaufen hatte sortieren lassen, weil sie wusste, wie leid Cas die ganze Sache tat und wie schwer sie es zur Zeit hatte. Schrei ließ trotzdem jeden Tag Patroullien an den Grenzen entlanglaufen, um sicher zu gehen, dass Rost nicht in ihr Territorium eindrang. Um Maus' Gruppe war es in letzter Zeit ziemlich still geworden. Keine Grenzpatroullien, keine Jagenden Katzen, sogar der Geruch wurde von Rosts überlagert. Mehrmals waren Schreis Patroullien auf Katzen aus Rosts Gruppe gestoßen, die damit prahlten, Maus und seine Katzen vertrieben zu haben. Wahrscheinlich stimmte das sogar, denn Maus und seine Katzen hatten seit geraumer Zeit kein Lebenszeichen von sich gegeben. Die Gruppe machte sich natürlich Sorgen. Sie hatten ja herausgefunden, dass Maus' Gruppe unschuldig war. Cas tat es sehr leid, sie beschuldigt zu haben, und jetzt waren sie vertrieben worden? Auch die Talkatzen hatten sich zurückgezogen, nur noch gelegentlich traf man auf sie. Und als würde die Beute die Spannung zwischen den Katzen knistern hören, hatte auch sie sich entschlossen, nur noch gelegentlich aus ihren Löchern zu kommen. Scharfpfote hatte allerdings eine Taktik entwickelt, in den Tunneln der Kaninchen und Hasen zu jagen, sodass man sie auch dort fangen konnte und es nicht die Gefahr einer Hungersnot geben würde. In den Tunneln könnte man im äußersten Notfall sogar wohnen! Keine Frage, Scharfpfote war eine gute Katze. Er brachte ihnen stetig neue Techniken bei, die gerade in dieser Zeit sehr nützlich und wichtig waren. Und Cas verstand sich sehr gut mit ihm. Er verstellte sich nicht und kümmerte sich um sie, als wäre er der Vater der Jungen in ihrem Bauch. Und insgeheim wünschte Cas sich, er wäre es wirklich. Aber nein. Sie wollte nicht nochmal enttäuscht werden. Scharfpfote war nur ein guter, treuer Freund. Und er würde sich zweifellos gut um die Jungen mitkümmern. Schrei suchte in letzter Zeit auch nach neuen Mitgliedern für die Gruppe. Sie mussten stark sein, falls Rost angreifen würde. So hatte sie auch die junge Einzelläuferin Flockenwirbel aufgenommen. Flockenwirbel war eine geschickte Jägerin mit scharfen Augen, außerdem war sie schlank und flink, perfekt für die Jagd in den Tunneln. Die schwarz-weiß getupfte Kätzin hatte sich ihr Nest auf der anderen Seite des Baus eingerichtet. Auch sie schlief noch. Cas wurde durch Pfotentrappeln im Lager aufmerksam und erhob sich schwerfällig aus ihrem Nest. Wer könnte denn so früh schon wach sein?